Düsseldorf zählt wohnungslose Menschen mit dem Lebensmittelpunkt Straße
Am 28. Oktober 2021 waren nachts 70 Zählteams in Düsseldorf unterwegs und hielten an 179 Orten Ausschau nach Menschen, die auf der Straße leben. Initiiert hatte die Aktion die Stadt Düsseldorf, um Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Hilfesystems zu gewinnen. Im Auftrag der Stadt hatten die “franzfreunde” die verschiedenen Streetworkergruppen koordiniert, um bei der Zählung eine möglichst qualifizierte Aussage zu erhalten. Das Ergebnis: 459 Menschen wurden erfasst, davon 198 in Notschlafstellen, 22 in Kliniken und die restlichen 239 Obdachlose machten „Platte“ auf der Straße oder in Parks.
Jetzt wurden die Ergebnisse im Ausschuss für Gesundheit und Soziales vorgestellt. Bislang gab es lediglich eine quantitative Erhebung aus dem Jahr 1994. Nun wurden erstmals auch qualitative Ergebnisse erhoben, die Aufschluss über Gründe der Wohnungslosigkeit, zur Alltagsstruktur oder zu Auswirkungen der Corona-Pandemie geben. Die Zahl der 459 angetroffenen Menschen wurde durch Kontrollzahlen des Jobcenters in Relation gesetzt. Dort sind 461 Menschen erfasst, die Leistungen nach SGB II beziehen, aber keinen festen Wohnsitz haben.
Insgesamt 30 Menschen wurden interviewt, um mehr Erkenntnisse zu ihren Lebenslagen zu erhalten. Dabei wurden unter anderem Gründe der Wohnungslosigkeit, Gesundheit und Krankheit oder die materielle Situation erfragt. Der Verlust von persönlichen und familiären Beziehungen oder der Arbeitsstelle, wurde neben Räumungsklagen, psychische Krankheiten oder – spezifisch bei Frauen – Gewalt in der Beziehung oder Familie wurden als Gründe für die Wohnungslosigkeit genannt.
Aus den Ergebnissen der Studie sollen Gesundheitsthemen in den Fokus gerückt und dabei auch das gleichzeitige Bestehen mehrerer Krankheiten berücksichtigt werden. Hilfeleistungen sollen so gestalten werden, dass die Hemmschwelle diese anzunehmen möglichst gering ist. Die Angebote der Wohnungslosenhilfe sollten zudem nicht nur für, sondern auch mit den Menschen selbst weiterentwickelt werden.
“Die Ergebnisse der Studie sind aufschlussreich, um das Hilfesystem für Menschen mit Mittelpunkt auf der Straße anzupassen und weiter zu verbessern”, sagt Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration. “Eine Empfehlung haben wir bereits umgesetzt: Als Konsequenz aus der Corona-Pandemie werden Menschen in Düsseldorfer Notschlafstellen mittlerweile nur noch in Einbett- und Zweibettzimmern untergebracht. Das ist ein neuer verbindlicher Standard, der von den Nutzerinnen und Nutzern sehr begrüßt wird.”
Die geringere Belegungsdichte in den Notschlafstellen beugt Konflikten vor. Die Menschen kommen eher zur Ruhe und lassen sich im Ergebnis besser auf Beratungsprozesse ein, um für sich neue Perspektiven zu entwickeln. Allerdings zogen im Oktober 2021 239 Menschen die Übernachtung auf der Straße den Angeboten des Hilfesystems vor.
Die Träger der Sozialhilfe in Düsseldorf: die “franzfreunde”, Diakonie, Caritasverband und SKM, werden gemeinsam mit dem Amt für Migration eine Fachbereichsrunde bilden, die Ergebnisse diskutieren und Handlungsempfehlungen erarbeiten. Die Zählung wurde wissenschaftlich von den Professoren Dr. Reinhold Knopp und Dr. Anne van Rießen von der Hochschule Düsseldorf begleitet.
Den Bericht finden Interessierte hier.