Werk ohne Publikum: Evelyn Taocheng Wang im Kunstverein Düsseldorf
In der Kunst ist derzeit alles nur Fassade. Man sieht wehmütig von außen, was man drinnen so verpasst. An der linken Seite der immer noch geschlossenen Düsseldorfer Kunsthalle zieht ein ungewöhnliches Plakat die Blicke auf sich: die Vergrößerung einer aquarellierten Zeichnung, sehr zart, auf der sich einige Frauen um eine Art Rahmen mit kreisförmiger Öffnung versammeln. Das ist das „Reflection Paper“ von Evelyn Taocheng Wang. Die 40-jährige Chinesin mit Wohnsitz in Rotterdam hat im Kunstverein eine subtile Ausstellung installiert, die sie gestern digital den Medien präsentierte.
Außen sieht man, was man drinnen verpasst: Plakat von Evelyn Taocheng Wang an der Düsseldorfer Kunsthalle.
Da die Schau schon vor Wochen fertig war und eigentlich Mitte März schon wieder zu Ende sein sollte, ist die virtuelle Vorstellung ein Akt der Verzweiflung. Eva Birkenstock, Kunstvereinschefin und Kuratorin, will bis April verlängern und kann nur hoffen, dass die Kulturhäuser öffnen dürfen, ehe alles unbeachtet wieder verschwindet. Werk ohne Publikum – typisch für die Corona-Epoche. Demnächst soll es wenigstens online einen kleinen Einblick für alle geben. Und bis dahin versuchen wir mal, uns aus der Distanz einzufühlen in die Welt von Evelyn Taocheng Wang, die Malerei und Kunsttheorie in China und Frankfurt studiert hat und es schafft, intellektuelle Konzepte und traumwandlerische Fantasien zu vereinen.
Unter zarten Markisen, sanft beleuchtet, zeigt die Künstlerin ihre Zeichnungen in langen Vitrinen.
Omas positive Energie
„Ich bin eine sehr unsichere Person, wankelmütig und launisch“, so wird Wang vom Kunstverein zitiert. Dabei macht sie einen gestandenen Eindruck in ihrem karierten Jackett, auskunftsfreudig, kein bisschen labil. Es sind wohl eher die künstlerischen Eingebungen, die unkontrollierten Gefühlen folgen dürfen, bevor sie in eine ästhetische Form gebracht werden. Das Ergebnis ist auf spröde Art schön und überaus originell. In einer langen Vitrine unter einer duftigen Markise liegen, von einer Reihe Nachttischlampen sanft beleuchtet, zeichnerische Arbeiten, die Frauen, Bäume und aufblühende Blumen zeigen. Es geht um Feminismus und magische Geschichten, kein Widerspruch für Wang.
Ein Kleid wie eine Oma-Unterhose: Auch diese Kreation gehört zu Wangs Kunstkonzept.
Denn ihre Inspiration ist nicht festgelegt: Sie nährt sich von japanischen Mangas, chinesischen Tuschzeichnungen, westlichen Spielfilmen, Geishas und Superman, Philosophen und ihrer Großmutter. Im Geiste der alten Dame und um „eine positive Energie“ zu erzeugen, hat die Künstlerin einige Kleider in Form überdimensionaler Oma-Unterhosen schneidern lassen. Auf Wäscheständern sind die Kreationen arrangiert, während an der Tür ein dunkelblauer Wang-Overall mit männlich-herbem Schnitt hängt. Eva Birkenstock trägt so ein streng geschneidertes Unisex-Modell, weibliche Stereotypen werden damit modisch-spielerisch beseitigt.
Abstraktion und Lidschatten
Dabei hat Wang durchaus Freude an typisch weiblichen Accessoires. Eine schwebende Puderdose spielt auf manchen Zeichnungen eine Rolle, und einige berückend schöne abstrakte Arbeiten aus Reispapier wurden mit Lidschatten-Farben bemalt. Auf surrealen Videos zeigt Wang allerlei Zeitungsfotos, Nippes-Figuren, eine lesende Figur in einer Baumkrone und andere Rätsel. „You can’t find the narrative“, bemerkt sie verschmitzt, nach einer klaren Aussage sucht man vergebens. Einzelne handgeschriebene Sätze, die auf ihren Bildern erscheinen, sind eher kalligraphische Zeichen und Assoziationen als Bedeutungsträger, das gilt auch für Schopenhauer und sein Wort von der „Welt als Wille und Vorstellung“.
Geisha trifft Superman im Park: Einige der surrealen Bilder von Evelyn Taocheng Wang sind von westlichen Filmen inspiriert.
Aber suchen, vermuten und diskutieren könnte man viel, wenn man die Ausstellung besuchen dürfte. Eine ganze Reihe von Zeichnungen bezieht sich auf Gedichte von Ingeborg Bachmann, die Worte werden selbst zur Skizze: „Schatten Rosen Schatten“. Als Garten der Reflexion sieht Wang eine Installation von weißen Quadern und kreisförmigen Toren (wie auf dem Fassaden-Plakat). Hier darf man verweilen und Atem holen. Im Hintergrund hängen wunderbar leichte Bilder mit transparenten Farbstreifen. Wang hat einige poetische Abstraktionen der kanadischen Malerin Agnes Martin (1912-2004) auf feinste Art in vielen Farbschichten kopiert und mit ihrer speziellen Signatur versehen. Sie habe sich damit gequält, sagt Wang, „um so weise zu werden, wie Agnes Martin es war“. Ob das gelungen ist, kann nur die Künstlerin selbst beurteilen.
Im Garten der Reflexion ruht sich die Künstlerin aus. Im Hintergrund: Wangs Kopien von Agnes Martins abstrakten Bildern.
Informationen
„Evelyn Taocheng Wang: Reflection Paper“. Die Ausstellung im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in der Kunsthalle am Grabbeplatz wird „sobald wie möglich“ eröffnet und dann vermutlich bis Mitte April zu sehen sein. Ab Donnerstag, 18. Februar, 17 Uhr, soll es wöchentlich Online-Führungen durch die Ausstellung geben. Anmeldung unter huewe@kunstverein-duesseldorf.de