Düsseldorf: Juri Andruchowytsch mit dem Heine-Preis 2022 ausgezeichnet
Der ukrainische Lyriker, Schriftsteller und Übersetzer Juri Andruchowytsch wurde am Samstag (10.12.) im Düsseldorfer Schauspielhaus bei einem feierlichen Festakt mit dem Heine-Preis 2022 ausgezeichnet. Der Preis wird traditionell rund um Heinrich Heines Geburtstag (13. Dezember) überreicht. Die Laudatio hielt Jaroslav Rudiš.
Juri Andruchowytsch gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller und Intellektuellen der postsowjetischen Ukraine, der mit seinen international publizierten Werken der ukrainischen Sprache eine neue, moderne Qualität verlieh und sich mit seinen Beiträgen und Aktionen auch gesellschaftspolitisch positioniert. Seit dem Ende der Sowjetunion ist Andruchowytsch ein entschiedener Befürworter einer Anbindung der Ukraine an Europa. Durch verschiedene Studienaufenthalte entstand eine enge Verbindung Andruchowytsch zu Deutschland. Seit 2006 ist er korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
In seiner Laudatio betonte Jaroslav Rudiš: “Nicht nur Liebe und Wahrheit, sondern auch Humor kann den Tod und die Lüge besiegen. Humor bedeutet Anarchie und vor allem Freiheit. Deshalb wird er von den Diktatoren dieser Welt, von Leuten wie Putin, gehasst. Deshalb brauchen wir auch deine Bücher und deinen Humor. Humor kann eine Waffe sein. Gegen die Diktatoren und gegen die menschliche Dummheit. So bleiben deine Helden, trotz einer gewissen Unruhe und Melancholie, aufrecht und guter Dinge. Obwohl ihnen bewusst ist, dass wir alle in und auf Ruinen leben und dass zu unserem Mitteleuropa nicht nur die schönen Städte gehören, sondern auch Folter in ihren Kellern, Säuberungen, Deportationen, Vetreibungen und Tod, sehr viel Tod. Deine Helden leben zwischen gestern und morgen, eingeklemmt zwischen der düsteren Vergangenheit von Mitteleuropa und der unsicheren Zukunft. Vielleicht gerade deshalb sind sie so frei und lieben sich wild und schwören auf die Musik. Sie sind glücklich auf diesem schmalen Streifen, den wir das Heute oder die Gegenwart nennen.”
Juri Andruchowytsch: “Von allen Religionen dieser zweifelhaften Welt ist nur die Freiheit unbezweifelbar und behält bis heute ihren herausragenden Sinn vor dem Hintergrund der sich unaufhörlich ausbreitenden Duckmäuserei, des technologischen Relativismus und des Fakens der Wirklichkeit.”
Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller würdigte die facettenreichen Werke Juri Andruchowytsch, in denen er sich als kritischer Beobachter immer wieder gesellschaftspolitisch positioniert und seinem Glauben an den europäischen Gedanken Ausdruck verleiht.
Begründung der Heine-Preis-Jury
Die Heine-Preis-Jury begründete ihr Votum wie folgt: “Den Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf 2022 erhält Juri Andruchowytsch. Andruchowytsch, einer der führenden ukrainischen Romanciers, Lyriker und Essayisten unserer Zeit, schreibt über die Lage des Individuums in der mitteleuropäischen Geschichte und Gegenwart. Dabei übt er scharfe Kritik an Übergriffen von Geheimdiensten, Militär und Justiz. Der Sinn für Ironie und das Groteske kennzeichnen sein Werk in bester Heinescher Tradition. Dabei spielt er mit literarischen Formen und überschreitet die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Juri Andruchowytsch setzt sich leidenschaftlich für den europäischen Gedanken ein und vertritt die Identität der Ukraine als Kulturnation. Er erinnert Europa daran, dass Freiheit und Menschenrechte in der Ukraine in vorderster Linie verteidigt werden.”
Bisherige Preisträger des Heine-Preis
Der Heine-Preis zählt zu den bedeutendsten Literatur- und Persönlichkeitspreisen in Deutschland und wird seit 1972 verliehen und ist mit 50.000 Euro dotiert. Der Preis wird durch die vom Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf eingesetzte Jury “an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten”.
Der Preis, den Düsseldorf als Vaterstadt zu Ehren des 1797 geborenen Heinrich Heine gestiftet hat, wird zum 22. Mal vergeben. Bisherige Heine-Preisträger sind: Carl Zuckmayer (1972), Pierre Bertaux (1975), Sebastian Haffner (1978), Walter Jens (1981), Carl Friedrich von Weizsäcker (1983), Günter Kunert (1985), Marion Gräfin Dönhoff (1988), Max Frisch (1989), Richard von Weizsäcker (1991), Wolf Biermann (1993), Wladyslaw Bartoszewski (1996), Hans Magnus Enzensberger (1998), W.G. Sebald (2000), Elfriede Jelinek (2002), Robert Gernhardt (2004), Amos Oz (2008), Simone Veil (2010), Jürgen Habermas (2012), Alexander Kluge (2014), A. L. Kennedy (2016), Prof. Dr. Leoluca Orlando (2018) und Rachel Salamander (2020).