Idylle mit dem Kick: Kunst träumt von „Arcadia“ im Malkastenpark Düsseldorf
Solche Orte braucht der gestresste Stadtmensch: offen und doch abgeschirmt, eine Zuflucht mit Wäldchen und Wiese, wo sich die Geräusche des nahen Verkehrs wie ein fernes Brausen anhören. Der Malkastenpark, einst Garten der kultivierten Kaufmannsfamilie Jacobi und im 19. Jahrhundert von Düsseldorfer Künstlern vor der Bebauung gerettet, bietet sich an für einen zauberhaften Herbst-Spaziergang – mit Kick. Kurator Wilko Austermann hat wieder für künstlerische Überraschungen gesorgt. 18 temporär aufgestellte Skulpturen spielen mit dem Begriff „Arcadia“.
Arkadien ist ja nicht nur ein Regionalbezirk auf der griechischen Peloponnes. Es ist auch ein poetischer Begriff für das Goldene Zeitalter, in denen Menschen ohne Arbeit und Not als Hirten in idyllischer Natur leben konnten. Eine Art Paradies auf Erden, wovon im Barock und Rokoko auch die Herrschaften träumten. Malerei und Schäferspielerei tändelten mit dem Gedanken an ein losgelöstes Leben.
Gefangen oder abgestürzt?
Auch die heutige Kunst will noch träumen – allerdings nicht ohne kritischen Hintergedanken. Und so sind die metallenen „Flügel“ von Daphne Stahl mit Ketten an zwei Bäume gefesselt. Etwas Gefangenes? Etwas Abgestürztes? Vor einem gewissen arkadischen Pathos hat die Akademie-Absolventin keine Angst. Das zeigt auch der in Bronze gegossene Kopf eines mystischen Wesens mit Hörnchen, Zacken und Zweigen, der sich der Wiese entgegenneigt.
Julia Wilczewski (34), in Duisburg geborene Düsseldorferin, hat drei sehr unterschiedliche Werke im Park verteilt. Gleich vorn zappelt ein Fuchs aus bemaltem Silikon oben an einem Stamm eines Gingkos, wo man sonst nur Spechte vermuten würde. Ganz hinten hat sie ein rätselhaftes Keramikobjekt, das an eine sich aufbäumende Wurzel erinnert, in eine Vitrine gesteckt wie in ein schützendes Terrarium. Und im Laub auf einer kleinen Lichtung steht eine überdimensionale Blume aus silbrigem Aluminium, deren Blüten aus Frauenkörpern bestehen. Die Köpfe sind im Inneren der unheimlichen Blume verschwunden. Der Natur hingegeben? Von ihr verschlungen?
Metamorphose der Wesen
Solche Fragen kann man sich noch öfter stellen. Zum Beispiel angesichts der schwarzen Bronzefigur „Tony oder Elke mit Schlangen“, die sich ganz flach an den Waldboden schmiegt, als wolle sie sich gleich darin auflösen. Schlangenhäute bedecken den fast flüssig wirkenden Körper, den der Kounellis-Schüler Markus Karstieß hier platzierte. Eine Metamorphose wie in der griechischen Mythologie? Fantasieren ist in dieser Schau erlaubt, geradezu geboten. Die Skulpturen und Objekte locken mit ihren Geheimnissen.
Da steht die rosa schimmernde Wachsskulptur eines Waschbeckens unter zwei Büschen. Man hört imaginäres Wasser rauschen. Statt Armaturen gibt es Hörner und Tatzen. Die Georgierin Keta Gavasheli (31), noch an der Akademie, hat so die tierischen Geister beschworen. Ihre Kommilitonin Klara Virnich hält es mit den alten Göttern. Sie performt zur Eröffnung als Liebesgöttin Aphrodite alias Venus und lässt im Düsselbach einen gemalten, in Polyester gegossenen Kussmund schwimmen: „Le Plaisir“, das Vergnügen.
Die Venus am Teich
Auch Katja Tönnissen, zu Hause zwischen Düsseldorf und Dortmund, erinnert den Flaneur an die göttliche Schönheit, die der Sage nach aus Schaum geboren und beim alten Meister Botticelli auf einer Muschel über das Wasser getrieben ist. Die Bildhauerin konstruierte einen heiteren Brunnen aus fünf Kunststoff-Muscheln in den Farben des Sonnenuntergangs und nannte das „Bora-Bora“ nach der Trauminsel im Südpazifik. Ähnliche Farben, rosa-orange, hat Tönnissens hohe Keramikskulptur, die jetzt auf dem verwaisten Sockel einer alten Venusfigur steht. Bei näherem Hinsehen erkennt man in der Schotenform eine Vulva.
Durchaus passend, wenn man bedenkt, dass der romantische Weiher im Park nach der fatalen Liebesgöttin benannt wurde – Venusteich. Hingebungsvoll spielt dazu eine bunte Rokokofigur von Pia Stadtbäumer die Luftgitarre („Guitarman“). Miri Kim, eine Schülerin von Tony Cragg, schwärmt von Liebe und Ewigkeit mit zwei Keramiken, einem träumenden Kopf mit Schmetterlingsblüten und einem Fuß, der aus einem Baum zu ragen scheint, als habe sich da eine Nymphe verwandelt. Eine bunte, organische Form mit grünem Gruselhändchen von Malte Bruns bringt ein bisschen Ironie ins Spiel. Doch selbst ein nüchtern konstruiertes abstraktes Objekt wie der drei Meter hohe „Guard“ (Wächter) von István Csákány spiegelt die Natur und die Sehnsucht nach Arkadien.
Das Paradies ist nah
Die Skulpturenausstellung „Arcadia“ im Malkastenpark wird am Dienstag, 21. September, 18 Uhr eröffnet und ist bis 28. November zu sehen. Der Park kann täglich von 10 bis 20 Uhr besucht werden. Eingang (nach Einwurf einer Zwei-Euro-Münze) durch das Drehkreuz hinter dem historischen Jacobihaus, Jacobistr. 6A. www.malkasten.org