Düsseldorf Bücherbummel: EX-OB Thomas Geisel liest aus seinem Buch „Grenzgänger“
Die klare Kante und analytischer Rigorismus können Manager in der Wirtschaft durchaus weiterbringen; Politiker brauchen ganz andere Tugenden. Beharrungsvermögen, zum Beispiel, und: den Mund halten können. Das liegt Thomas Geisel so gar nicht. Sechs Jahre lang war er Oberbürgermeister von Düsseldorf. Was vom Amt übrig blieb, hat der Sozialdemokrat auf 360 Buchseiten niedergeschrieben und seine Bilanz „Grenzgänger“ genannt: „Ich wollte weder ein Frühstücksdirektor sein noch ein Moderator“, sagt er an diesem kühlen Herbst-Samstagabend (16.10.).
Rund 80 Menschen hören zu, mehrere hundert giftgrüne Halsbandsittiche krächzen laut. Auf der Bücherbummel-Bühne Steinstraße liest Grenzgänger Geisel aus seinem Buch und beantwortete die Fragen von Jürgen Kron, dem Leiter des Düsseldorfer Droste-Verlags. Dort wird Geisels Buch produziert – die Erstauflage von 3000 Exemplaren sei nahezu ausverkauft, sagt Kron. Die zweite sei in Vorbereitung.
Blaue Stunde
Die Kombination aus Gespräch und Lesung sorgen für eine spannende Blaue Stunde. Wäre Thomas Geisel gerne Oberbürgermeister geblieben? Ja. „Aber wer weiß, ob ich das Amt noch einmal mit soviel Energie und Aufwand hätte ausfüllen können.“ Nun hat sich der Jurist Geisel als Partner der jungen Wirtschaftskanzlei VCvF Vogt Calderón von Fragstein angeschlossen.
Scharfe Zunge
Scharfblickend und scharfzüngig führt Thomas Geisel seine Hörer beim Bücherbummel durch die Untiefen der Düsseldorfer Stadtpolitik. Beim Thema Loyalität begrüßt er ausdrücklich Florian Dirzus, schon zu CDU-Zeiten im Oberbürgermeister-Büro und zuletzt Vize im Schulverwaltungsamt, bis ihn die sogenannte „Lüfteraffäre“ aus dem Rathaus pustete. Seit vielen Monaten ringen Stadt und Dirzus miteinander. Geisel macht deutlich, dass er weiterhin zu Dirzus steht.
Städtische Beteiligungen besser managen!
Auch in anderen Punkten setzt sich Thomas Geisel bewusst von der Rathaus-Blase ab. Mit der Stadt-Sparkasse, den Stadtwerken, dem Flughafen, der Messe und anderen halte die Stadt eine Reihe wichtiger Beteiligungen. „Von Anfang an hatte ich ein Störgefühl dazu, wie diese städtischen Beteiligungen in den Aufsichtsräten von der Stadt gemanagt werden“, sagt der mittlerweile rheinische Schwabe. Weder gebe es für die Unternehmensbeteiligungen klare Ziele noch ein angemessenes Controlling. Als er dieses installieren wollte, geriet er mit Politikern der Ampelkooperation über Kreuz. „Manche hatten den von mir vorgeschlagenen Kandidaten für eine Stabsstelle im Oberbürgermeisterbüro noch nicht einmal getroffen und redeten schlecht über ihn“, ärgert sich Geisel noch heute.
Einseitige Akzente in der Kultur
Klare Kante von ihm auch zur Kultur: „Warum bekommt die Oper aus dem städtischen Mitteln 30 Millionen Euro pro Jahr und alle Festivals zusammen nur 500.000 Euro, also lediglich ein Bruchteil davon?“ „Kultur“ werde in Düsseldorf halt traditionell als „Hochkultur“ definiert und in Oper, Schauspielhaus, Tonhalle und Kunstpalast aufgeteilt. „Vermutlich, weil es immer so war. Jetzt beim Opernneubau habe die Stadt die Chance, es anders und damit besser zu machen: Geisel äußerte seine Sympathie für den Vorschlag des Kö-Bogen II-Entwicklers Centrum – unter anderem weil sich die Oper anderen Nutzern öffnen würde, auf Augenhöhe mit der Oper in Oslo und der Elb-Philharmonie sein würde, aber zu einem Festpreis gebaut werden könnte. „Das Desaster, das Köln zurzeit erlebt, würde uns erspart bleiben.“
Kein Zölibat, bitte
Ob denn für Politiker ein Zölibat ausgerufen werden müsse, weil der Job viel Lebenszeit beansprucht und Frau und Kinder zu kurz kämen, will Jürgen Kron wissen. „Naja, das mit dem Zölibat funktioniere ja schon in der Katholischen Kirche nicht so richtig“, sagt Geisel. Und beschreibt die Familie als wichtig für ihn als Lokalpolitiker. Er habe seinen Töchtern und seiner Ehefrau viel zugemutet. Oft hätten sie alle zusammen Häme und Hass aushalten müssen. „Aber meine Frau und meine Töchter waren immer meine ersten, härtesten, aber auch ehrlichsten Kritiker.“