Düsseldorf: S(ch)ichtwechsel bei der Werkstatt für angepasste Arbeit
Die Puky-Fahrrädchen für die Jüngsten, das Besteck für die Patienten in der Uniklinik, das Scannen der Ablage für zahlreiche Firmen, die Montage von verschiedenen Produkten für die Industrie – kaum jemand in Düsseldorf weiß, welches breites Spektrum in der Werkstatt für angepasste Arbeit (WfaA) in Düsseldorf von den rund 1500 Menschen mit Behinderung und den fast 400 Beschäftigten gearbeitet wird. Um einen Eindruck davon zu vermitteln, was in Werkstätten und Betriebsstätten geleistet wird, beteiligt sich die WfaA regelmäßig an der bundesweiten Aktion S(ch)ichtwechsel. Am Donnerstag (16.9.) tauschten dabei Menschen mit und ohne Behinderungen für einen Tag ihren Arbeitsplatz und ermöglichten so einen Perspektivwechsel. Neben den Mitgliedern des NRW-Landtags Monika Düker, Stefan Engstfeld, Marco Schmitz, Markus Weske und Olaf Lehne waren am Donnerstag der Heimathafen-Chef Valentino Bilotta, Bürger- und Bäckermeister Josef Hinkel und Stadtdechant Frank Heidkamp im Einsatz.
„Wir freuen uns, dass wir so viele Teilnehmer*innen für den Aktionstag gewinnen konnten“, so WfaA-Geschäftsführer Thomas Schilder. „Ich denke dieser Perspektivwechsel ermöglicht einen guten Einblick in die Abläufe der WfaA und die Arbeit mit und für Menschen mit Behinderung.“
Ein Stadtdechant auf Schicht
Für Stadtdechant Frank Heidkamp startet seine Schicht um 7:54 Uhr am Empfang der Betriebsstätte in der Zülpicher Straße 8. Nach dem obligatorischen Desinfizieren der Hände müssen Gesundheitsfragebogen und Anwesenheitsliste ausgefüllt werden. Anschließend geht es quer durch die Werkstatt in einen Bereich, in dem es anfänglich deutlich ruhiger erscheint: Den Heilpädagogischen Arbeitsbereich. Hier sind Menschen beschäftigt, die einen erhöhten und besonderen Unterstützungsbedarf haben und dadurch auf individuelle Förderung angewiesen sind. Ziel ist es, für sie durch individuelle Gestaltung eine Teilhabe am Arbeitsalltag zu schaffen, damit sie positive Erfahrungen sammeln, Lebensfreude erleben und eine persönliche Bestätigung im Arbeitsleben bekommen. Der Stadtdechant wir sofort freundlich und unvoreingenommen von allen begrüßt. Da steigert sich der Geräuschpegel mit freudigen Lauten schon deutlich. Er erfährt, dass auch in dieser Gruppe produziert wird.
Die fünf Beschäftigten gießen Seifen, sortieren Gegenstände oder gestalten Papierbögen, aus denen später Geschenktüten gefaltet werden. Dabei unterstützen die Betreuer*innen, denn die Stärke der Einschränkungen ist unterschiedlich und auch die Motivation ist nicht jeden Tag gleich. Durch die Ausstattung mit Gruppen-, Snoezel-, Therapie-, Sport- und Pflegeräumen gibt es optimale Bedingungen für alle. Im Fokus stehen die Förderung aller Sinne, aber auch des Sozialverhaltens, der Selbstständigkeit und der Ausbau der Fähigkeiten im lebenspraktischen Bereich. Horst erzählt dem Stadtdechanten, dass er bereits seit 40 Jahren in der WfaA arbeitet und zu seinem Jubiläum von Geschäftsführer Thomas Schilder geehrt wurde.
Bereits nach kurzer Zeit ist Frank Heidkamp in die Gruppe integriert und spürt, hier ist der Mensch wichtig und nicht was er kann oder hat. Am Nachmittag zieht der Stadtdechant sein Fazit und bedankt sich für die Chance, die ihm dieser S(ch)ichtwechsel geboten hat. Nachdenklich erklärt er, dass es eigentlich das ist, was Kirche leisten sollte: Zu den Menschen gehen und zuhören, erfahren was bewegt und wo vielleicht Unterstützung oder Förderung nötig sind. Aber mit seinem Einsatz am Donnerstag ist der Schichtwechsel noch nicht vorbei. Denn der Gegenbesuch steht noch aus, der individuell terminiert werden wird. Heidkamp will dann zeigen, wie der Alltag eines Stadtdechanten aussieht und da gehört sicherlich auch eine Führung durch die Lambertus Kirche dazu.
Geschäftsführer Thomas Schilder freut sich, dass bei diesem Schichtwechsel so viele Politiker*innen aus dem Landtag dabei sind. Denn bei den Behindertenwerkstätten geht NRW einen Weg, der zu dem aller anderen Bundesländer unterschiedlich ist. Hier dürfen behinderte Menschen im Heilpädagogischen Arbeitsbereich tätig sein und Eigenprodukte herstellen. Der Betreuungsaufwand ist hoch, aber auch ihnen soll die Möglichkeit der Teilhabe gegeben werden. Regelmäßig wird das in der Politik diskutiert, denn natürlich ist dies mit finanziellem Aufwand verbunden. Doch NRW sollte stolz darauf sein, findet Schilder und eher die anderen Länder motivieren ebenfalls diesen Weg einzuschlagen. Die Werkstätten gestalten Arbeit so, dass Menschen mit Behinderungen an verschiedenen Orten und in vielfältigen Unterstützungs- und Bildungsangeboten am Arbeitsleben teilhaben können. Dabei kommt es auch vor, dass Beschäftige soweit qualifiziert werden, dass sie in normalen Betrieben wechseln können. Dazu gibt Kooperationen mit Firmen, in denen solche Eingliederungen probiert und etabliert werden. Eine Betreuung begleitet so lange, bis ein selbständiges Arbeiten möglich ist oder es zurück in die WfaA geht, wenn sich dies als besser herausstellt.
WfaA Düsseldorf
Die Werkstätten wurden am 29. Juni 1972 offiziell gegründet und feiern im nächsten Jahr ihren 50. Geburtstag. Es gibt sieben Betriebsstätten in Angermund, Rath, Heerdt, Hasses, Reisholz und im Südpark. Durch den Hofladen, das Café, den Minigolfplatz und den Streichelzoo sind besonders bei Familien der Südpark sehr beliebt. In allen Betriebsstätten zusammen arbeiten rund 1.500 Behinderte, die von fast 400 Mitarbeitenden betreut werden.
Zu den Arbeitsbereichen zählen
- Montagen aller Art
- Holzbe- und Verarbeitung
- Metallbearbeitung
- Elektromontage
- Kreativ-Werkstatt
- Konfektionierung und Verpackung
- Garten- und Landschaftspflege
- Digitalisierung, Datenverarbeitung, Scannen
- Büroservice und Versand
- Gastronomie und Großküche
- Café Südpark
- Hofladen Südpark
- Bauernhof mit Tieren
- Wäscherei und Näherei
- Hausdienste und Instandhaltung
- Lager und Logistik