Düsseldorf: Demokratie in den Betrieben – noch bis Ende Mai werden die Betriebsräte gewählt
„Zusammen Arbeit gestalten“ heißt das Motto, mit dem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Teilnahme an den Betriebsratswahlen wirbt, die noch bis zum 31. Mai 2022 stattfinden.
„Betriebsräte zu wählen ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Eine demokratische und zukunftsfähige Wirtschaft ist nur mit Betriebsrätinnen und Betriebsräten möglich. In jedem Fall profitieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Betriebe mit Betriebsrat zahlen im Durchschnitt rund zehn Prozent höhere Entgelte. Die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen ist in solchen Betrieben kleiner“, so Sigrid Wolf, Vorsitzende des DGB in Düsseldorf.
Gesetzlicher Anspruch auf Betriebtsrat
Das Betriebsverfassungsgesetz regelt, dass in allen Unternehmen ab fünf Mitarbeiter*innen ein Betriebsrat gewählt werden kann. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer*innen ohne Leitungsfunktion, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Leiharbeitnehmer*innen dürfen nach drei Monaten Überlassung wählen. Sie zählen bei der Größe des Betriebsrates mit. Kandidieren darf, darf wer mindestens sechs Monate im Betrieb ist.
Da Betriebsräte bei wichtigen Entscheidungen in den Firmen mitreden dürfen, können sie sich aktiv für die Interessen der Beschäftigten einsetzen. Alle vier Jahre werden die Betriebsräte gewählt, bis Ende Mai in rund 28.000 Betrieben bundesweit. Bei den Betriebsratswahlen 2018 lag die Wahlbeteiligung bei 76 Prozent. ,,Betriebsräte setzen sich gemeinsam mit Gewerkschaften für Standort- und Arbeitsplatzsicherung ein. Aber auch im Betriebsalltag sind sie aktiv – ob bei Innovationen, Arbeitszeit, Gesundheitsschutz, Eingruppierung oder Neueinstellung und vielen anderen Dingen sind Betriebsräte tätig“, erklärt Özay Tarim, Gewerkschaftssekretär ver.di-Bezirk Düssel-Rhein-Wupper.
Aber auch Arbeitgeber profitieren von Betriebsräten. Nach einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung ist in Betrieben mit Betriebsrat die Produktivität um 12,8 Prozent höher. Betriebsräte können ein wichtiger Faktor sein, wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät. Ohne Anhörung des Betriebsrates sind Kündigungen unwirksam – und bei Sozialplänen ist seine Zustimmung erforderlich. ,,Wer die Bildung eines Betriebsrats oder dessen Arbeit behindert, dem droht gemäß § 119 Betriebsverfassungsgesetz im Extremfall sogar ein Jahr Haft‘‘, so Wolf.
Oft arbeiten Betriebsräte erfolgreich mit den Gewerkschaften zusammen, sind aber gesetzliche, keine gewerkschaftlichen Organe. So dürfen Betriebsräte beispielsweise nicht selber aktiv an die Öffentlichkeit oder Medien gehen, was bei Missständen oder anstehenden Entlassung ein Mittel wäre, sich dagegen zu wehren. Dann hilft die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, die mit der Presse Kontakt halten und über die Arbeitnehmer*innen auch anwaltliche Unterstützung erhalten.
Bedeutung von Betriebsräten – ein Negativbeispiel
Wie wichtig Betriebsräte sind, verdeutlicht das Beispiel der Firma DSW in Düsseldorf. Der Deutscher Schutz- und Wachdienst (DSW), eine Tochter der Piepenbrock Service GmbH + Co. KG aus Osnabrück, ist seit Juni 2020 für die Sicherheitskontrollen am Düsseldorfer Flughafen zuständig. Seitdem gibt es nicht nur ständige Diskussionen zwischen Betriebsrat und Firmenleitung, auch bei Arbeitsgericht sind Hunderte von Verfahren anhängig, da Beschäftigte mit verschiedenen Begründungen zu wenig Lohn ausgezahlt bekamen. Torsten Bogula, Betriebsratsvorsitzender bei der DSW am Flughafen Düsseldorf und ver.di-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim berichten von Fällen, die eindeutig gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen, der Arbeitgeber aber trotzdem seine eigene Rechtsauffassung vertritt. Bei der Agentur für Arbeit ist die DSW bekannt, da es im Zusammenhang mit der Zahlung von Kurzarbeitergeld zu falschen Abrechnungen kam. Der Betriebsrat und der Gewerkschaftssekretär wundern sich, dass das Innenministerium, das über die Bundespolizei die Aufträge für die Sicherheitsüberprüfungen am Flughafen vergibt, offenbar bei den Ausschreibungen nicht die Einhaltung von Regeln gegenüber den Beschäftigten achtet. Die Anwälte der Gewerkschaft, die die zahlreichen Klagen vor dem Arbeitsgericht begleiten, sprechen von einem deutschlandweit einmaligen Negativbeispiel. Torsten Bogula vermutet, dass es DSW darum geht den Betriebsrat und die Belegschaft Mürbe zu machen. Schon jetzt denkt er mit Schrecken an die Osterferien. Denn von den versprochenen 500 Neueinstellungen, um die hohen Passagierzahlen so zu bewältigen, dass es nicht zu langen Wartezeiten kommt, sei nur ein Bruchteil bereits eingestellt.
Weitere Informationen zur Betriebsratswahl 2022 gibt es hier.