Uniklinik Düsseldorf: Tarifvertrag Entlastung kommt – Streik ist beendet
Seit Anfang Mai haben die Beschäftigten an den sechs Unikliniken in NRW für einen Tarifvertrag Entlastung gestreikt. In der Nacht von Montag (18.7.) auf Dienstag (19.7.) sah das Angebot der Arbeitgeber endlich so aus, dass ein für die Tarifkommission akzeptables Eckpunktepapier vorlag. Es wurde am Dienstag Nachmittag mit überwältigender Mehrheit angenommen und damit ist der Streik beendet. Bei der Pressekonferenz wurde aber auch deutlich, dass es trotz des Erfolgs für Teile der Mitarbeitenden nicht die gewünschte Entlastung geben wird.
Erfolg nach 11 Wochen Streik
„Es ist vollbracht: Der erste Flächentarifvertrag für „Entlastung“ an Krankenhäusern in Deutschland ist durchgesetzt“, so Katharina Wesenick, ver.di Landesfachbereichsleiterin für Gesundheit, Soziales, Bildung und Wissenschaft. „Nach 77 Streiktagen haben die Klinikbeschäftigten solidarisch und aufrecht diesen wichtigen Erfolg errungen. Dabei haben die Streikenden sich weder von juristischen Verbotsversuchen noch von immer neuen Verhandlungsfinten der Arbeitgeber beeindrucken lassen“.
Bis zum 5. August werden die Beschäftigten in einer Urabstimmung über die endgültige Annahme des Eckpunktepapiers entscheiden, aber nach der mehrheitlichen Annahme in der Tarifkommission scheint dies nur Formsache. Starten soll der Tarifvertrag Anfang 2023 und einige der Regelungen greifen erst nach einer Übergangszeit.
Entlastung je nach Beschäftigungsgruppe verschieden
Die Entlastung des Beschäftigten ist in verschiedenen Modelle geregelt, in denen jeweils Beschäftigtengruppen der Kliniken zusammengefasst sind. Den größten Erfolg haben die Streikenden für weite Teile der Pflege inklusive der psychiatrischen Stationen und der Notaufnahmen erreicht. Hier soll künftig schichtgenau das Zahlenverhältnis von Beschäftigten und Patient*innen festgelegt werden. Grundlage dafür wird ein international anerkannten Schlüssel für das Mengenverhältnis Personal zu Patient sein. Wird diese Quote unterschritten oder kommt es zu anderweitig belastenden Situationen, erhalten die Betroffenen Belastungspunkte. Für jeweils sieben Punkte wird ihnen ein zusätzlicher freier Tag als Belastungsausgleich gewährt. Im ersten Jahr der Umsetzung können bis zu elf freie Tage zusammenkommen. Im zweiten Jahr sind es 14 und ab dem dritten Jahr maximal 18 zusätzliche freie Tage.
„Für die Umsetzung und die Einführung der nötigen IT-Systeme bekommen die Kliniken anderthalb Jahre Zeit“, erläuterte der ver.di-Verhandlungsführer Heinz Rech. „Das ist uns überhaupt schwergefallen, denn die Kolleg*innen brauchen schnellstmöglich Entlastung. Für den Übergang haben wir deshalb pauschal fünf Entlastungstage vereinbart.“
In dem Eckpunktepapier ist festgelegt, dass bundesweit erstmals für viele Beschäftigtengruppen außerhalb der Pflege Mindestbesetzungen und Belastungsausgleiche vereinbart wurden. So werden unter anderem in der Radiologie, in den Betriebskitas und bei Therapeut*innen bereichsbezogene Mindestvorgaben für den Personaleinsatz fixiert, deren Unterschreitung ebenfalls mit zusätzlicher Freizeit ausgeglichen wird.
Einige Bereiche gehen fast leer aus
Weniger erfolgreich waren die Verhandlungen für alle Service, IT- und Technikbereiche sowie für die Ambulanzen. Hier wurde lediglich die Zusage erreicht, 30 zusätzliche Vollzeitstellen pro Uniklinik aufzubauen. Wo diese konkret eingesetzt werden, ist noch offen. „Das ist bitter und hat in den Belegschaften zu vielen Diskussionen geführt“, so Rech. „Insbesondere für die Düsseldorfer Uniklinik ist der Stellenaufbau ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn Krankenhausarbeit ist Teamarbeit und braucht überall ausreichend Personal.“
Erfolg für die Azubis
Lucy Hammel, Jugend- und Azubivertreterin am UKD, berichtete stolz über die erreichten konkreten Entlastungen für Auszubildende, die sie als historisch beschrieb. So werden unter anderem Mindeststandards für die Praxisanleitung und die Zahl der Lehrkräfte festgeschrieben, bei deren Unterschreitung die Auszubildenden einen Belastungsausgleich erhalten. Die Vereinbarungen im Tarifvertrag Entlastung gehen zum Teil weit über die gesetzlichen Regelungen hinaus. Hammel sieht dies als wichtigen Schritt, dass auch die Politik ihre Vorgaben überdenken müsse.
Nächster Schritt: Abschaffung der Fallpauschalen
Die Politik sei auch beim System der Fallpauschalen gefragt. Denn die Einführung der Pauschalen vor rund 20 Jahren sei der Start dafür gewesen, nicht das Patientenwohl an oberste Stelle zu stellen, sondern die Kosten. Geld würde selbstverständlich in neue Technik und bessere Ausstattung investiert, aber nicht in das Personal und die Möglichkeit der menschlichen Pflege.
Dagmar Holze vom Uniklinikum Aachen betonte, dass der Ausfall von vielen Tausend OP’s in den vergangenen Wochen nicht nur auf den Streik zurückzuführen sei. Denn auch vor dem Streik sei wegen Personalmangel schon viel verschoben worden, nur hätte die Öffentlichkeit das nicht bemerkt. Der Erfolg in NRW habe nun die Beschäftigten anderer Kliniken motiviert endlich gegen die unzumutbaren Zustände für Patienten und Personal zu protestieren. Die Unikliniken in Frankfurt und Dresden starten jetzt ebenfalls den Kampf für Entlastung.
„Insgesamt ist der Tarifvertrag ein wichtiger Etappensieg der Beschäftigten. Er dient der eigenen Gesundheit und dem Wohl der Patient*innen und musste gegen die Profitlogik des Krankenhauswesens durchgesetzt werden“, erklärte Wesenick. „Tausende haben sich dabei nicht nur am Streik, sondern auch als Expertinnen und Experten ihrer Arbeitssituation an Aushandlungsprozessen beteiligt. Die rund 200 Teamdelegierten und 70 Tarifkommissionsmitglieder haben jeden Schritt intensiv diskutiert und demokratisch beschlossen. Die Bewegung „Notruf NRW“ ist damit auch ein Stück Selbstermächtigung und gelebte Demokratie.“ Zugleich bleibe die Bindung an den Branchentarifvertrag gewahrt: In einem Anerkennungstarifvertrag ist festgelegt, dass die Unikliniken sämtliche Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes der Länder in den kommenden sieben Jahren automatisch übernehmen.
Reaktion des UKD – unkommentiert
„Wir hatten von Anfang an einen gemeinsamen Nenner in den Gesprächen: Pflege braucht Entlastung. Die Kolleginnen und Kollegen leisten täglich herausragende Arbeit. Dies wurde nicht zuletzt in der Corona-Pandemie sichtbar“, sagt Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Düsseldorf und stellv. Verhandlungsführer der NRW-Unikliniken. „Die Frage des Belastungsausgleichs auch für andere Berufsgruppen war eine Herausforderung – aber natürlich ist Krankenhaus Teamarbeit, und so konnten wir auch hier gute Kompromisse finden.“