Düsseldorf: Für Schwarzfahren ins Gefängnis – Netzwerk kritisiert Rechtssprechung
Das Aktionsnetzwerk „Tasche leer – Schnauze voll!“ demonstrierte am Donnerstagmorgen (27.10.) vor dem Amtsgericht an der Werdener Straße in Düsseldorf, da Gisa M., Verkäuferin des Straßenmagazins fiftyfifty, wegen Schwarzfahrens ins Gefängnis soll. Die 56-Jährige konnte sich kein Sozialticket leisten und war deshalb mehrfach ohne Ticket mit der Bahn gefahren. Sie wurde erwischt, zu Bewährungsstrafen verurteilt und nun drohte Gefängnis. Am Donnerstag wurde über eine ihrer Bewährungsstrafen verhandelt. Der Richter vertraute auf die positive Sozialprognose von Gisa M. . Er erteilte Auflagen und zumindest die 12 Monate Gefängnis laufen weiter auf Bewährung.
Schwarzfahren ist eine Straftat
Die deutsche Rechtssprechung sieht in Schwarzfahren die Erschleichung einer kostenlosen Beförderung und wertet dies als Straftat. Im Gegensatz dazu ist Falschparken – das Erschleichen einer kostenlosen Parkmöglichkeit – nur eine Ordnungswidrigkeit. Beim Schwarzfahren ist unerheblich, ob man sich eine Fahrkarte leisten kann oder nicht. Gisa M. ist 56 Jahre alt, verkauft seit vielen Jahren fiftyfifty und ist eine der Obdachlosen, die alternative Stadtführungen durchführen. Sie ist seit Jahrzehnten suchtkrank, aber seit erfolgreich in einem Methadonprogramm. Im Frühjahr 2019 wurde sie zwei Mal ohne gültiges Ticket erwischt. Obwohl sie sich in den Jahren zuvor nichts zu Schulden hatte kommen lassen, verurteilte der Richter sie zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Sie fährt auch danach noch mehrfach ohne Ticket, oft zur Methadonambulanz, da ihr Geld nicht für ein Sozialticket reicht. Da sie erneut erwischt wird, folgt eine weitere Bewährungsstrafe von einem Jahr. Als sie im Frühjahr 2022 wieder ohne Fahrausweis angetroffen wird, widerruft die Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Bewährung von sechs Monaten. Gisa muss jetzt für ein halbes Jahr in Gefängnis. In der Verhandlung am Donnerstag (27.10.) ging es darum, dass auch die zweite Bewährungsstrafe von einem Jahr widerrufen werden sollte. Das hätte 18 Monate Gefängnis bedeutet für 11 Mal Fahren ohne gültiges Ticket.
Kritik an der Unverhältnismäßigkeit
11 Fahrten kosten 33 Euro, ein Hafttag in NRW im Durchschnitt 178,91 Euro. Entsprechend würden bei 18 Monaten Haftzeit fast 100.000 Euro zusammenkommen. Für Gisa wären die Folgen dramatisch. Ihre ambulante Therapie würde abgebrochen, sie würde ihre Wohnung verlieren und müsste auch ihren Hund Balu abgeben.
Verständnis für Gisa M.
Aber der Richter, der am Donnerstag über die Bewährung von einem Jahr zu entscheiden hatte, ließ sich von Gisa guter Sozialprognose überzeugen. Unter der Auflage die Therapie fortzusetzen, sich ein Monatsticket zu besorgen und durch Vorlage ihrer Fahrscheine der vergangenen Monate zu zeigen, dass sie nicht mehr Schwarzgefahren ist, gab er ihr die Chance die Bewährung fortzusetzen. Gisa hofft nun, dass auch der Haftbefehl, der für den Widerruf der sechsmonatigen Bewährungsstrafe offen ist, nicht vollstreckt wird. Ihr Anwalt wird einen entsprechenden Antrag stellen.
Das Aktionsnetzwerk „Tasche leer – Schnauze voll!“ fordert Lösungen wie das 9-Euro-Ticket fortzusetzen, um Menschen mit wenig Geld nicht zu Straftaten wie Schwarzfahren zu zwingen und sie so zu kriminalisieren.