Herzenslast: Die Briefe von Max Frisch und Ingeborg Bachmann im Schauspiel Düsseldorf
Das Buch ist eine Herausforderung: Über 1000 Seiten, fast ein Kilo schwer, 40 Euro teuer. Der komplette erhaltene, kommentierte Briefwechsel zwischen Max Frisch (1911-1991) und Ingeborg Bachmann (1926-1973): „Wir haben es nicht gut gemacht“. Ein Brocken aus dem Suhrkamp Verlag. Oft gekauft, seltener durchgearbeitet. Wie schön, wenn man sich die besten Stücke aus dem Briefwechsel des berühmten Liebes- und Hasspaares vorlesen lassen kann – von einem mühelos großartigen Schauspieler wie Burghart Klaußner und seiner Kollegin Friederike Wagner. Im Düsseldorfer Schauspielhaus.
Nach einem leicht ermüdenden Vortrag der Mitherausgeberin Barbara Wiedemann, einer gewissenhaften Tübinger Literaturwissenschaftlerin, begann endlich das Lebendige: die Äußerungen voller Liebe, Zweifel, Kränkung, Hoffnung, die der renommierte Schweizer Büchner-Preisträger Frisch mit der 15 Jahre jüngeren österreichischen Dichterin Bachmann austauschte. Von 1958, als sie sich in Paris kennenlernen („Ich bin nicht verliebt, Ingeborg, aber erfüllt von Dir.“) bis zum Trennungsscharmützel 1963: „Warum zerstören wir einander?“
Zärtlichkeit und Verrat
Es geht um Alltägliches, ein heißes Bad, ein neues Kleid, um Zärtlichkeit („Gute Nacht, lieber Bär!“), um Enttäuschung („Es braucht mich niemand.“), um Sehnsucht: „Ich möchte meinen Stirn in Deinen Schoß legen.“ Wie bei gewöhnlichen Leuten. Nur besser geschrieben. Und vielleicht gerade deshalb so fatal. Einer fühlt sich immer durch die Worte des Anderen verraten. Nie wollen die beiden klugen Persönlichkeiten zugleich Dasselbe: zusammenleben, heiraten, Abschied nehmen. Sie werden nie ein entspanntes Paar sein.
Dass man ihnen so nahe kommt in ihrer Privatheit, war nicht beabsichtigt. Besonders die von Ängsten verfolgte, von Beruhigungsmitteln abhängige Ingeborg Bachmann wollte alle Briefe vernichten. Aber der sture Frisch hat sie der Nachwelt erhalten. 30 Jahre nach seinem Tod wurde die Diskretion gebrochen. Die ganze Grausamkeit und Verletztheit ist nun offenbar. Und Wahrheit wird zur Dichtung, ganz lässig und doch mit Spannung vorgetragen von einem Schauspielerduo, dem man noch länger hätte zuhören können. Herzlicher Applaus.
Noch eine Lesung
Wegen der großen Nachfrage wird die Lesung des Briefwechsels von Ingeborg Bachmann und Max Frisch, „Wir haben es nicht gut gemacht“, am Sonntag, 23. April, um 16 Uhr im Kleinen Haus wiederholt. Burghart Klaußner und Friederike Wagner begeistern das Publikum. Es gibt eventuell noch Restkarten an der Tageskasse. www.dhaus.de