Wortschwall: Jenny Holzers Sprachkunst im K21 Düsseldorf
Ihre Wortkunst war nicht zu übersehen. In den 1980er-Jahren setzte die Amerikanerin Jenny Holzer viele seltsame, nachdenkliche, manchmal provozierende Sätze wie eine Leuchtreklame in die Welt: Auf LED-Bändern zogen sie vorbei, in Museen, im öffentlichen Raum. Ein funkelnder Sprachfluss. Man entzifferte die Botschaften – solche wie: „Hüte dich vor deinen Wünschen“ – und vergaß sie wieder. Jetzt kann man all die verlorenen Sätze neu suchen. Und erfahren, was Jenny Holzer sonst noch für Kunst macht: in einer Retrospektive des Düsseldorfer K21.
Zu gern hätte man Jenny Holzer, die Wortfinderin, mal einen Satz sprechen gehört. Aber ihr Platz bei der Pressekonferenz blieb leer. Sie hätte sich „was eingefangen“, hieß es. Dafür erklärten die NRW-Kunstsammlungschefin Susanne Gaensheimer und die junge Kuratorin Vivien Trommer gleich doppelt ausführlich das Wesen ihrer Werkgruppen. Über Holzer selbst, die 1950 in Ohio geborene Tochter eines aus Deutschland stammenden Autohändlers, wird in der Ausstellung so gut wie nichts erzählt, kein Porträt gezeigt. Es geht, wie meistens im K21, um das Konzept, nicht um die Wirkung. Dabei schrieb Jenny Holzer selbst: „Presentation is as important as content“, die Präsentation ist genauso wichtig wie der Inhalt.
Wahrheit statt Werbung
Gerne hätte man mehr als ein paar kleine Beispiele der betörenden LED-Installationen gesehen. Aber die Ausstellung bevorzugt das Wort in seiner starren Form. Im Untergeschoss sind die Wände flächendeckend tapeziert mit zweisprachig bedruckten Plakaten für die „Truisms“ (in etwa: Binsenweisheiten), die von der jungen Jenny Holzer Ende der 1970er-Jahre erdacht, in Versalien gesetzt und anonym in New Yorker Straßen platziert wurden. Eine damals rebellische Aktion, die Aufmerksamkeit erregte. Statt Werbung las man da zündende Sätze wie „Fear is the most elegant weapon“, Angst ist die eleganteste Waffe, die Hände bleiben sauber.
Aber die Klarheit und Konzentration, die Holzers frühe Arbeiten hatten, geht im optischen Overkill der Worte unter. Über 5000 Plakate hat das Team des K21 in vierwöchiger Kleinarbeit nebeneinander geklebt. Das sind, in ungezählten Wiederholungen, zigtausend Sätze. Leider ermüdend. Um eine Abwechslung zu bieten, ließ Jenny Holzer ihre Freundin Lady Pink, eine gehypte Graffiti-Künstlerin der 1980er-Jahre, einige plakative Wandbilder zwischen die Texte in den Saal malen. Ein Schädelberg, ein bewaffneter Junge, eine offenbar tote Person, von Kriegsfotografien kopiert, bringen jede Sprache zum Schweigen.
In Stein gemeißelt
Künstlerisch kraftvoller sind allerdings die Steinbänke, in die Jenny Holzer ihre Sätze wie für die Ewigkeit meißeln ließ. 17 Bänke aus rotem Granat, 1989 im New Yorker Guggenheim Museum als „Survival“-Sitzkreis präsentiert, stehen jetzt im K21. Setzen darf man sich aus rechtlichen Gründen aber nicht auf die unverwüstlichen Sitzwerke zum Thema Überleben, nur in Ehrfurcht davor stehen und Inschriften lesen wie „Men don’t protect you anymore“, Männer sind keine Beschützer mehr. Den Spruch gibt’s übrigens auch als T-Shirt-Aufdruck im Museumsshop. Solche Souvenirs wurden schon früher in New York verkauft: Auf dem Ausstellungsplakat und auf dem Faltblatt trägt die junge Lady Pink ein Jenny-Holzer-Shirt mit dem Aufdruck „Abuse of power comes as no surprise“, Machtmissbrauch ist keine Überraschung.
Zu diesem Gedanken passt der zweite Teil der Schau in der Bel Étage des Hauses. Offenbar wollte Jenny Holzer in reiferen Jahren mal etwas anderes machen als ihre unverwechselbaren Sprachwerke. Sie wollte bildnerisch arbeiten – und im Sujet nicht banal werden. Großformatige Siebdrucke, zum Teil übermalt und mit Metall belegt, beschäftigen sich mit US-Regierungsdokumenten zu Machenschaften während des Irak-Kriegs. Es geht auch um Folter, Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Ein Haufen menschlicher Knochen (von der Künstlerin in den 1990er-Jahren aus medizinischen Unterrichtsmaterialien erworben) lässt keinen Zweifel am großen Thema: Tod durch Gewalt. Einige große schwarz-weiße Bilder zeigen die Handabdrücke verstorbener Gefangener aus dem berüchtigten Lager Abu Ghraib. Dazu gibt es keine Erklärung, nur Namen. Hilflose Worte.
Was, wann und wo?
„Jenny Holzer“: bis 6. August im K21, Düsseldorf, Ständehausstr. 1. Geöffnet Di.-Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa./So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 14 Euro. Jeden 1. Mittwoch im Monat beim KPMG-Kunstabend ist der Eintritt frei (18 bis 22 Uhr). www.kunstsammlung.de