Düsseldorf: Protest vor der Staatsanwaltschaft gegen Gefängnisstrafe fürs Schwarzfahren
Der Paragraph 265a des Strafgesetzbuchs sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor, wenn sich jemand die Beförderung durch ein Verkehrsmittel erschleicht, ohne das Entgelt zu entrichten. Die 56-jährige Gisa M. wurde im Frühjahr 2019 zwei Mal ohne gültiges Ticket in der Bahn erwischt. Obwohl sie sich in den Jahren zuvor nichts zu Schulden hatte kommen lassen, verurteilte ein Richter sie zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Die Bewährung wurde jetzt widerrufen, sie wurde am Wochenende festgenommen und sitzt im Gefängnis.
Dabei hatte ein anderer Richter ihr erst Ende Oktober eine positive Sozialprognose zugestanden und eine andere Strafe weiter zur Bewährung angesetzt. Ddorf-aktuell berichtete, lesen sie hier. Gisa M. ist Verkäuferin des Straßenmagazins fiftyfifty und beteiligt sich an verschiedenen anderen Projekten mit dem zakk, wie beispielsweise Stadtführungen, bei denen Obdachlose ihren Kiez zeigen. Ihre Sucht hat sie im Griff und nimmt erfolgreich an einem Methadonprogramm teil. Ihre Schwarzfahrten hingen meist damit zusammen, dass sie kein Geld für eine Fahrkarte hatte, aber zur Methadonambulanz musste, betont sie und bereut, da zu gedankenlos vorgegangen zu sein. Als sie am 27. Oktober vom Richter weitere Bewährung erhielt, schöpfte sie Hoffnung, dass sie nicht ins Gefängnis muss und eine ambulante Therapie machen kann. Aber es gab bereits einen Haftbefehl für die ältere Straße aus 2019 und dieser wurde jetzt vollstreckt.
Vor der Staatsanwaltschaft Düsseldorf an der Fritz-Roeber-Straße demonstrierte am Montagabend (7.11.) eine Gruppe von Menschen, die die sofortige Abschaffung des Paragraphen 265a für Schwarzfahren forderte. Unter ihnen Dominikanerpater und ehemalige Gefängnisseelsorger Wolfgang Sieffert. Er erklärte, dass viele in den Gefängnissen wegen kleiner Delikte für wenige Monate inhaftiert werden. Die Zeit im Gefängnis, die eigentlich der Resozialisierung dienen soll, führe bei den meisten nur zu Entmutigung und Unselbständigkeit. Sinnvolle Beschäftigung, wie eine Berufsausbildung oder Sportprogramme gebe es meist nur für die, die länger einsitzen, beschreibt der Pater. Währenddessen häufen sich die Probleme außerhalb des Gefängnis, denn je nach Sachverhalt sind Wohnung und Arbeitsstelle weg, Freunde distanzieren sich und das alles nur, weil man kein Geld für Fahrkarten hatte?
Pater Wolfgang spricht von rund 50.000 Menschen mit kurzen Haftstrafen, die fast alle arm sowie psychisch und gesundheitlich belastet sind. Menschen mit Geld kämen in der Regel nicht ins Gefängnis, sie zahlen eine Geldstrafe. Er wirft auch den Gerichten vor Unterschiede zu machen und kritisiert die Staatsanwaltschaft, denn sie hätte Ermessensspielräume – aber es ginge immer nur auf die Kleinen.
Die Staatsanwaltschaft hatte einen Antrag auf „Therapie statt Strafe“ für Gisa M. abgelehnt. Fiftyfifty will nun versuchen ihre Freilassung mit einem Gnadenersuch zu erreichen.
Auch das Aktionsnetzwerk „Tasche leer – Schnauze voll!“ beteiligte sich an der Aktion vor der Staatsanwaltschaft. Sie hatten Gisa schon bei ihrer Verhandlung vor dem Amtsgericht begleitet. Sie fordern Lösungen wie die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets, um Menschen mit wenig Geld nicht zu Straftaten wie Schwarzfahren zu zwingen und sie so zu kriminalisieren. Lukas vom Bündnis führte aus, dass der Paragraph 265a von den Nazis im Jahr 1935 eingeführt wurde und dringend abgeschafft werden müsse.