Düsseldorf beim politischen Nachtgebet: „Jin, Jiyan, Azadi“
Über mangelndes Interesse an dieser kirchlichen Veranstaltung konnte sich am Mittwoch (18.1.) niemand beklagen. Alle Sitzplätze in St. Albertus Magnus waren besetzt, zusätzliche Stühle wurden geholt und dennoch mussten einige Menschen stehen. Mehr als 200 Personen verfolgten das politische Nachtgebet, das im Rahmen der evangelischen Landessynode 2023 im katholischen Gotteshaus in Golzheim stattfand. Das Thema war spannend und top-aktuell. Es ging um eine Solidaritätsbekundung mit den Protestierenden im Iran. Das Motto der Proteste „Jin, Jiyan, Azadi“ (Frau, Leben, Freiheit) ist inzwischen weltbekannt.
Dafür hatte man eine Insiderin eingeladen. Shabnam Arzt ist gebürtige Perserin und machte bereits als Siebenjährige ihre Erfahrungen mit den Revolutionsgarden. Große Teile ihrer Familien leben im Iran. „Ich stehe im ständigen Austausch mit meinem Cousinen. Sie gehen auch auf die Straße, haben ihre Kopftücher ausgezogen. Gott sei Dank ist ihnen noch nichts passiert“, so Arzt. „Aber sie nehmen es in Kauf, weil sie im Iran nichts zu verlieren haben.“ Seit Jahrzehnten würden die Iraner*innen durch das Mullah-Regime und ihre fundamental-islamistischen Ideologie unterdrückt. Der Machtapparat setze seine Vorstellungen von Politik und Leben teilweise mit brutalen Mitteln durch. Dazu gehört auch, dass Frauen ihre Haare komplett verhüllen müssen. „Die Menschen leben in Angst. Angst davor, etwas Falsches zu sagen, Angst nicht regelkonform angezogen zu sein, Angst davor, dass die Lieben abends nicht nach Hause kommen“, erläutert sie. „In dieser Angst leben die Menschen im Iran seit Jahrzehnten.“
Dagegen begehren vor allem die Iranerinnen auf, ungeachtet möglicher Folgen für ihr eigenes Leben. „Welch ein Mut“, stellt Arzt fest. „Aber sie sagen sich, wir haben 43 Jahre lang nicht gelebt, waren Sklaven. Jetzt kämpfen wir für unser Leben. Sollten wir dabei sterben, hat sich nicht viel geändert.“
Arzts beeindruckend mitfühlende Ausführungen wurden von Sängerin Schirin Partowi mit iranischen Liedern gefühlvoll unterstrichen. Darunter auch die Hymne der Protestbewegung „Baraye“.
Mehr als 500 Menschen sind während der Demonstrationen bereits ums Leben gekommen oder wurden von iranischen Gerichten zu Tode verurteilt. „Die Anklage behauptete, dass sie einen Krieg gegen Gott geführt haben“, berichtet die Perserin. „Dabei sind sie doch nur für ihre Menschenrechte und ein menschenwürdiges Leben eingetreten.“
Arzt appelliert an alle die Protestbewegung im Iran über Social Media zu unterstützen. Sie fordert die Politiker*innen in Deutschland auf, dafür zu sorgen, dass die iranische Revolutionsgarden auf die Liste der Terrorbewegungen gesetzt werden. Alle Staaten der Europäischen Union sollten ihre Botschafter aus Teheran abziehen. „Wir brauchen Unterstützung“, bittet Arzt. „Durch die sozialen Medien kann man zeigen, dass man den Iran nicht vergessen hat, dass die Proteste gesehen werden und man solidarisch ist. Das gibt den Menschen Kraft.“