Düsseldorf: Demonstration für Opfer von Hanau nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens
Rund 50 Teilnehmer*innen demonstrierten am Samstagnachmittag (10.7.) gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu den Umständen der Anschläge von Hanau und klagten damit das Verhalten der Justiz an.
Die Familien und Angehörigen der neun ermordeten Menschen in Hanau hatten nach dem rassistischen Anschlag am 19. Februar 2020 Rechenschaft gefordert. Sie werfen der Polizei Versagen vor, da der Notruf unterbesetzt war und es keine Notrufweiterleitung gab. Die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt. Es habe kein „strafrechtlich relevantes Fehlverhalten“ gegeben. In der Begründung heißt es, dass ein erreichbarer Notruf keine Garantie dafür gewesen sei, die neun Morde zu verhindern. Auf dem Handy vom Opfer Vili-Viorel PăuDie waren am Tatabend zwischen 21.57 und 21.59 Uhr fünf Anrufe verzeichnet, den Notruf 110 zu erreichen. Păun verfolgte den Täter im Auto und wurde später auf einem Parkplatz ihm erschossen. Die Staatsanwaltschaft führte in ihrer Erklärung an, dass der 22-Jährige sich „der Gefährlichkeit seines Tuns bewusst gewesen“ sein müsste.
Die Gruppe „Rise up for Justice Düsseldorf“ ist empört über die Aussagen der Staatsanwaltschaft. Die Attentate von Hanau seien schrecklich gewesen, aber nun die Untätigkeit Hessens und des deutschen Staats zu erleben, lässt die Düsseldorfer Gruppe auf die Straße gehen. Der Staat bereite Rassismus und Faschismus immer wieder den Nährboden und lasse rechten Terror zu, klagen sie in den Redebeiträgen an. Gerechtigkeit und lückenlose Aufklärung wird es nicht geben, befürchten sie und immer wieder werden die Rufe laut „no justice, no peace“.
Unterstützung bei ihrer Demonstration erhält „Rise up for Justice Düsseldorf“ von Ferat Ali Kocak, einem Aktivisten und Lokalpolitiker aus Neukölln. Er engagiert sich seit vielen Jahren in den Bereichen Antirassismus und Antifaschismus. 2018 wurde ein Brandanschlag auf sein Haus verübt und nur mit Glück wurde niemand verletzt. Die Täter sollen aus dem rechtsextremen Spektrum sein und wie er am Samstag vor dem DGB-Haus berichtet, gab es im Vorfeld sogar Hinweise auf die Tat – aber niemand hat ihn gewarnt. Er bezichtigt die Polizei und Staatsanwaltschaft der Zusammenarbeit mit den rechten Kreisen. Es gab bereits viele Anschläge, aufgeklärt wurde kein einziger. „Rassismus hat System“ betont Kocak und da auf die Polizei kein Verlass sei, müssten sich die Antifaschisten organisieren.
Bei der Kundgebung wurde der neuen Toten von Hanau mit einer Schweigeminute gedacht. Aber auch der Tod der 96-jährigen Esther Bejarano am Samstag, eine deutsche jüdische Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, ließ die Teilnehmer*innen gedenken. Bejerano hat sich als Antifaschistin bis zuletzt für die Bildungsarbeit und Erinnerungskultur eingesetzt. „Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah,“ diese Aussage brachte sie in viele Schulen, um der Jugend ihre Verantwortung zu verdeutlichen.