Schön melancholisch: Poesie der Großstadt im Heine-Institut Düsseldorf
Er war auch ein Flaneur, Heinrich Heine (1797-1856), unser in Düsseldorf geborener Freiheitsdichter. Träumend und flirtend genoss er das Bummeln durch die Passagen von Paris. Unvergessen blieben ihm der „steinerne Wald von Häusern“ im früh industrialisierten London. Immer wieder haben die Städte die Poeten inspiriert. Eine kleine Ausstellung im Heine-Institut kombiniert Lyrik mit Fotografie: „Seelenburgen, Menschenwogen“.
Das klingt gewaltig, ist aber bescheiden. Die zwei kleinen Räume für Wechselausstellungen im Erdgeschoss des Literaturmuseums an der Bilker Straße bieten nun mal keinen großen Spielraum. Nora Schön, wissenschaftliche Mitarbeiterin, hat dennoch eine inspirierende Präsentation zusammengestellt. Sie präsentiert Schwarzweiß-Impressionen von vier zeitgenössischen Fotografen (leider niemand aus Düsseldorf) mit klassisch moderner Großstadtpoesie.
Gefühl von Einsamkeit
Natürlich ist Erich Kästner dabei, der Spötter mit dem großen Herzen: „Sie stehen verstört am Potsdamer Platz. / Und finden Berlin zu laut“, so beginnt sein Gedicht über den „Besuch vom Lande“. Eher leise sind die impressionistisch verwischten Regenfotos des Berliners Frank Andree und passen besser zum „Traurigen Tag“ von Sarah Kirsch: „Ich bin ein Tiger im Regen / Wasser scheitelt mir das Fell …“.
Die fröhliche Betriebsamkeit der Städte, all die Partys und Events spielen keine Rolle in dieser Schau. Es ist eher ein Gefühl von Einsamkeit, was sowohl die Fotografen als auch die Dichter umtreibt. Die vereinzelten Passanten, die der Hamburger Marco Larousse auf verschatteten Straßen und Plätzen fotografiert, sind unterwegs mit unbekannten Zielen, genau wie die Passagiere in einer U-Bahn mit verregneten Fenstern.
„Wie eine schwarze Nacht“
Auch der Stuttgarter Torsten Köster ist fasziniert von den Fahrgästen, die unterwegs sind unter Unbekannten. Begegnungen bleiben in der Regel ohne Folgen, Chancen werden nicht erkannt wie in Tucholskys Gedicht „Augen in der Großstadt“: „Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück … / Vorbei, verweht, nie wieder.“ Melancholie ist das vorherrschende Gefühl. Das Schwarz-Weiße lässt alle Farben verschwinden.
Aber das kann ja auch sehr schön sein, wie in den digital verwischten, nahezu impressionistischen Szenen der Münchner Fotografin Roswitha Schleicher-Schwarz. Dazu passt Fritz Riebolds Gedicht vom Großstadtmorgen: „Wieder ist ein grauer Tag erwacht, / Sonne barg sich hinter Wolkenmauern …“. Oder Rilke: „Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt …“. Wer ein bisschen Zeit hat und Geduld, kann sich die Gedichte über einen QR-Code oder mit einem ausgeliehenen MP3-Player von vier jungen Schauspieler*innen vorlesen lassen. Oder der eigenen inneren Stimme lauschen.
Was, wann und wo
„Seelenburgen, Menschenwogen – Großstadt in Poesie und Fotografie“: bis 6. November im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf, Bilker Str. 12-14. Geöffnet Di.-So. 11 bis 17 Uhr, Sa. 13 bis 17 Uhr. Eintritt: 4 Euro. www.duesseldorf.de/heineinstitut