Düsseldorf: Der Majdanek-Prozess – 40 Jahre nach der Urteilsverkündung
Das Andreas Quartier ist heute eine Luxusherberge und kaum etwas erinnert an die Zeit zwischen 1975 und 1981, als in dem Gebäude der Majdanek-Prozess vor dem damaligen Landgericht verhandelt wurde. Anlässlich des 40. Jahrestags der Urteilsverkündung wurden am Mittwoch (30.6.) zwei Ausstellungen eröffnet, die die Verfahren gegen die ehemaligen Angehörigen der SS-Wachmannschaften betrachten. Ein Teil ist im Obergeschoss des Andreas Quartiers an der Mühlenstraße zu sehen, der andere im historischen Luftschutzkeller der Mahn- und Gedenkstätte. Am Abend erfolgte im Rahmen des asphalt-Festivals die Uraufführung von “IM PROCESS” des Theaterkollektivs “Pièrre.Vers”. Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen und Autorin Juliane Hendes thematisieren darin „das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte“.
Im Gebäude des heutigen Andreas Quartiers an der Mühlenstraße war früher das Amts- und Landgericht
Der Prozess
Unter der Aktennummer 8 Ks 1/75 begann am 26. November 1975 einer der längsten und aufwändigsten Gerichtsprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte: Der Majdanek-Prozess im Land- und Amtsgericht der Stadt Düsseldorf. Vor Gericht wurden ehemalige SS-Wächter und KZ-Aufseherinnen des Konzentrations- und Vernichtungslagers Majdanek in Polen für ihre Taten angeklagt.
Heinrich Fucks, Superintendent des Evangelischen Kicheskreis Düsseldorf, bei der Ausstellungseröffnung
Im Konzentrationslager Lublin-Majdanek wurden zwischen Herbst 1941 und der Befreiung im Sommer 1944 rund 80.000 Menschen durch Misshandlungen, Sklavenarbeit, Hunger und Seuchen, aber auch durch Massenerschießungen und Vergasungen ermordet. Die meisten der Opfer waren waren polnische Juden. Bis der Prozess beginnen konnte wurde über 15 Jahre recherchiert, Personen vernommen und Zeugen befragt. Letztlich gelang es nur 15 von über 2500 Personen anzuklagen, denn viele Täter*innen waren 30 Jahre nach Kriegsende untergetaucht, verstorben oder zu krank, um sie vor Gericht zu stellen.
Am Mittwoch wurden die Ausstellungen eröffnet
Aufarbeitung der Düsseldorfer Geschichte
Was sich dann vor Gericht abspielte, sorgte für internationales Medieninteresse, Entsetzen bei Opferverbänden und für Proteste im Schwurgerichtssaal, vor dem Gerichtsgebäude und in der Altstadt. Es gab offene Sympathiebekundungen für die Nazi-Herrschaft aus dem Zuschauerraum und bei den Verteidigern, Zeugen wurden systematisch eingeschüchtert und die verkündeten Urteile empfanden viele als zu mild. Schüler*innen, die das Verfahren mitverfolgten, sorgten nach dem Prozess dafür, dass die Aufarbeitung der Düsseldorfer Geschichte aufgenommen wurde. “Für die Entstehungsgeschichte unseres Hauses ist der Prozess wichtig: Das Thema Nationalsozialismus wurde damals in der Stadt so präsent, dass der Wunsch nach einer eigenen Gedenkstätte als Lernort und Forschungsinstitut entstand. Unser Haus wäre 1987 wohl nicht ohne das Majdanek-Verfahren eröffnet worden”, so Gedenkstätten-Leiter Dr. Bastian Fleermann.
Dr. Bastian Fleermann gab Eindrücke vom Lager Majdanek und dem Prozess wieder
Veranstaltungsreihe
Mit zwei Sonderausstellungen erinnert die Mahn- und Gedenkstätte an den Düsseldorfer Majdanek-Prozess (1975-1981), dessen Urteilsverkündung am Landgericht an der Mühlenstraße sich am 30. Juni, zum 40. Male jährt. Sie sind Bestandteil einer Veranstaltungsreihe, die in Kooperation zwischen der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, der Evangelischen und Katholischen Kirche und der Mahn- und Gedenkstätte in Düsseldorf stattfindet.
Die Ausstellung im Andreas Quartier
Ausstellung im Andreas Quartier
Noch bis zum 20. August zeigen im Obergeschoss des Andreas Quartiers an der Mühlenstraße 34, dem ehemaligen Sitz des Land- und Amtsgerichts, vier Leuchtkörper mit insgesamt acht Einheiten die Geschichte des Lagers Majdanek, den langen Weg zum Düsseldorfer Verfahren, den Prozess selbst und dessen Nachwirkungen. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Andreas Quartier und kann dort tagsüber ohne Anmeldung besucht werden. Während des Besuchs muss eine medizinische Maske getragen werden.
Die Ausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte
Minka Hausschild – Portraits
Bis zum 10. September sind im historischen Luftschutzkeller der Mahn- und Gedenkstätte, Mühlenstraße 29, Nachdrucke und digitale Kopien der Majdanek-Portraits der Künstlerin Minka Hauschild zu sehen. Auf der Grundlage des Dokumentarfilms “Der Prozess” von Eberhard Fechner (D, 1984) malte die Düsseldorfer Künstlerin 43 Portraits der Prozessbeteiligten. Die Bilder waren von 2013 bis 2018 Teil der Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin. Der Besuch der Mahn- und Gedenkstätte ist ohne vorherige Terminbuchung möglich. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags und sonntags 11 bis 17 Uhr, samstags 13 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Bei der Ausstellungseröffnung gab es eine kurze Szene aus dem Theaterstück
IM PROCESS
Die Produktion “IM PROCESS – Ein performativer Akt zu Majdanek III” des Theaterkollektivs Pièrre.Vers taucht tief in das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte ein und gibt Einblick in die Verhandlungen vor dem Düsseldorfer Landgericht. Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen und Autorin Juliane Hendes stellen eindrückliche Zeug*innenaussagen dem juristischen Aufarbeitungsanspruch gegenüber. Das Stück wird zunächst im Rahmen des Düsseldorfer asphalt-Festivals aufgeführt.
Zeitzeuge Rechtsanwalt Dieter Hanschel
Zeitzeugengespräch und Diskussion
In Planung ist noch ein Zeitzeugengespräch mit dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Dieter Hanschel, der als Pflichtverteidiger eines angeklagten SS-Aufsehers an dem sechs Jahre dauernden Prozess beteiligt war. Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe ist am 17. August eine Podiumsdiskussion mit dem damaligen Staatsanwalt OStA Wolfgang Weber im Foyer des heutigen Landgerichts Düsseldorf, Werdener Str. 1, vorgesehen.
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