Licht, Ordnung, Schönheit: Heinz Macks Werk im Düsseldorfer Kunstpalast
Der Schönheit zu huldigen, ist leider unmodern. Wie man nicht nur in der Düsseldorfer Aufregerschau „Empört Euch!“ sehen konnte, quält sich die neue Kunst in ihren politisch korrekten Konzepten mit gesellschaftlichen Problemen ab. Dabei sehnt sich der Mensch gerade jetzt, nach einem Jahr der Seuche, der Ängste und des Gezänks, nach geistiger Erholung. Stille, Licht, Abstraktion – das braucht die Welt wie vor über 60 Jahren, als ein paar junge Künstler in Düsseldorf zum Nullpunkt zurückgingen und den Schrecken der Vergangenheit sowie dem Chaos der Gegenwart die Idee von ZERO entgegensetzten. Führender Kopf war Heinz Mack, der am 8. März seinen 90. Geburtstag feiert – mit einer wunderbaren, befreienden Ausstellung im Kunstpalast.
Früh und spät: Aus den 1950er-Jahren stammen die hohen Holzskulpturen von Heinz Mack neben der „Artistin“ aus Edelstahlringen von 2007 (links).
Die Inzidenz lässt uns gnädig etwas Luft holen. Wer ein Zeitfenster bucht, darf ab Mittwoch, 10. März, leibhaftig die Hallen am Ehrenhof besuchen. Und das Gefühl genießen, selbst vor Kunst zu stehen und sich durch Räume zu bewegen, die so lange nur eine flache Wahrnehmung auf Monitoren waren. Wie schön, dass die sinnliche Erfahrung, die Heinz Mack uns schenkt, die alltäglichen Realitäten hinter sich lässt. Mit gegenstandsloser Ordnung, glühenden Farben, Glanz und Schatten erzeugt der Künstler eine meditative Leichtigkeit, eine Klarheit und zugleich ein Kraftfeld für den erschöpften Geist.
Einfachheit erzeugt Energie
„Ich habe immer die Einfachheit gesucht“, so wird Mack im Katalog von Matthieu Poirier zitiert: „Denn die Welt ist angefüllt mit Bildern, die Verwirrung stiften. Aber diese Einfachheit ist nicht gleichzusetzen mit Verarmung – sie erzeugt Energie.“ Und von Energie versteht er was: Heinz Mack, der in Mönchengladbach und auf Ibiza lebt, schnelle Autos und grandiose Aktionen liebt und bis heute jeden Tag ins Atelier geht, ein Nimmermüder.
Glitzernde Verheißung: Stelen und Wandobjekte aus der ZERO-Zeit von Heinz Mack (1960er-Jahre)
Die Schau geht zurück an den Anfang, in die Mitte der 1940er-Jahre, als Nazi-Terror und Krieg die Moral und ganz Europa verwüstet hatten. Da lieh sich der weizenblonde Heinz, gerade mal 14 Jahre alt, die Leica von seinem Onkel Albert, zog hinaus auf die Felder vor seinem hessischen Geburtsort Lollar und fotografierte die strengen Linien, die er beim Spazierengehen fand. Man steht staunend vor den Zeugnissen einer frühreifen künstlerischen Erkenntnis, die den Jungen wegführte von dem verlogenen Pathos jener katastrophalen Epoche, die zu Ende ging. Ackerfurchen in Reih und Glied, dürre Fichtenstämme, leicht verschneites Heu mit einzeln erkennbaren Halmen. Aus solchen Vorbildern schuf er ein Jahrzehnt später große stilisierte Holzskulpturen, die er „Das hohe Gras“ oder „Großes Wiesenstück“ nannte – eine Verneigung vor der Natur.
Glitzernde Verheißung: Stelen und Wandobjekte aus der ZERO-Zeit von Heinz Mack (1960er-Jahre)
Rhythmus von Natur und Musik
Als die fein polierten Stücke entstanden, hatte der junge Mack bereits ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie absolviert und studierte noch Philosophie in Köln, um schließlich sein ordentliches Examen als Kunsterzieher zu machen. Doch im Rückblick geht es um die künstlerische Freiheit, die er auslebte, nachdem er 1955 mit seinem Freund und Kommilitonen Otto Piene ein Atelier an der Gladbacher Straße bezog. Kuratorin Heike van den Valentyn hat interessante Stücke aus dem Frühwerk herausgesucht, die allesamt inspiriert sind von Natur und auch von Musik. Mack spielt so gut Klavier, dass er zeitweise Pianist werden wollte. Man kann den Rhythmus einiger Werke aus den 1950er-Jahren durchaus als optische Musik betrachten: ein „Schwarzes Relief“ mit Tastenstruktur, eine „Lamellen-Skulptur mit acht Sägeblättern“.
Der silberne Fächer („Silver-Fan“) von 2014 ist eine Hommage an Macks Kunstaktion in der Arktis 1976.
Wie von selbst ergaben sich Experimente mit beweglichen Elementen. Ein „Weißer Rotor“ mit kristallinen Faltungen dreht sich hinter Wellenglas vor durchscheinendem Licht (1958). Piene und Mack hatten ZERO erfunden und proklamierten: „Zero ist der Anfang … Zero fließt … Schweigend. Schwebend.“ Neben einem glitzernden Wäldchen von Lichtstelen aus Acrylglas und Aluminium drehen sich silberne Scheiben und Stäbe in einem schwerelosen „Rondo“ (1963) und zaubern ein Schattenspiel auf die Wände, angetrieben von versteckten, lautlosen Elektromotoren.
Wo die Silbersegel glitzern
„Zero Zero Regenbogen … Gold und Silber, Schall und Rauch Wanderzirkus Zero“: Obgleich sich die Gruppe, zu der später auch Günther Uecker stieß, nach der Documenta 1964 wegen auseinanderstrebender Entwicklungen langsam auflöste, blieb Mack immer ein Meister des Zero-Gedankens. Er ließ Lichtreliefs glitzern, „Dynamische Strukturen“ leuchten, baute Reflektorwände für die Ballettbühne und hisste silberne Stahlsegel für einen Brunnen mitten in Düsseldorf.
Auftritt in der Wüste: Ein Bodenrelief vor einem wandhohen Foto erinnert an Macks Sahara-Expedition 1976.
Aber er wollte auch hinaus aus den Städten, wollte Himmel, Erde und Meere feiern auf seine Art. Der 1968 gedrehte Film „Tele-Mack“ zeigt ihn in voller Aktion, wie er im offenen Sportwagen dahinsaust (damals noch ein unschuldiges Vergnügen) und silberne Scheiben auf dem Rücken ins sonnenglitzernde Wasser trägt. Auch in der Sahara, davon träumte er schon 1959, ließ Mack seine Kunst leuchten. Bei einer Expedition nach Algerien im März 1976 machte Stern-Fotograf Thomas Höpker einige spektakuläre Aufnahmen. Ein wandhohes Foto zeigt den Künstler im Silberanzug, wie er zwischen goldbraunen Sandhügeln steht und eine glänzende Folie wie eine Fahne in den Wind hält. In der Wüste, sagt er, sei „die Landschaft so stark, dass ich sie nicht überwinden, sondern vielmehr spiegeln muss“.
Was der Wind zeichnet
Auch der Wind zeichnet mustergültig – Mack würdigte das mit einigen Sandreliefs. Deren warme Farbe weicht einem kühlen Blau/Türkis, denn der nächste Teil der Ausstellung führt uns in die Arktis, wo Mack im Juni 1976 seine Objekte auf Eis stellte, dazu Pyramiden und ein Feuerfloß schwimmen ließ. „Ob Eiswüste oder Dünenmeer – die Reinheit und Grenzenlosigkeit des Raums ist identisch“, äußerte er dazu. Man kann es sich vorstellen: Mit gebogenen Wänden und Folientapeten erzeugt die kreativ gebaute Ausstellung eine Illusion von Kunst-Natur-Erlebnis.
Das große Leuchten: Mack betrachtet „Ikonostasis für Lichtfarben“ von 2007 als abstraktes Offenbarungsbild.
Der „Epilog“ schließlich zeigt, dass Heinz Mack im Alter nichts von seiner Kraft verloren hat. In der Mitte schimmert ein Edelstahlsegel, in dem sich Bilder spiegeln, deren Farbfelder nur so leuchten. Mack nennt das nüchtern „Chromatische Konstellationen“, gibt aber einem der Bilder den Obertitel „Ikonostasis“ nach jener mit Ikonen geschmückten Wand, die in griechisch-orthodoxen Gemeinden den Altarraum vom inneren Kirchenschiff trennt. Mack kennt keine figürlichen Kultbilder. Er schuf eine abstrakte Offenbarung, Farbe und Licht sind sein Gebet. Und das Publikum darf sich ruhig andächtig fühlen.
Das Museum öffnet sich
„Endlich wieder Kunst“ ist die Parole am Ehrenhof. Die Ausstellung zum 90. Geburtstag von Heinz Mack (bis 30. Mai) wird am kommenden Montag, 8. März, um 19 Uhr, in Anwesenheit des Künstlers eröffnet – allerdings nur digital. Mit ein paar Klicks auf der Website www.kunstpalast.de kann man live dabei sein. Katalog: 29,80 Uhr. Und ab Mittwoch, 10. März, gibt es die Chance auf einen echten Besuch der Ausstellung im Kunstpalast am Ehrenhof 4-5, Di.-So. 11 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Unter Corona-Bedingungen natürlich. Ab 8. März wird die Reservierung freigeschaltet, man soll online Zeitfenster buchen: www.shop.kunstpalast.de