Düsseldorf: Dezentral und doch gemeinsam – Gedenken an den Novemberpogrom 1938
Eine gemeinsam Gedenkstunde mit Kranzniederlegung wird es in diesem Jahr anlässlich des Novemberpogroms 1938 nicht geben können – die Corona-Lage verhindert dies. Doch stattdessen gibt es dezentrale Aktionen im öffentlichen und in digitaler Form, um an die Ereignisse des 9. und 10. Novembers 1938 zu erinnern. So hat jeder die Möglichkeit zu gedenken.
Das Gedenken am Gedenkstein an der Kasernenstraße kann in diesem Jahr nicht wie bisher mit vielen Menschen stattfinden
Gemeinsam stellten die Jüdische Gemeinde, die katholische und evangelische Kirche, die Mahn- und Gedenkstätte, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und Oberbürgermeister Thomas Geisel die Pläne für das diesjährige Gedenken vor. Alle mitwirkenden Akteure haben gemeinsam beschlossen, weder den ökumenischen Gedenkgang noch die offizielle Gedenkstunde der Landeshauptstadt im Rathaus durchzuführen. "Dennoch ist auch in Zeiten der Pandemie das Gedenken an die Ereignisse des 9. und 10. Novembers 1938 in unserer Stadt wichtig“, betonte Oberbürgermeister Thomas Geisel. "Daher haben wir mit allen Partnern ein ausdrucksstarkes, aber dezentrales Konzept entwickelt, das unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes die gesamte Stadtgesellschaft einbindet."
Wie Dr. Andrea Ditchen von der Mahn- und Gedenkstätte zusammenfasste: „Dezentral und doch gemeinsam“ sind verschiedene Aktionen geplant, die unter dem Motto "Düsseldorf erinnert" stehen. Sie starten am 28. Oktober und gehen bis zum 16. November. Alle Interessierten sind eingeladen, sich differenziert mit den Ereignissen des Pogroms auseinanderzusetzen.
Plakataktion "Düsseldorf erinnert"
Zwei eindrückliche Plakatmotive erinnern im Stadtgebiet an die Ereignisse des Novemberpogroms. "24 Stunden: 450 Überfälle, 70 Verletzte, 13 Tote" fasst das erste Plakat die traurige Bilanz des Pogroms in Düsseldorf zusammen. Die Aussage der Zeitzeugin Hanna Zürndorfer auf dem zweiten Plakat führt vor Augen, was sich konkret dahinter für die betroffenen Menschen verbarg: "Sie rasten durchs Zimmer und zertrümmerten, zerschmetterten, zertrampelten alles." Ihr Zitat beschreibt die physische Zerstörung, aber auch das Zerbrechen jeglichen Sicherheits- und Heimatgefühls jüdischer Düsseldorferinnen und Düsseldorfer innerhalb dieser 24 Stunden.
Die Plakate werden in den Kirchen, der Stadtverwaltung, an Plakatwänden, bei der Altstadtgemeinschaft und auch bei der Polizei aushängen. Die gesamte Düsseldorfer Stadtgesellschaft, jede Bürgerin und jeder Bürger kann ebenfalls an der Plakataktion teilnehmen. "Hängen Sie ein Plakat in ihr Fenster, ihren Schaukasten, ihr Geschäfts- oder Restaurantfenster, an ihre Haustür oder das Schwarze Brett und machen Sie auf diese Weise sichtbar, dass Düsseldorf erinnert", appellierte Dr. Andrea Ditchen. Beide Plakatmotive stehen auf den Internetseiten aller Partner und unter www.duesseldorf.de ab sofort zum Download und Selbstausdruck zur Verfügung. Zudem sind die Plakatmotive, im DIN-A3-Format gedruckt, im Haus der Kirche, im Maxhaus, in der Mahn- und Gedenkstätte und im Rathaus zu den jeweiligen Öffnungszeiten kostenlos erhältlich. Aus Gründen des Infektionsschutzes werden insbesondere der Download und Selbstausdruck empfohlen.
Die beiden Plakate, die zur Verfügung gestellt werden
Digitalaktion mit Zeitzeugen: "Es geschah in Düsseldorf"
Vom 28. Oktober bis zum 16. November werden täglich Beiträge mit Zitaten von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen veröffentlicht, um die Ereignisse in Düsseldorf zu beleuchten. Die Zitate wurden von Mitarbeitenden der Mahn- und Gedenkstätte eingesprochen, die so den Zeitzeugen eine Stimme verleihen. Der Zeitrahmen umfasst die historischen Ereignisse der Polenaktion am 28. Oktober 1938, das Attentat auf Ernst vom Rath am 7. November, den Pogrom am 9./10. November und schließlich die Deportation von 80 Düsseldorfern in das Konzentrationslager Dachau am 16. November 1938. Die Aussagen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen beschreiben die jeweiligen Tagesereignisse und ihre Folgen, reflektieren aber auch den zunehmenden Verlust von Sicherheit und das Wachsen von Angst und Verzweiflung. Die Digitalaktion "Es geschah in Düsseldorf" ist als Hörbeitrag über den Youtube-Kanal der Mahn- und Gedenkstätte (kurzelinks.de/duesseldorf-erinnert), Facebook (www.facebook.com/MahnundGedenkstaetteDuesseldorf) oder Instagram (www.instagram.com/mahn_und_gedenkstaettedus) zugänglich. Wer die Beiträge als täglichen Newsletter zur Selbstlektüre erhalten möchte, kann sich unter gedenkstaette@duesseldorf.de dazu anmelden (der Newsletterbezug endet automatisch am 16.11.2020).
Ökumenischer Gedenkgottesdienst, auch im Livestream
Für Stadtdechant Pfarrer Frank Heidkamp und Superintendent Pfarrer Heinrich Fucks ist es ein besonderes Anliegen, einen ökumenischen Gedenkgottesdienst in Erinnerung an die Opfer des Pogroms zu halten. Der gemeinsame Gottesdienst ist für Montag, 9. November, 19 Uhr geplant und wird unter Berücksichtigung der Regeln nach der aktuellen Coronaschutzverordnung stattfinden. Pater Elias H. Füllenbach O.P. übernimmt die Predigt. Musikalisch wird der Gottesdienst von einem Ensemble der Akademie für Chor und Musiktheater begleitet. Der Gottesdienst wird für alle Interessierten als Livestream unter www.johanneskirche.org/live übertragen.
Stolperstein-Polieraktion
Mit Unterstützung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit organisiert das katholische Schulreferat eine Stolperstein-Polieraktion für Schulen in Düsseldorf. Die Schulen wurden zur Teilnahme eingeladen. Interessierte Klassen erhalten die Biografien hinter den von ihnen ausgewählten Stolpersteinen und Poliermaterial, um dem Andenken an diese Menschen im wahrsten Sinne des Wortes Glanz zu verleihen.
Theater
Das Junge Schauspielhaus präsentiert ab 12. November für Familien das Stück "Liebe Kitty", basierend auf dem Romanfragment von Anne Frank.
Gedenken an der Kasernenstraße
Das Gebet und die Kranzniederlegung der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf am Gedenkstein an der Kasernenstraße werden aus Gründen des Infektionsschutzes nur im kleinen Kreis geladener Gäste stattfinden. "Dennoch möchten wir alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer dazu ermutigen, selbständig zwischen dem 28. Oktober und dem 16. November den Gedenkstein für die ehemalige Synagoge an der Kasernenstraße aufzusuchen und einen Moment innezuhalten", so Ran Ronen, stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Auf diese Art könne deutlich werden, dass die Düsseldorfer*innen der Opfer des Novemberpogroms gedächten.
aktualisiert 28.10.2020 13:30