Erst schwieriger Länderrat, dann lockere Wahlkampfbühne: Wie die Grünen in Düsseldorf beides hinbekommen
Der Spiegel nennt sie aktuell die „Olivgrünen“. Bis vor wenigen Minuten haben die Grüne Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Mona Neubaur, NRW-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin der Grünen für die NRW-Landtagswahl am 15. Mai, mit dem Länderrat in den Rheinterrassen zu Düsseldorf gerungen. Dabei wurde die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine beschlossen – und das 100-Milliarden-Programm für die Bundeswehr abgenickt. Anders formuliert: Sie trugen das pazifistische Erbe der Ökopartei zu Grabe und warfen einen Antrag der Grünen Jugend gegen den Bundesvorstand gleich hinterher. Und dann kommt diese Frage: „Wolltest Du, Mona Neubaur, eigentlich immer schon Politikerin werden?“ „Nein“, sagt die Düsseldorferin, „Ich wollte Pilotin werden. Aber meine Augen waren zu schlecht.“
Ihrem Weitblick schadet das nicht. Mit Ausdauer führt Mona Neubaur, bekennende Pempelforterin, die NRW-Grünen seit 2014. Päppelte sie nach der Landtagswahlklatsche 2017 – 6,4 Prozent – wieder auf. Damals wurden die Grünen für die desaströse Schulpolitik ihrer Ministerin und rot-grüne Lustlosigkeit in Düsseldorf abgewatscht. Das soll nicht noch einmal passieren.
Hätte nicht die Realität Regie geführt, wäre das an diesem Samstag in Düsseldorf sehr deutlich geworden. Der Länderrat ist der kleine Parteitag der Grünen. Neubaur hat Evonik-Boss Christian Kullmann als Gastredner für den Länderrat gewonnen. Und er bekennt ganz freimütig, sich vor Jahren in Mona Neubaur geirrt zu haben. Als Chemiemann habe er vorsichtige Distanz zur Öko-Frau gehalten. „Das war ein Fehler.“
Transformation gemeinsam mit der Industrie
Denn die Grünen haben ihre Fundamentalkritik gegen eine Industrie mit einer sechsstelligen Zahl an Beschäftigten eingestellt. „Transformation und Klimaziele sollen mit den Unternehmen und Gewerkschaften erreicht werden“, sagt Mona Neubaur nach ihrem Ortswechsel von den Rheinterrassen in den Hofgarten. Als erstes müsse mal die 1000-Meter-Abstandsregel zwischen Wohnbebauung und Windrädern in Düsseldorf fallen. Zugleich sollte man Anwohner an den Erlösen der vor der eigenen Haustür produzierten Windenergie beteiligen. So will sie Protestler*Innen in Promotor*Innen verwandeln.
Dass man die Bürger*Innen bei den dringend notwendigen Veränderungsprozessen mitnehmen muss, dekliniert Mona Neubaur anschließend einmal quer durch alle Problemfelder nordrhein-westfälischer Politik. Radfahren und öffentlicher Personennahverkehr als echte Alternative zum Auto? Das gehe nur bei gut ausgebauten Radwegen und funktioniere zurzeit nur in den Großstädten: „Der öffentliche Personennahverkehr auf dem Land ist ein Witz.“ Falls die NRW-Grünen Mitte Mai ein starkes Wahlergebnis bekommen, verspricht Neubaur als Sofortmaßnahme ein dichtes Netz von Schnellbussen – „mit mindestens einer Verbindung pro Stunde“.
Große Ziele, praktische Maßnahmen
Eine Brückenlösung sei auch beim Lehrermangel in den NRW-Schulen angesagt. Denn bis Lehrer*Innen ausgebildet sind, vergehen sieben Jahre. Die Sofortlösung: Jede der 22.000 Schulen soll Verwaltungskräfte bekommen, „damit die Lehrer*Innen mehr Zeit haben, die Kinder zu unterrichten.“ So bricht Mona Neubaur die großen Ziele runter in ganz konkrete Maßnahmen.
Ricarda Lang spricht derweil zu lang. Und oftmals zu blumig. Dann huschen ganz kurz Stirnrunzler über Neubaurs Stirn. Der Vortrag der Baden-Württembergerin, die ihre Partei noch am Vorabend auf dem Bundespresseball repräsentierte und wenig Schlaf bekommen hatte, war mehr für ein tiefgrün eingefärbtes Publikum. In ihrer Realität hat es Mona Neubaur hingegen mit Wähler*Innen zu tun, die wissen wollen, was sich ändert, wenn sie dieses Mal Grün ankreuzen.
Mit sechs samt „Kriegstreiber“-Transparent am Rand scharfutternden Störern ist die grüne Spitzenkandidatin in NRW rasch fertig: Ein bisschen Bildung könnte solchen Erwachsenen nicht schaden.