Düsseldorf – Kalifornien in knapp 6 Stunden: Erfrischender Winterurlaub an der lateinamerikanischen Ostseeküste
Es ist noch kein Jahr her, da berichtete ein Fernsehsender über „Calidreams in Düsseldorf“, ein Ort, wo man für 29 Euro auf 1 500 Quadratmetern zwei Stunden lang in über 25 Kulissen posen und die exotischen Bilder dann auch sofort posten konnte. Das ist es doch, worauf es heute ankommt: Ein Urlaubsziel muss instagrammable sein. Auch wenn’s Fake ist – oder gerade dann.
Eine Postkarte aus Kalifornien mit deutschem Poststempel – hier ist es möglich
Moin, Moin auf kalifornisch
Um Bilder aus Kalifornien oder Brasilien „reinzustellen“, braucht man heute nicht weit zu fliegen. Geht ja gerade sowieso nicht. Wenn die Corona-Regeln erst mal wieder gelockert werden im eigenen Land, kann man sich spontan ins Auto setzen und ist – wenn man gut durchkommt auf der Hansalinie und im Elbtunnel – in knapp 6 Stunden in Kalifornien. An der Ostsee. Fremdsprachenkenntnisse braucht man hier auch nicht, bis auf: „Moin, Moin“. So wird man hier den lieben langen Tag begrüßt. Wer dann nicht den Fehler macht und einfach „gut“ sagt, ist schon halb eingemeindet. Die korrekte Antwort ist, einfach nachsprechen: „Moin, Moin“.
Schönberg ist eine Gemeinde in der Probstei im Kreis Plön in Schleswig-Holstein an der Kieler Bucht
Zwei Fischer waren Namensgeber
So einfach kommt man nach Kalifornien und dort zurecht. Doch wie kam Kalifornien an die Ostsee? Die Sage geht so: Eines Tages fischte ein Fischer am Schönberger Strand, das ist nicht weit von Kiel, nach einem Sturm Wrackteile aus der Ostsee. Auf einer morschen Planke konnte man gerade noch California entziffern. Die nagelte er sich über seine Tür und erweckte damit nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch den Neid eines Nachbarn, der sich sogleich ein gutes Stück Brennholz aus der Kiste angelte, Brasilien draufschrieb und damit seinerseits seine Hütte dekorierte.
Seitdem heißen die Küstenabschnitte zwischen Buhne 27 und 35 am Schönberger Strand offiziell so, auf Land- wie auch auf Ansichtskarten. Mit den Jahren kamen noch weitere dazu: Bolivien und, oh wie schön, Panama. Mit dem Rad durch Lateinamerika in weniger als einer Stunde, vorbei an Kalifornien mit weniger als 500 Einwohnern. Brasilien hat gerade mal 20, dafür haben aber beide viel Platz hinterm Deich für Wohnwagen und Wohnmobile (nicht wenige mit Kennzeichen aus NRW) und Imbissbuden in den Landesfarben der Namensgeber. Beide Ortsteile gehören wie auch Neuschönberg, Schönberger Strand und Holm zum Ostseebad Schönberg.
Der Strand lädt zu sportlichen Aktivitäten ein
Strandvergnügen
Bevor Corona kam, wurden am Schönberger Strand auch brasilianische Nächte gefeiert. Jetzt sucht man dort eher Ruhe und Sicherheit in guter Luft und schöner Landschaft. Was nicht heißt, dass nichts los wäre. Wenn die Ostsee, die manchmal ruhig wie ein Ententeich da liegt, sich im Herbst über Nacht in ein wildes Meer verwandelt, lösen die Kite-Surfer die Stand-up-Paddler ab und sorgen für einen bunten bewegten Himmel. Wellenreiten, Tretbootfahren, Stand-up-Paddeln, Segeln, alles ist möglich für Anfänger und Fortgeschrittene. Was man braucht, kann man mieten. Auch Angeln ist möglich, vom Kopf der Seebrücke am Schönberger Strand oder mitten in der Brandung.
Außerdem ist der exotische Teil der Ostseeküste ausgesprochen familienfreundlich. Sechs Kilometer feinsandiger, flach ins türkisfarbene Wasser abfallender Strand mit vorgelagerten Sandbänken. Ferienwohnungen und Häuser gibt’s in sämtlichen Preisklassen, von der einfachen Hütte bis zur Villa mit Whirlpool und Sauna. Wenn man Glück hat, gehört ein Strandkorb zum Mietvertrag.
Kultur, Historie und mehr
Früher war’s allerdings vornehmer. Die eigentliche Karriere dieses Küstenabschnitts begann mit der Eröffnung der Kiel-Schönberger Eisenbahn 1897. Drei Verbindungen gab‘s am Tag. Nach dem Vorbild des britischen Brighton entwickelte sich an der Ostseeküste eine vornehme Badekultur mit eigener Mode, Sitten und Gebräuchen wie Badekarren und Zwickelerlass.
Die Fischer fahren immer noch hinaus
Das war schon damals keine arme Gegend hinterm Deich. Schönberg gehörte als Zentrum mit 19 weiteren Dörfern zur Probstei im Kreis Plön und unterstand den Benediktinerinnen des Klosters Preetz. Die Verwaltung lag beim Probst, daher der Name. Die Bauern waren Erbpächter, mussten Abgaben leisten, waren aber keine Leibeigenen, also frei. Im Probstei-Museum in Schönberg, einem der ältesten Höfe der Gegend kann man mehr über die Geschichte der Gegend erfahren – besonders über ihre starken Frauen der Gegend.
Im Museumsbahnhof Schönberg ist heute noch eine Zeitreise durch die Ära von Dampf- und Diesel-Loks möglich, einschließlich einer vier Kilometer langen historischen Eisenbahnfahrt während der Sommersaison. Zu Nikolaus und zum Jahresausklang – Kalifornien und Brasilien sind beliebte Winterziele – werden Sonder-Züge eingesetzt. Für Familienfeste kann man die Museumsbahnen chartern.
Spaziergänge auf dem Deich
Bei Schiet-Wetter, das es ja eigentlich nicht gibt am Meer, kann man Ausflüge ins Umland machen: in Laboe ins U-Boot klettern, in Scharbeck Kerzen ziehen, in Stolze lernen, Kalksteine zu schleifen, im über 500 Jahre alten Gut Panker stilvoll shoppen und Sterne-Küche genießen in der „Ole Liese“, oder einfach(er) im Lutterbeker, Kultkneipe mit Galerie und Programm, einen Happen nehmen. In Plön, der Stadt der Seen-Sucht, ist’s schön und bis Kiel nur ein Katzensprung zum Große-Pötte-gucken, Container- und Fährschiffe.
Gaumenfreuden
Kulinarisch ist die Küste ein Paradies für Fischfreunde, am liebsten rustikal gleich an der Räucherbude. Da leuchten die goldenen, lecker gefüllten Rollmöpse, ist der Heilbutt butterzart, der Lachs herzhaft gepfeffert. Dazu knusprige Bratkartoffeln, ein Klecks selbst gemachte Remoulade, ein Flens(burger) aus der Bügelflasche, und der Tag ist perfekt. In der Barkasse, deren stilvolle Inneneinrichtung allein schon ein Augenschmaus ist, gibt’s in der Saison jeden Donnerstag „Muscheln satt“. Und in „Omas Kaffeestuuv“, eine gemütliche Kate mit Kaffeegarten, kommen die Süßmäuler von weit her, der üppigen Torten wegen.
Natürlich gehören hier auch die Schafe zur Landschaft
„Hat’s geschmeckt“, fragt Nina in die Runde in der Bodega Las Tapas am Schönberger Strand. „Köstlich! Wie auf Gran Canaria!“ schallt es spontan zurück. Die Gruppe wollte eigentlich auf die Kanaren, ist nun in Kalifornien gestrandet und findet’s gut. Geschickt stapelt die Hausherrin, blonde Deern statt dunkle Donna, die leergeputzten irdenen Schälchen übereinander und erzählt, wie sie so über die Runden kommt in Corona-Zeiten: „Bis März haben wir dieses Jahr renoviert, mein Vater hat mir das Fliesenlegen beigebracht. Dann war ein Tag nach der Eröffnung schon wieder Schluss.“ Als es Wochen später dann doch losging „haben wir erweitert und den ganzen Sommer Kaffee und Kuchen zum Mitnehmen an den Strand angeboten. Das lief prima.“
Damit war die urige Kneipe zwar wirtschaftlich noch nicht über’n Berg, aber zumindest schon mal über’n Deich. Als die Lockerung kam, brummte die Bodega, Weihnachten waren Kalifornien und Brasilien so gut wie ausgebucht. Aber jetzt sind die Schotten erst mal wieder dicht, die Küstenbewohner unter sich. Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum und auch im privaten Raum soll möglichst auf Treffen verzichtet werden. Veranstaltungen sind nur noch erlaubt, sofern sie nicht der Unterhaltung dienen, also beruflichen Zwecken. Wochenmärkte mit Lebensmittelverkauf) sind weiterhin erlaubt – und empfehlenswert. Tipp: Moor-Rüben, Möhren im Moor gewachsen mit einem speziellen Aroma.
Die Möhren aus dem Moor haben einen ganz besonderen Geschmack
Corona und die zeit danach
Mund-Nasen-Schutz ist auch an der Ostsee vorgeschrieben im Einzelhandel, ÖPNV, Fußgängerzonen, Haupteinkaufsbereichen und innerörtlichen Bereichen, in denen das Abstandgebot nicht eingehaltenen kann. Das gilt auch für die Schönberger Seebrücke an den Wochenenden zwischen 12 bis17 Uhr.
Aber Californian Dreaming läßt sich ja weiterträumen – vielleicht wird‘s ja schon im nächsten Frühling wieder wahr.
Hier geht es zu weiteren Informationen.
Kontakt für Touristen: Schönberger Strand, Telefon 0 43 44 – 41 41 0 und Tourist-Service Kalifornien, Telefon 0 43 44 – 18 38 oder Mail info@schoenberg.de