Düsseldorf: Ist es eine Straftat, wenn man kein Geld für das Bus-Ticket hat?
Derzeit ist es eine Straftat nach Paragraph 265 a des Strafgesetzbuches, wenn man sich eine Beförderungsleistung erschleicht, das heißt ohne gültiges Ticket Bus oder Bahn nutzt. Wird man wiederholt erwischt, stellt die Rheinbahn Strafantrag und man landet im Gefängnis. So ging es Gisa M., deren Fall mittlerweile bundesweit für Diskussionen sorgt. Die Regelung im Strafgesetzbuch stammt aus dem Jahr 1935 und ist nach Meinung vieler nicht mehr zeitgemäß. Warum soll es eine Straftat sein, wenn man Ärger mit der Rheinbahn hat, aber lediglich eine Ordnungswidrigkeit, wenn man mit dem Auto in der Stadt falsch parkt?
Gefängnisse sind überfüllt
Zanda Martens, MdB der SPD, setzt sich dafür ein, die Ungleichbehandlung endlich zu beenden. Am Montag (6.3.) traf sie sich mit Gisa M., die nach vier Monaten in Haft nun endlich wieder auf freiem Fuß ist. Auch Pater Wolfgang Sieffert, der 30 Jahre als Gefängnisseelsorger tätig war, wohnte dem Treffen bei. Er kennt viele Fälle, bei denen Menschen wegen verschiedener Delikte für einige Monate in Haft mussten. Oft waren es Bedürftige, Kranke, Alte oder Obdachlose, die beispielsweise ohne Fahrschein unterwegs waren und die Geldstrafe nicht bezahlen konnten. Sie mussten ihre Strafe absitzen und riskierten dabei komplett den Boden unter den Füßen zu verlieren. Denn oft zieht der Gefängnisaufenthalt nach sich, dass man Wohnung, Arbeit und soziales Umfeld verliert. Damit ist der Haftauftrag, die „Befähigung des Lebens ohne Straftat“ ad absurdum geführt, kritisiert Pater Wolfgang.
150 Euro kostet ein Tag im Gefängnis dem Steuerzahler
In NRW kommen pro Jahr rund 100.000 Menschen ins Gefängnis, davon seien rund die Hälfte Ersatzfreiheitsstrafen, berichtet der ehemalige Gefängnisseelsorger. Das seien Fälle, in denen die Richter eine Geldstrafe verhangen haben, die Verurteilten diese aber nicht bezahlen konnten und stattdessen in Haft gehen. Viele davon sind Fälle von sogenannter „Beförderungserschleichung“. Im Durchschnitt kostet ein Hafttag 150 Euro pro Gefangenen. Pater Wolfgang ist keineswegs dafür, das Fahren ohne Ticket nicht zu bestrafen. Aber im Sinne der Verhältnismäßigkeit würde es reichen, dies als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, wie es auch bei Verkehrsdelikten gemacht wird.
Gisa hat nun eine Monatskarte
Gisa ist froh, dass ihr zwei Monate der Haftstrafe erlassen wurden und dass ihr viele Freunde und fiftyfifty den Rücken stärkten. Nur so wurde ihr Hund während der vier Monate versorgt und ihre Wohnung blieb ihr erhalten. Da der Gefängnisarzt festlegte, sie nach kurzer Zeit aus dem Methadon-Programm zu nehmen, bedeutete die Haft für sie auch Entzug. Dass sei der einzige positive Effekt, betont sie am Montag, denn nun sei sie clean und wird versuchen ihr Leben ohne Drogen in den Griff zu bekommen. Eine Jahreskarte für den ÖPNV hat sie von fiftyfitfy bekommen – damit auch hier keine Gefahr mehr droht.
Gesetzesentwurf ist in Arbeit
Doch Gisa weiß, dass viele ihrer Kollegen vom Straßenmagazin nicht immer das Geld für eine Fahrkarte haben und deshalb ohne Ticket zu ihrer Methadon-Praxis oder zum Arzt fahren. Ihnen droht ebenfalls Gefängnis, da es noch dauert, bis die Gesetzesänderung in Berlin beschlossen wird. Dafür will sich Zanda Martens einsetzen. Sie berichtet, dass der Bundesjustizminister bereits einen Gesetzentwurf vorbereitet. Nach der Sommerpause soll darüber im Bundestag debattiert werden. Martens hält es für sehr wichtig, dass Fälle wie der von Gisa bekannt werden. Denn viele Menschen wissen nicht, wie schnell man wegen vermeintlicher Bagatellen ins Gefängnis kommen kann, nur weil das Strafgesetzbuch Paragraphen enthält, die nicht mehr zeitgemäß sind. Auch vielen Bundestagsabgeordneten war das nicht bewusst. Hinzu kommt, dass es keine Festlegungen über das Strafmaß bei Beförderungserschleichung gibt. Es ist Ermessenssache der Richter, was dazu führt, dass die Strafen sehr unterschiedlich ausfallen.