Theater für alle: 100 Jahre Düsseldorfer Volksbühne
Es ist ganz rührend, wie sich das Team des Düsseldorfer Theatermuseums bemüht, das sträflich vernachlässigte Institut im Hofgärtnerhaus am Leben zu erhalten. An einem mit rosa Flamingos dekorierten Holzbüdchen neben dem Kassenschalter gibt’s Prosecco, der Espresso kostet nur 1,20 Euro wie an italienischen Theken. Oben, in der ersten Etage, kann man in diesem Winter einen nostalgischen Blick auf die 100-jährige Geschichte der Volksbühne werfen.
Allzu viel sollte man allerdings nicht erwarten. Das Munterste in der Ein-Raum-Schau sind ein paar vergrößerte Werbefotos aus einer Kampagne von 2008 („Wir sind vielseitig“). Ansonsten gibt es Papiere aus der Vereinsgeschichte, an die Wand geklebte Zeitungsartikel, ein paar alte Möbel aus der einstigen Kellerbar der Geschäftsstelle und Fotoalben mit Aha-Effekt für Menschen, die eigene Erinnerungen an die Glanzzeit der Besucherorganisation und an ihre Protagonisten haben.
Eine demokratische Idee
Eigentlich ist das Jubiläum ja schon fast zwei Jahre vorbei, in der Pandemie versunken. Denn es war im Januar 1921, als sich Gewerkschaften, Beamtenverein und Angestelltenbund zusammentaten, um, nach dem Vorbild der Berliner Volksbühne, „eine Vereinigung zur Förderung des Theaterbesuchs zu gründen, die alle Kreise der Bevölkerung ausnahmslos umfassen soll“. Eine zutiefst demokratische Idee also, die viele Menschen begeisterte. Schon im zweiten Jahr gab es 14.000 Mitglieder.
Die freiheitlichen Grundgedanken gefielen den Nazis gar nicht, weshalb sie die Volksbühne schon 1933 verboten. Einer der Gründungsmitglieder, Mathieu Högener, feierte 1946 im eigenen Wohnzimmer eine Wiederbelebung der Organisation. In den 1960er-Jahren übernahm sein Sohn Gerd Högener (1922-2001), späterer Oberstadtdirektor von Düsseldorf. Unter Högeners charmantem Vorsitz und mit der Hilfe der ebenso tatkräftigen wie eleganten Geschäftsführerin Friderike Wilms (ihre Abendkleider hängen in der Schau an der Stange) wuchs die Volksbühne auf 25.000 Mitglieder im Jahr 1990 und wurde damit zur größten Besucherorganisation im Land.
Tannhäuser oder Varieté
Heute ist das Interesse geschrumpft, es gibt noch 11.500 Mitglieder, die für einen Saisonbeitrag zwischen acht und 20 Euro die verbilligten Karten (bis zu 50 Prozent) der Volksbühne in Anspruch nehmen. Nach wie vor funktioniert die Vergabe der Tickets nach einem automatisierten Verfahren, das allerdings Wünsche berücksichtigt. Wer freier wählen will, wird „Selbstläufer“ für 30 Euro im Jahr.
Das Angebot ist überwältigend und betrifft nicht nur Düsseldorf, sondern 70 Kulturinstitute im ganzen Land. Mit der Volksbühne kann man einen „Tannhäuser“ aus dem Wagner-Repertoire des Essener Aalto-Theaters und das Apollo-Varieté unter der Kniebrücke buchen. In Video-Interviews schwärmen Mitglieder von der „kulturellen Teilhabe“ und der Gemeinschaft. Denn die Volksbühne hat auch Kunstführungen oder Ausflüge zu bieten. Seit 2015 trägt sie deshalb den erweiterten Titel „Kultur am Rhein“, und so heißt auch die Website mit allen Informationen: www.kulturamrhein.de
Was, wann und wo:
„Von Wunschzetteln & Theaterliebe – 100 Jahre Düsseldorfer Volksbühne“: bis 12. Februar 2023 im Theatermuseum Düsseldorf, Hofgärtnerhaus, Jägerhofstr. 1. Geöffnet Di.-Do. 11 bis 17 Uhr, Fr.-So. 11 bis 19 Uhr. Eintritt: 4 Euro. www.duesseldorf.de/theatermuseum