Von überall gucken: Art Düsseldorf 2022
Auch Verschieben nützte nichts: Dreimal musste die Art Düsseldorf in den Pandemie-Jahren abgesagt werden. Und auch jetzt stand die Ungewissheit mit auf dem Plan der erst 2017 gegründeten Kunstmesse im Areal Böhler. Damit die Galerien überhaupt dabei blieben, wurde ihnen in diesem Jahr dank des Bundesprogramms „Neu Start Kultur“ ein fetter Rabatt von 70 Prozent auf die Standmiete gewährt. Das lockte sogar Berlin, bekanntlich arm, aber sexy. Unter den 84 beteiligten Kunsthändler*innen kommen allein 19 aus der Hauptstadt, nur 14 aus Düsseldorf selbst. Bis Sonntag ist die Schau geöffnet – real und hybrid.
Auf den virtuellen Auftritt ist Walter Gehlen, der Direktor der Art Düsseldorf, besonders stolz: 50 Art Guides, die insgesamt mindestens 12 Sprachen sprechen, können von geladenen VIP-Kunstkunden online kontaktiert werden. Sie stellen dann über Zoom die Verbindung zur Wunschgalerie her, zeigen die ausgestellten Werke. Es kann live geplaudert, verhandelt und auch gekauft werden. Fast wie im richtigen Leben. Gäste, die nicht „very important“ sind, dürfen für 15 Euro ein Online-Ticket buchen und sich am Bildschirm an geführten Art Tours beteiligen. „Experience it everywhere“, erlebe es von überall, heißt die Devise. Aber ehrlich: Das wahre Erlebnis hat der Mensch nun mal vor Ort.
Kultivierte Ausstattung
Nach der Preview für die üblichen Verdächtigen der Kunstszene ist das interessierte Publikum noch drei Tage lang willkommen in den malerischen Ex-Industriehallen am Löricker Rand von Düsseldorf. Andere Kunstmessen in Basel oder Köln mögen renommierter sein, schöner und eleganter ist die kleine Konkurrenz in Düsseldorf. Wer es sich leisten kann (die diskret verborgenen Preise sind in der Regel vier- bis fünfstellig), findet hier seine kultivierte Ausstattung für den gehobenen Lebensstil. Das reicht von Entdeckungen wie den kraftvollen Frauencollagen der Afro-Düsseldorferin Anys Reimann in der Düsseldorfer Galerie Van Horn bis zu den Picassos bei Boisserée (Köln).
„Neither Fruit Nor Flower“ (Weder Frucht noch Blume) lässt Rachel Youn mit lila Blüten aus einem kinetischen Wandobjekt rieseln (bei der Berliner Galerie Soy Capitán). Ein Stahl-Kerlchen aus der wilden Figurenwelt des A.R. Penck geistert in der Koje der Baseler Galerie Knoell. Bei Löhrl aus Mönchengladbach betrachtet ein kleiner, bunt bemalter Bronze-Herr mit Tigerkopf von Stephan Balkenhol ein abstraktes Edelstahlobjekt von Thomas Kühnapfel. Es gibt Lithographien von Sigmar Polke im vertrauten Pixel-Look bei Mike Karsten (Münster), Beuys-Fotos bei Philip von Rosen (Köln) und, bei Gisela Clement aus Bonn, ein imposantes, sechs Meter hohes Kreuz mit Fotos der alten Aktionskünstlerin Ulrike Rosenbach („Dance in a House of Madness“).
Kunst der guten Laune
Wer keine Kaufabsichten hat, kann die Messe auch wie eine Kunsthalle mit originellen Arrangements erleben. Da blickt der monumentale Marx-Kopf aus Chemnitz von einem über vier Meter breiten Foto von Olaf Nicolai in den Saal auf die Jünger des Kunstkapitalismus. Gegenüber hängt ein „Schüttbild“ des heute 83-jährigen Wiener Blutmalers Hermann Nitsch (Jahn und Jahn, München). Und auf einem von fünf Skulpturenfeldern ragen die „Verbrannten Türme“ von Gereon Krebber wie Mahnmale für die Gegenwart in den Raum.
Doch traurig soll man bloß nicht werden auf der Art Düsseldorf. Schlecht gelaunte, kritische oder gar provokante Werke sind kaum zu finden. Ein reines Vergnügen ist eine Installation von Dan Graham, die Galerist Leo Koenig aus New York mitgebracht hat: eine Art Pavillon mit einem Wasserbecken und geschwungenen Scheiben, in denen sich die Vorübergehenden spiegeln und Raumillusionen erzeugen. Ein ästhetisches Spiel ist auch „Das mechanische Ballett“ mit rotierenden Edelstahlobjekten vom Altmeister des Glanzes, Heinz Mack.
Zweite Halle links
Es ist viel anzuschauen. Man sollte sich Zeit lassen und zwischendurch mal ausruhen in einer Sitzecke oder einem Café. Denn es gibt ja noch die zweite Halle der Messe, links vom Eingang. Dort erhebt sich, wie aus dem rauen Boden gewachsen, eine große Bronze-Schichtskulptur von Tony Cragg. Und gleich am Eingang stehen, passend zum Regenwetter, zwei drei Meter hohe Gummistiefel, die der französische Bildhauer Lilian Bourgeat aus Polyester hat gießen lassen. Kunst mit Humor.
Und so sind Sie dabei:
Die 4. Art Düsseldorf ist eröffnet und bleibt bis zum 10. April im Areal Böhler, Hansaallee 321 (Haltestelle Lörick). Geöffnet: Freitag 12 bis 19 Uhr, Sa./So. 11 bis 19 Uhr. Tagestickets kosten 26 Euro (ermäßigt 19 Euro) und können ausschließlich online gekauft werden. Eine Tageskasse existiert nicht, am Schalter muss man einen Impf- oder Testnachweis vorzeigen. In den Messehallen gibt es Maskenpflicht, die Maske darf nur zum Essen und Trinken und an den Tischen der gastronomischen Bereiche abgenommen werden. Wer das alles zu umständlich findet, kann die Kunstmesse auch virtuell erleben. Tickets für geführte Art Tours während der Öffnungszeiten kosten 15 Euro (Freitag 14 und 16 Uhr, Sa./So. jeweils 12, 14 und 16 Uhr). Eine auf Frauen konzentrierte „Women in Art Tour“ ist für Freitag und Sonntag um 15 Uhr geplant. Alle Infos und Zugänge unter www.art-dus.de