Nur für Denker*innen: Kunsthalle Düsseldorf
Wer einfach nur schauen und sich erbauen will, sollte lieber woanders hingehen. Ein Besuch in der Kunsthalle Düsseldorf ist immer ein bisschen anstrengend. Das Team um Institutsleiter Gregor Jansen erwartet ein intellektuell aufgeschlossenes Publikum, das sich das Verständnis für das Gezeigte erarbeitet. Das gilt auch für die sperrige Ausstellungskombination aus den Videos, Tönen und Ideen des Klang- und Performancekünstlers Conrad Schnitzler (1937-2011) und die mit Bedeutung beladenen „City Limits“. Drei Bildhauerinnen, aus Deutschland, Polen und Israel, reflektieren da in ihren Skulpturen die innere Geschichte der Städte, die Spuren von Gewalt und Hoffnung.
Fangen wir mal mit dem Leichteren an. „Manchmal artet es in Musik aus“, scherzte der selbsternannte „Intermedia-Künstler“ Conrad Schnitzler über sein Werk, von dem er wollte, dass es „sich in Luft auflöst“. Nichts Wuchtiges zum Hinstellen sollte es sein, sondern etwas Flüchtiges wie „die Spur einer Karawane in der Wüste“. Schnitzler war noch vor dem Zweiten Weltkrieg in Düsseldorf geboren und hatte in den 1960er-Jahren als Schlosser und Heizer gearbeitet, ehe er 1961/62 ein Weilchen bei Joseph Beuys studierte, dem Vater des erweiterten Kunstbegriffs. Doch dann zog Schnitzler weiter ins eingeschlossene Berlin, wo es damals Platz gab und billige Ateliers.
Rhythmus in der Luft
Hier konnte er sich als „Konrad von Berlin“ performativ entfalten. Ein „Schminkfilm“ zeigt, wie er sich vor einem zersplitterten Spiegel schwarz-weiße Streifen ins Gesicht malte oder malen ließ. Die Filme, teils auf alten dicken Fernsehern, sind nicht so ganz scharf. Umso vernehmlicher ist der Soundtrack, der den ganzen Raum erfüllt: ein Surren, Sausen, Pfeifen in einem mitreißenden Takt, man muss unwillkürlich mit den Schultern zucken. „Rhythmus bedeutet bei mir einen Maschinenrhythmus“, stellte Schnitzler fest, „nur Drive sozusagen …“ Okay, das kommt rüber. Die Atmosphäre seiner performativen Konzerte ist eher ein verschwommenes Rätsel und, wie Schnitzler selber sagte, „wech, wenn zu Ende“. Genau wie die Zeit der Kassettenrekorder, die er zum Sammeln und Vorführen von Klängen benutzte.
Gegenüber, im hohen Saal, ist alles still. Sehr still. Die abstrakt wirkenden Skulpturen sind dennoch beredt – wenn man weiß, wo sie herkommen. Bei den rauen Reliefs an der Wand handelt es sich um lackierte und bearbeitete Silikonabdrücke von Ostberliner Mauern, die bis zum heutigen Tag noch die Narben des Zweiten Weltkriegs tragen: Einschusslöcher. Astra Gröting (61), die in den 1980er-Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie studierte, will damit die Erinnerung bewahren, ehe alle Fassaden renoviert sind. Eine Erinnerung übrigens, die durch den gegenwärtigen Ukraine-Krieg wieder näher gerückt ist.
Treppe ins Nirgendwo
Eine verbogene, auf der Seite liegende, ins Nichts führende Treppe aus schwarz lackiertem Stahl ist eine Skulptur von Monika Sosnowska. Die 50-jährige Warschauerin holt sich die Inspiration hauptsächlich in den altmodernen Wohnblöcken ihrer polnischen Heimat mit ihren beschädigten Details. Ein morscher Pfeiler („Pillar“) wird so zur bizarren Säule, etwas Schutt oder Formelemente eines schmiedeeisernen Tores sind Vorlagen für Wandobjekte.
Auch Yael Efrati, 1978 geborene Israelin, untersucht die Stadt nach Motiven. „Mashrabiya“ heißen dekorative Holzgitter in der traditionellen islamischen Architektur. So nennt sie eine Zementskulptur, deren Löcher auf eine himmelblaue Platte weisen – schöne Aussichten. Das hat durchaus einen leisen Humor, genau wie die eigenartigen braunen Keramikhäufchen auf weiß verputzten Mauerelementen. Es handelt sich um eine Hommage an das Trockenfutter, womit ältere Damen in Yael Efratis urbaner Nachbarschaft die Katzen anlocken.
Der Kunstverein spielt auch mit
Bis zum 14. August zeigt die Kunsthalle Düsseldorf am Grabbeplatz zwei parallele Ausstellungen: „City Limits“ mit Skulpturen von Asta Gröting, Monika Sosnowska und Yael Efrati sowie „Manchmal artet es in Musik aus“ über Conrad Schnitzler. Die von Sergio Edelsztein vom Center for Contemporary Art in Tel Aviv kuratierten „City Limits“ waren zuvor in Polen und werden 2023 in Israel gezeigt. Zu der Schnitzler-Schau gibt es ein kleines Festival von performativen Konzerten. Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen zeigt im selben Haus bis zum 31. Juli eine fotogene Rauminstallation mit schwarz-weiß gestreiften Wänden, spiegelnden Kugeln und lackierten Likörflaschen von Yuki Kimura. Viel zu sehen und zu verstehen. Infos unter www.kunsthalle-duesseldorf.de und www.kunstverein-duesseldorf.de