Bahnhofsmission Düsseldorf: Seit 120 Jahren Anlaufstelle für die Menschen
Bei der Bahnhofsmission zwischen den Gleisen 12 und 13 am Düsseldorfer Hauptbahnhof ist jeder willkommen. Egal ob Reisender, Obdachloser, Nachbar, Mensch, der ein offenes Ohr sucht und auch egal ob man einer Religion angehört oder nicht. Zwar ist die Bahnhofsmission in evangelischer und katholischer Trägerschaft, aber es geht nicht um die Missionierung der Besucher*innen. Gefeiert wird der 120. Geburtstag mit einem ökumenischen Gottesdienst, am Samstag (11.6.) um 12 Uhr in der Bahnhofshalle. Aber schon die Musikbegleitung mit einer Dixieland-Band lässt erkennen, dass es um das Erreichen von Menschen geht und nicht nur ums Gebet.
Entstanden aus dem “Mädchenschutzverein”
Entstanden ist die Bahnhofsmission in Düsseldorf als vor 120 Jahren mit der Industrialisierung immer mehr Menschen in die Stadt strömten. Von 1850 bis 1900 entwickelte sich die ehemalige Provinzstadt zur Großstadt und die Bevölkerung verachtfachte sich. Viele junge Frauen vom Land kamen am Bahnhof Düsseldorf an und liefen Gefahr in die Fänge von Männern zu gelangen, die sie in die Prostitution zwangen. Um dem Vorzubeugen gründeten sich der „Mädchenschutzverein“ ein Vorläufer der Bahnhofsmission. Der Verein kümmerte sich um die jungen Frauen, vermittelte ihnen Arbeit und achtete darauf, dass sie auf dem rechten Pfad blieben.
Nachdem die Bahnhofsmission im Dritten Reich vorübergehend ihre Arbeit einstellen musste, waren ihre Dienste nach dem Krieg wieder sehr gefragt. Die Mitarbeitenden kümmerten sich um viele Flüchtlinge und heimkehrenden Soldaten, für die die Bahnhöfe zentrale Anlaufstellen waren. Diese Arbeit hat sich weiterentwickelt und bis heute nehmen die Hilfen bei Armut und Wohnungslosigkeit einen immer größeren Raum ein.
Ökumene
Die Bahnhofsmission ist ökumenisch geprägt und hat mit Barbara Kempnich von der Diakonie und Robert Modliborski von In Via (Verband katholischer Mädchen- und Frauensozialarbeit Düsseldorf) zwei Leitungen, die sich ergänzen. Zum Team gehören weitere Teilzeitkräfte, Freiwillige, die ein soziales Jahr ableisten und fast 40 Ehrenamtler*innen. Alle im Team werden im Umgang mit den Menschen geschult, da die Besucher*innen sehr unterschiedlich sind. Es fängt an bei Reisenden, die Unterstützung beim Umsteigen am Bahnhof benötigen, geht weiter über Obdachlose, die sich einen heißen Kaffee holen bis zu Menschen mit Problemen, die Hilfe benötigen, weil sie mit Ämtern, Arbeitgebern oder Vermieter nicht klar kommen. Ziel ist es allen auf Augenhöhe zu begegnen und von Mensch zu Mensch mit ihnen umzugehen. Besonders während der Corona-Pandemie hat das Team gespürt, wie wichtig den Besucher*innen der Kontakt war. Ein offenes Ohr zu finden, einen Rat zu bekommen und damit der Isolation und Einsamkeit etwas zu entfliehen.
Barbara Kempnich berichtet von vielen Gesprächen, die auch auf englisch oder in anderen Sprachen geführt werden, da Geflüchtete mit Formularen nicht klar kommen oder sie vergeblich versucht haben bei den Düsseldorfer Ämtern einen Termin zu vereinbaren. Dafür schmeißen die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission auch schon mal um kurz nach 6 Uhr morgens ihren Computer an, wissend, dass bei der Online-Terminbuchung der Stadt dann noch kurzfristige Terminkontingente freigeschaltet werden. Über einen zentralen Dolmetscherservice aller Bahnhofsmissionen kann bei Bedarf über Tablet ein Übersetzer angefordert werden, der online dolmetscht.
Quartiersarbeit
Aber die Arbeit der Bahnhofsmission findet nicht nur in der Anlaufstelle zwischen Gleis 12 und 13 statt. Regelmäßig machen die Mitarbeitenden in ihren hellblauen Westen Rundgänge durch den Bahnhof, den Vorplatz und auch den Bertha-von-Suttner-Platz. Dabei halten sie Ausschau nach Menschen, die Hilfe brauchen. Allerdings gilt der Grundsatz „hilf mir es selbst zu tun, so wie ich es möchte“, beschreiben Kempnich und Modliborski. Denn sie wollen niemand etwas aufzwingen, was sie für richtig halten. Den Menschen sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, handeln müssen sie selber.
Der Blick der Bahnhofsmission geht deutlich über den Tellerrand des Bahnhofs hinaus. Sie engagieren sich aktiv bei der Quartiersentwicklung, haben ein Auge auf die Verdrängung von Menschen ohne Wohnung oder mit Drogenproblemen, bieten Quartiersrundgänge an und werden demnächst auch mit einem Lastenrad unter dem Motto „Pop-up-Café für Segen und Demokratie“ eine rollende Anlaufstelle auf den Plätzen im Viertel bieten.
Samstag, 11. Juni, 12 Uhr
Den 120. Geburtstag feiert die Bahnhofsmission Düsseldorf nicht mit Pomp und Torte, sondern mit dem Gottesdienst am Samstag (11.6.) um 12 Uhr in der Bahnhofshalle. Diakoniepfarrer Michael Schmidt und Subsidar Andrej Lishko werden die ökumenische Andacht gestalten. Geschenke gibt es für Bedürftige, denn es werden 120 Tüten mit Lebensmitteln gepackt, die in der Bahnhofsmission ausgegeben werden.