Was mit Körper: Junge Malerei und Fotografie in der Kunsthalle Düsseldorf
Der Titel spricht in Rätseln: „Es liebt Dich und Deine Körperlichkeit ein Verwirrter“. Wie Kunsthallen-Chef Gregor Jansen verrät, ist die Zeile geklaut von einer vor 20 Jahren erschienen CD der Kölner Gruppe Workshop. Da hieß es zwar „ein Ausgeflippter“, aber nun sei man halt eher verwirrt, meint Jansen: „Ich kenne niemanden, der in der heutigen Zeit durchblickt.“ Mag sein, aber trotz des leicht bekloppten Mottos schafft die neue Ausstellung mit Malerei, Skulpturen und einer Foto-Installation von drei begabten jungen Leuten so etwas wie Klarheit. Einen „Gedankenraum“, wie Jansen sagt.
Es liegt vielleicht an den Old-School-Techniken. Kein Video-Gewimmel, keine Töne. Alles Handarbeit, die, wie nicht nur der Direktor feststellt, auch „am besten aussieht“ in der guten altmodernen Kunsthalle. Fangen wir mal oben auf der Empore an, bei den Bildern und Figuren der 36-jährigen Raphaela Simon, 1986 in Villingen geboren, ausgebildet bei Peter Doig an der Kunstakademie Düsseldorf, heute Wahl-Berlinerin. Sie trägt eine Herzchen-Jacke und ein Baby im Wickeltuch, aber ihr Werk ist alles andere als niedlich. Immer wieder malt sie Mauern und Gitter sowie eine glatzköpfige, genderneutrale Figur, den Menschen an sich, in düsterer Gefangenschaft.
Hilflose Riesen
Da steckt eine rosa Figur zwischen grauen Scheiben, da beugt sich eine Rote vor einem vergitterten Fenster, da liegt der Kopf einer Blauen separat in einem kleinen Käfig auf dem Körper. Das klingt schauriger als es wirkt. Tatsächlich handelt es sich um innere Zustände, wobei die stilisierten Figuren keinerlei Panik ausdrücken, sondern eher in sich selbst ruhen – beziehungsweise in einer nüchternen malerischen Komposition. Ergänzend hat Raphaela Simon ein paar Riesen in die dreidimensionale Welt gesetzt: Skulpturen aus Draht, Holz und Baumwolle in einer Patchwork-Haut aus Stoff. Und so heißen sie auch: „Haut“.
Die sichtbaren Nähte in den harmlosen Mustern, sagt die Künstlerin, könnten auch Narben sein. Aber geschwächt sehen diese seltsamen, gesichtslosen Hünen nicht aus. Sie stehen aufrecht, mit muskulös ausgestopften Oberarmen und großen, tatkräftigen Händen, die allerdings herunterhängen. Respektspersonen, leicht orientierungslos. Fast fühlt man sich ihnen seelisch verbunden. Über das Geländer kann man schon mal einen Blick werfen in den sogenannten Kinosaal, auf die Gemälde von Florian Krewer, einem gleichaltrigen ehemaligen Kommilitonen von Raphaela Simon.
Gesten und Gefühle
1986 in Gerolstein geboren, studierte er ebenfalls bei Peter Doig in Düsseldorf, lebt heute allerdings in der South Bronx in New York. Krasses Pflaster, das ihn immer wieder inspiriert. Nicht nur zu heftigen Tätowierungen, sondern auch zu sensiblen und zugleich kraftvollen Bildern, die Bewegungen und Gefühle festhalten. Da ist der Junge, der beim Laufen lässig ausspuckt. Die rangelnde Gruppe von Jugendlichen zwischen Nähe und Bedrohlichkeit. Einzelne Männer, konfrontiert mit ihren Schatten. Zwei Drag-Queens, die als Ballerinen in der Straßenschlucht tanzen. Und seltsame Tiere wie aus Träumen. Ein Tiger, der einen Mann zu schützen scheint. Ein rosa Elefant, der sich aufbäumt wie in Panik. Traum und Realität sind keine Widersprüche in der expressiven, farbintensiven Malerei von Florian Krewer.
Die in Leipzig lebende Carina Brandes hingegen, mit 40 etwas älter als die beiden Anderen, braucht keine Farbe um sich auszudrücken. Sie fotografiert schwarz-weiß, mit analoger Kamera, und entwickelt die Bilder in ihrer eigenen Dunkelkammer, was sie zu Originalen macht. Ihr Thema ist der entblößte weibliche Körper, seine Befindlichkeit, seine Triebe jenseits zivilisatorischer Verkleidungen.
Das Tier im Weibe
Die Fotos, im Seitensaal kunstvoll arrangiert, sehen aus wie Szenen aus Performances, die durch Doppelbelichtungen noch verfremdet werden. Meistens, nicht immer, handelt es sich um die Künstlerin, die mit Selbstauslöser gearbeitet hat. Allein, irgendwo im Raum oder auch draußen bei Nacht. Gelenkig wie eine Katze zeigt sie sich, tierische Empfindungen werden durch Überblendungen angedeutet. In der Frau lauert mal ein Hund, mal ein Löwe, einmal scheint sie eine Ziege zu reiten wie beim Hexensabbat.
Ein bisschen Happening gab’s auch bei der Einrichtung des Saales. Mit Hilfe einiger Kollegen tuschte Carina Brandes auf eine leere Wand immer wieder das Wort „Körper“ und was ihr so an Assoziationen beim Schreiben kam: „ Körper im Schwimmbad“, „Körper gehen ins Licht“, „ach du Körper“. Das strenge Schwarz-Weiß rettet die Szenerie vor dem Pathos. Und ein bisschen Humor ist zum Glück auch dabei: „Pizza mit Kapern und Sardellen“ steht irgendwo dazwischen. Was der Körper halt auch mal so braucht …
Was, wann und wo:
„Es liebt Dich und Deine Körperlichkeit ein Verwirrter“: Werke von Carina Brandes, Florian Krewer und Raphaela Simon. Bis 19. Februar 2023 in der Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4. Katalog: 20 Euro. Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen zeigen im zweiten Stock des Hauses derweil bis zum 26. Februar das „Broadcast Material“ von Matthias Groebel. Der Autodidakt überträgt alte Fernsehbilder (1989-2001) mit Hilfe einer computergestützten Mal-Technologie auf Leinwand und schafft so eine Galerie der Befremdlichkeiten. Titel: „A Change in Weather“. Geöffnet Di.-So. und an Feiertagen 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 6 Euro. www.kunsthalle-duesseldorf.de