Schön melancholisch: Fünf junge Künstlerinnen im KIT Düsseldorf
Oben wimmelt das Partyvolk, unten gibt es Ruhe und Inspiration. Es ist eine Wohltat, von der Rheinuferpromenade hinabzusteigen zur Kunst im Tunnel, dem KIT. Düsseldorfs ungewöhnlichster Ausstellungsort zwischen unterirdischen Straßen, von denen man keinen Laut hört, zeigt in diesem Sommer die Werke von fünf jungen, international arbeitenden und originell denkenden Künstlerinnen. Vom unverständlichen Titel „off the beaten rack“ sollte man sich nicht abschrecken lassen.
Wie ein ausliegendes Papier erklärt, handelt es sich um eine Wortmischung aus „off the rack“, was für Kleidung „von der Stange“ benutzt wird, und „off the beaten track“, was soviel bedeutet wie „abseits des ausgetretenen Pfades“. Irgendwie vereint die fünf Frauen, legt der kuratorische Text nahe, ein Interesse an Körpern, Körperprägung durch Erinnerung, Liebe und Tod sowie „Körpererweiterung“, was auch immer das sein mag. Aber wie so oft, ist die Kunst stärker als die fleißige Theorie, die sich mit der Einordnung abmüht. Und man sollte einfach mal hinsehen.
Die Haut abstreifen
Gleich vorne am Eingang stehen glänzend glasierte, hohle Keramikskulpturen: eindeutig Bauch, Po und Brüste. Die 30-jährige Engländerin Paloma Proudfoot hat Abdrücke von ihren Freundinnen benutzt, es sieht aus, als hätten sie ihre alte Haut abgestreift. Und so heißt es auch in zwei Titeln: „I‘m sick to death of this particular self“, ich habe dieses bestimmte Selbst satt, ich will ein anderes. Kunstironie in Zeiten der Selbstoptimierung. Weiter hinten an der Wand wird Proudfoot melancholischer mit einem Keramikrelief, dessen schöne Figuren in Auflösung begriffen sind – inspiriert von einer „Legende der drei Lebenden und drei Toten“, die an Vergänglichkeit erinnern soll wie die traditionellen Totentänze in der abendländischen Kunst.
Auch die schattenhaft schwarzen Vögel, die von der Norwegerin Camilla Steinum in den langen Durchgang gehängt wurden, sind Zeichen von Trauer und Schönheit. Man kann sie durch Zugketten mit den Flügeln schlagen lassen („You can move“) und bemerkt auf den zweiten Blick, dass ihre Schwänze auch Vogelköpfe sind. Je nach Blickrichtung verwandeln sie sich von Krähen oder Tauben in Wildgänse. Auch Steinums „Beater“ (Schläger), drei hübsche, in Bronze gegossene Teppichklopfer, haben eine Zweideutigkeit. Denn sie wurden lange nicht nur für den Hausputz benutzt, sondern ebenso zum Verhauen unartiger Kinder.
Stoff der Verwandlung
Die Düsseldorfer Akademie-Absolventin Theresa Weber (26), die schon im Oktober 2021 in der Sammlung Philara die westliche Sichtweise in Frage stellte, zeigt eine ihrer fantasievollen Installationen aus Textilien und Kunstharz. Sie zerschneidet Pullis und Röcke, die an Bügeln hängen, flicht und knotet den Stoff zu filigranen, skelettartigen Strukturen und schmückt sie wie die Kunstharztropfen, die gleich großen Tränen („Tears“) dazwischen schweben. Es lohnt sich, die Details zu betrachten. Dahinter ragen zwei knallblaue, bewegliche Köpfe mit roten Haaren an hohen Stangen in den Raum. Die Wienerin Isa Schieche hat sich von den „Ratschenbäumen“ aus dem österreichischen Brauchtum inspirieren lassen. Was spielerisch wirkt, ist maliziös. Zwei bunte Kerlchen erweisen sich als „Klappmesser“, eine gezeichnete Schlange auf der Glatze macht einen Holzkopf zum Medusenhaupt.
Doppelbödigkeit ist eine Spezialität der fünf Frauen. Lisa Biedlingmaier, die in Stuttgart studierte und in Zürich lebt, nutzt die alte Basteltechnik Makramee und knüpft daraus Figuren, die sie aufstellt oder auch durch eine Unterwasserwelt treiben lässt. Am hinteren, dunklen Ende des KIT hat sie Videos aus mexikanischen Höhlentümpeln installiert, in denen ihre Objekte wie Seepferdchen schweben, während davor pflanzenhafte Objekte aus Schnüren und Plexiglas von der Decke hängen. Man bleibt dort gerne noch ein bisschen auf der Bank sitzen, ehe man zurückkehrt in die Welt da draußen.
Was, wann und wo?
Die Ausstellung „off the beaten rack“ mit Werken von Lisa Biedlingmaier, Paloma Proudfoot, Isa Schieche, Camilla Steinum und Theresa Weber ist bis 18. September im KIT am Mannesmannufer 1b zu sehen. Di.-So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: vier Euro. www.kunst-im-tunnel.de