Düsseldorf: Ende des Streiks an den Unikliniken? Jetzt liegt der Ball bei den Klinikleitungen!
In der neunten Streikwoche schöpfen die Beschäftigten der Unikliniken in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster ein wenig Hoffnung. Denn die neue NRW-Landesregierung hat eine Finanzierungszusage für den Tarifvertrag Entlastung gegeben und das Landesarbeitsgericht Köln erklärte die Streikmaßnahmen auch in der Berufung für rechtens (Aktenzeichen 10 SaGa 8/22). Was jetzt noch fehlt ist die Einsicht der Arbeitgeber, dass sie für das Wohl der Patienten und Mitarbeiter*innen verantwortlich sind.
Unikliniken sehen Personalschlüssel auf Spitzenniveau
Diese Einsicht lassen die Klinikleitungen seit vielen Wochen vermissen. Stattdessen bemühen die Klinikchefs in Bonn die Gerichte, um die Beschäftigten per einstweiliger Verfügung zum Streikende zu zwingen.
In einer Pressemitteilung teilen die Kliniken am Mittwoch (29.6.) mit, man habe das Angebot an die Beschäftigten verbessert, da man nun pauschal bis zu sieben Entlastungstage für bestimmte Berufsgruppen und Tätigkeitsbereiche anbiete, die in einem engen Verhältnis zu den Patienten arbeiten. Damit sei eine verbesserte Pflege am Bett möglich. „Wer in der Pflege einer nordrhein-westfälischen Uniklinik arbeitet, könnte sich daher zukünftig sicher sein, dass es keine besseren Regelungen in anderen Krankenhäusern gibt“, wird Andrea Schmidt-Rumposch, Pflegedirektorin der Universitätsmedizin Essen, in der Pressemitteilung zitiert. „Die massiven Auswirkungen auf die Patientenversorgung in ganz NRW sind nicht länger vermittelbar und stehen in keinem Verhältnis zum Stand der konstruktiven Gespräche. … Die NRW-Unikliniken wollen den Tarifvertrag Entlastung schnellstmöglich zu einem positiven Abschluss bringen“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Systemwechsel mit Tarifvertrag Entlastung
Damit zeigen die Arbeitgeber eine deutlich andere Wahrnehmung als die Beschäftigten und die Gewerkschaft ver.di. Die pauschalen Entlastungstage würden die Lage auf den Stationen nicht verbessern, argumentieren die Streikenden. Eine grundsätzliche Forderung sei die Festlegung eines Schlüssels, wie viele Mitarbeiter*innen in den verschiedenen Stationen und Bereichen sich um welche Anzahl von Patient*innen kümmern. Nur so könne festgestellt werden, wann eine Belastungssituation durch fehlendes Personal auftrete und entsprechende Konsequenzen gezogen werden.
Dies sei nicht nur für die Pflege am Bett erforderlich, sondern auch in anderen Bereichen, wie Ambulanzen, Notaufnahmen, OP-Bereichen, Laboren, Dienstleistungen und andere. Denn die Patientenversorgung hänge nie nur von der Person ab, die gerade neben dem Bett stehe, die Aufgaben greifen ineinander, erklärt Bente Benöhr, die in der onkologischen Ambulanz der Uniklinik Köln arbeitet. Wenn ein Krebspatient bei ihr sein spezielles Medikament für die Chemotherapie braucht, klappe das nur, wenn Labor, Apotheke, Transport und Ambulanz-Team Hand in Hand arbeiteten. Daher müsse die Entlastung auch für alle Bereiche erfolgen und nicht nur für die Beschäftigten, die in der Pflege arbeiten, betont Benöhr. Lisa Schlagheck, von der Notaufnahme der Uni Münster, pflichtet ihr bei. Bei ihr komme es oft zu Situationen, wo sie in der Nacht alleine für mehrere Patienten verantwortlich ist, schildert sie. Oft müsse sie entscheiden, wo die Lage am dringlichsten sei, da sie nicht allen gleichzeitig helfen könne. Leidtragende sind die Patienten, die nicht auf Toilette können, Schmerzmittel bekommen oder einfach nur jemanden brauchen, der ihre Nöte anhört.
Die Beschäftigten fordern im Tarifvertrag Entlastung eine genaue Festlegung des Personalschlüssels je Patient je Bereich. Auf Intensivstationen solle beispielsweise eine Kraft für ein bis zwei Patienten verantwortlich sein, auf Geburtsstationen eine Hebamme für eine Gebärende und nicht für vier parallel.
NRW-Landesregierung sichert Finanzierung zu
Die Finanzierung des Tarifvertrag Entlastung war eine Hürde, die genommen werden musste. Denn offen war, wer die Kosten für die Mehraufwendungen trägt, die nicht durch die Krankenkassen refinanziert werden. Aber die neue NRW-Landesregierung hat am Donnerstag (30.6.) eine Finanzierungszusage gegeben und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat ihm Gespräch mit den Beschäftigten betont, dass er Verständnis für ihre Forderungen hat. Laumann betonte: “Kommt es zu einem Tarifabschluss, ist eindeutig, dass das Land als Träger der Unikliniken der Adressat für entstehende Kosten ist, die über die duale Krankenhausfinanzierung hinausgehen.”
Wer gefährdet das Patientenwohl?
Den Bürger*innen wird derzeit seitens der Unikliniken vermittelt, dass die Streikende die Uneinsichtigen sind. Betrachtet man das Verhalten der Klinikleitungen mit zögerlichen Angeboten, Klagen vor Gericht und wenig Bestreben zu einer schnellen Einigung zu kommen, könnte man den Eindruck bekommen, dass ihnen die Finanzlage ihrer Kliniken wichtiger sei als das Wohl der Patienten und Beschäftigten. Katharina Wesenick, Landesfachbereichsleiterin bei ver.di, kritisiert das Verhalten als verantwortungslos, und betont, dass ohne einen echten Systemwechsel, der im Tarifvertrag Entlastung festgeschrieben wird, der Streik nicht enden wird.