Ab an die Luft! „Diener zweier Herren“ vor dem Schauspielhaus Düsseldorf
Das Theater ist heute mehr denn je eine moralische Anstalt. Muss es auch sein, denn das Gewissen der Gegenwart braucht dringend Ermahnung. Aber zwischendurch darf es sich auch mal erholen. Und Spaß haben. Wie in der Open-Air-Aufführung von Carlo Goldonis Klassiker „Der Diener zweier Herren“, einem irrwitzigen Spiel um ein Lügengespinst, das sich am Ende happy entwirrt. Robert Gerloff inszenierte das 1746 in Mailand uraufgeführte, auch von Goethe in Weimar geschätzte Stück auf dem Platz vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus in bester Laune, als hätten die Typen der Commedia dell’Arte sich mit den Teletubbies verbrüdert. Und eine Blaskapelle spielt dazu.
Wohl dem, der zur Premiere im Daunenmantel kam! Temperaturen von 14 Grad bei gefühlt kälterem Wind ließen keine italienischen Gefühle aufkommen. Aber das kann sich ja noch ändern im Laufe dieses Frühsommers. Open Air in Deutschland ist ein Risiko. Wird aber immer wieder gern versucht. Es gibt halt diese herrlichen Momente, wenn der Himmel sich abendlich verfärbt, Vögel über der Szene schweben, Zaungäste staunen, und die Stadt selbst zur Bühne wird.
Lustvoll und präzis
Gerloff hat nicht einfach das Theater nach draußen versetzt. Er nimmt den ganzen Platz ein, spielt damit lustvoll und präzis. Maximilian Lindner baute ihm dafür eine 36 Meter breite Bühne mit neun Podesten und 18 Türen für blitzschnelle Auftritte und Abgänge der neun Protagonist*innen, die sich gelegentlich wundersam vervielfältigen. Wie man weiß, geht es in Goldonis genialem Schwank um das Dilemma des ewig hungrigen Dieners Truffaldino, der sich von der Herrschaft unterversorgt fühlt und deshalb heimlich eine zweite Stellung annimmt – ohne zu ahnen, welche Verwicklungen das auslöst.
Die Story kurz zu erzählen, ist unmöglich. Aber wir versuchen es mal. Also: Die schöne Venezianerin Clarice bekommt die Erlaubnis, ihren Liebsten Silvio zu heiraten, weil der reiche Mann aus Turin, dem sie eigentlich versprochen war, praktischerweise ermordet wurde. Da taucht der totgeglaubte Federigo plötzlich auf und pocht auf sein Recht. Doch im Gegensatz zu fast allen Beteiligten weiß das Publikum, dass Federigo in Wahrheit seine verkleidete Schwester Beatrice ist, die erstens ein Geschäft machen und zweitens ihren Verlobten Florindo suchen will. Der nämlich hatte ihren Bruder im Eifer eines Streits niedergestochen und war geflohen.
Blöd oder gewitzt
Das wäre Stoff für einen Psychokrimi, aber in der Commedia dell’Arte geht es nicht um Gut und Böse, sondern um Blöd und Gewitzt. Goldonis Held und Harlekin ist der clevere Diener Truffaldino, den Kilian Ponert mit atemberaubendem Tempo tanzt. So kann man die pointierte Art der Gesten, Posen und Bewegungen in dieser Produktion schon nennen. Zoë Knights hat sich um die Choreografie auch für eine verwirrende Schar an Kleindarstellern gekümmert. Sie alle tragen ausgestopfte Trikots mit Streifen und Punkten sowie Narrenkappen der fantasievollen Art: eine Art Doktorhut für Silvios Vater, den lateinisch lamentierenden Dottore (Rainer Philippi), das spitze Ding des Weißclowns, aber in Rot, für Clarices Vater Pantalone (Andreas Grothgar), eine weiche Ringelkugel für die Braut (Fnot Taddese).
Judith Bohle als verkleidete Beatrice präsentiert einen gestreiften Stoff-Schnauzbart als männliches Attribut. Und beweist nicht nur komödiantisches Talent, sondern eine körperliche Anmut wie eine Ballerina. Sonderapplaus und viele Lacher gibt es für den Schauspielstudenten Valentin Stückl, der immer wieder betont: „Ich bin Silvio Lombardi!“ und dann federleicht über den Zaun setzt, um sich in der echten Eisdiele ein Hörnchen zu holen. Das ist nicht die einzige Überraschung in diesem wunderbar jecken Spiel. Es sei verraten, dass der eine oder andere Hund eine Rolle spielt und Hänsel und Gretel mal kurz vorbeikamen. Ach ja, und es gibt ein paar aufmüpfige Songs. Gegen die Patriarchen und die Kapitalisten. Ein bisschen Moral muss eben doch sein.
Sonderaktion für Familien
Open-Air-Theater vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus. „Der Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni in der Inszenierung von Robert Gerloff wird bis zu den Sommerferien gespielt. Termine auf dem Gründgens-Platz: 29. Mai, 3., 5., 6., 9., 10., 12., 16., 19., 23., 24., 26., 30. Juni sowie 2. und 3. Juli. Dauer etwa zweieinhalb Stunden, eine Pause. Es gibt stark ermäßigte Sondertickets für Familien. www.dhaus.de