Irgendwie abgeschlafft: Rundgang in der Akademie Düsseldorf
Na? Schon da gewesen? Der „Rundgang“ an der Düsseldorfer Kunstakademie, jährliche Leistungsschau der Student*innen, hat immer noch diesen prickelnden Klang. Es gibt traditionell ein Gedränge über vier Etagen. Die einen hoffen, entdeckt zu werden, die anderen wollen etwas entdecken – neue, überraschende Kunst. Dabei muss man leider feststellen, dass nach drei Jahren der Pandemie, des isolierten Arbeitens, der Trostlosigkeiten und der zaghaften Normalisierung die alte Power der berühmten Hochschule noch nicht wieder zu spüren ist.
Es ist sicher kein Zufall, dass die meisten jungen Künstler*innen, die in den Klassenräumen die Wacht halten, lieber in ihre Handys gucken als in die Augen der Besucher. Ein Gespräch? Wenn’s sein muss. Fotos? Ach, lieber nicht. Man hat sich das direkte Kommunizieren abgewöhnt. Das gilt auch für Kreative, die mutig den eigenen Körper ins Spiel bringen wie Cosima Ramirez. Mit Glitzerbikini und Geisteraugen steht sie als lebende Puppe „The Woman“ in einem Glaszylinder, rührt sich nicht und spricht kein Wort. Vermutlich will sie die Frau als Ware und Spielzeug anprangern und wird dabei selbst zum begafften Objekt.
Ein Glas im Gras
Ihr Kommilitone Ko Hyeon Ung aus der Klasse Schneider hockt derweil ein bisschen traurig neben seiner Gedenkinstallation für die Opfer der Kriege. Über Blumen auf zerborstenen Steinen schweben zerlöcherte Stahlhelme: „Please don’t forget me“, mahnen sie, vergesst uns nicht. Das ist rechtschaffen. Aber künstlerisch nicht bahnbrechend. Das gilt auch für das Konzept der Klasse Dedobbeleer, die eine Art Lagerraum mit Karteikästchen eingerichtet hat und jedes einzelne Werk nur zeitweise nebenan solo ausstellt. Am Mittwoch zum Beispiel war es eine Installation von Julia Feige: drei Kinoklappstühle und ein Video mit einem zitternden Glas im Gras.
Nur wenige gestalten einen ganzen Raum so entschieden wie Laude yu, die mit Verdunklung und raffinierter Beleuchtung eine besondere Atmosphäre für ihre Arbeiten schafft und unter anderem eine handbestickte Blumenzeichnung zeigt – zart wie die gefährdeten Dinge der Natur. Oder Krystyna Fitz-Harris, die einen melancholischen „plac zabaw“ (polnisch für Spielplatz) präsentiert. Der Boden ist mit drei Tonnen Sand bedeckt, aber trauerschwarze Gardinen hängen davor, und die Spielgeräte, aus schwarzer Wolle von der Mutter der Künstlerin gehäkelt und an fragilen Stangen befestigt, können kein Kind tragen.
Wo laufen sie denn?
Bonjour Tristesse! Es gibt eben gerade nichts zu lachen. Auf einem surrealistischen Bild von Charlotte Klausener aus der Klasse Gostner gabelt eine Frau im lila Salon eine schwarze Masse vom Teller, während daneben eine schwarz maskierte Gestalt sitzt. Die freie Geste? Kaum zu sehen. Viele Werke sind sonderbar klein und fisselig, wie in häuslicher Enge ausgedacht. Manchmal mit sehr hübschem Ergebnis. Franziska Schmitz schnitt unzählige Bilder rennender Pferde aus Magazinen und Bilderbüchern und bastelte daraus einen sieben Meter langen Fries, der die Blicke auf sich zieht.
Auch die Malerei will nicht aus ihrer Haut. Es entstanden viele einsame Figuren und Paare, die sich in schlingernder Umgebung aneinander klammern wie auf den Abschluss-Arbeiten von Aleksandra Belic in der Klasse von Katharina Wulff. Murat Önen aus der Klasse Akdeniz malte eine Gruppe mutmaßlicher Freunde, die sich auf einer roten Matratze aneinander kuscheln – zusammen, aber ohne Energie. Irgendwie abgeschlafft. Bezeichnend für die Akademie? Die verkorkste, bisher unbestätigte Wahl der neuen Rektorin Donatella Fioretti sorgt jedenfalls noch nicht für neuen Schwung.
Den Teppich schonen
Selbst Skulpturen mit dem kraftvollen Namen „Hammerspace“, die Alyce Ford aus der Klasse der raumfordernden Bildhauerin Rita McBride gebaut hat, sind aus bronzierten Kartons und Leichtgewichte. Immerhin zeigen sie den Willen zur Konstruktion. Das ist gut gegen Depression. Allzu viele Werke sind vom Erlebnis des Rückzugs geprägt – wie das rot beleuchtete Kuschelzimmer von Lea Torcelli, das man nur barfuß („No shoes, no drinks“) betreten darf, um den Flauschteppich zu schonen. Selbst Göttinnen bleiben zu Hause. Das Duo Vitus Lux und Sophie Ramirez aus der Klasse Skreber malte die „Geburt der Venus“ mit einer nackten, kahlköpfigen Frau im muschelförmigen Planschbecken vor Kachelwänden. Krass.
Den Humor nicht verloren hat Ellen Gallaghers Studentin Sunyeong Kim, die ein freches Kind mit dem Samurai-Schwert den Apfel und den Teddybären enthaupten lässt. In der Bildecke steht dazu die Bemerkung: „Malen, was man fühlt“. Hat sicher die Professorin gesagt. Dann suchen wir mal weiter. Wer sich bis ins Dachgeschoss hochkämpft, darf zur Belohnung auf die Terrasse mit dem spektakulären Ausblick auf Düsseldorf am Rhein.
Was, wann und wo?
Der Winterrundgang 2023 zeigt bis zum Sonntag, 12. Februar, die Arbeiten der Studierenden in den Klassenräumen der Düsseldorfer Kunstakademie. Täglich geöffnet von 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei, eine Broschüre kostet fünf Euro. Gruppenführungen bis zu 15 Personen können für 75 Euro gebucht werden über vanessa.sondermann@kunstakademie-duesseldorf.de