Schön vernebelt: Caspar David Friedrich und die Romantik im Kunstpalast Düsseldorf
Der Zeitgeist kann gemein sein. Ständig ändert sich sein Geschmack, und was vordem als wertvoll galt, wird verachtet. Auch Caspar David Friedrich (1774-1840), Sohn eines frommen Seifensieders aus Greifswald und der Inbegriff der deutschen Romantik, musste nach anfänglichen Erfolgen erleben, dass er vom Kunst-Blatt kritisiert wurde, weil er immer tiefer „in den dicken Nebel der Mystik“ geriet. Viel beliebter als seine melancholischen Kleinformate waren die spektakulären Landschaften und Seestücke der Düsseldorfer Malerschule. Beides kann man jetzt im Kunstpalast auf sich wirken lassen. Eine wunderbare Ausstellung, die der bedrückten Seele in diesem Corona-Winter nur Gutes tut!
Goldgerahmte Konzentration: „Caspar David Friedrich im Atelier“ (Ausschnitt), 1812 vom Kollegen Kersting gemalt.
Der vorherrschende Dichter und Denker Goethe, von allen bewundert, war sehr ungnädig mit den neuen Malern, die man später unter dem Begriff Romantik einordnete. Über Carl Friedrich Lessings „Klosterhof im Schnee“ und ähnliche „Negationen“ spottete er: „Was ist das für eine frostige Jugend …!“ Was er sich wünschte, waren Bilder voller „Leben und Bewegung“. Schließlich fröre er nicht gerne draußen, warum, so Goethe, „soll ich mich denn in der Stube erkälten?“ Bei allem Respekt, das sehen wir heute anders.
Klein und magisch: „Friedhof im Winter“ und „Friedhofstor“ von Caspar David Friedrich.
Die Natur als neue Kirche
In den zentral geheizten Räumen der Gegenwart versetzt sich der Geist mit Begeisterung an einen verschneiten Waldesrand, wo die Spitzen der Fichten mit einem aus dem Nebel ragenden gotischen Turm harmonieren wie in Caspar David Friedrichs „Winterlandschaft mit Kirche“ von 1811. „Die Natur“, schreibt der Leipziger Co-Kurator Jan Nicolaisen im Katalog, „wird gleichsam zum Andachts- und Stimmungsraum für den Trost und Erbauung suchenden Menschen“. Danke, genau das brauchen wir gerade! Friedrich, ergänzt Nicolaisen bei der Vorbesichtigung, „sieht die Natur als neue Kirche“.
Auf dem „Gipfel des Gebirges“, schrieb sein Freund und Kollege Carl Gustav Carus um 1820, erfahre das ganze Wesen eine Läuterung: „Dein Ich verschwindet, Du bist nichts, Gott ist alles.“ Die einzelnen Figuren auf Friedrichs Gemälden spielen keine individuelle Rolle. Sie stehen und schauen in eine Ferne, die sie demütig werden lässt. Dabei bevorzugte Friedrich die „Dämmerungszustände“, wenn der Himmel sich verdunkelt oder die aufgehende Sonne den Horizont vergoldet wie im „Riesengebirge“, das der Maler 1810 zeichnend durchwanderte. Noch 20 Jahre später würdigte er es in einem vollkommen ruhigen Bild, das mit braun-blauen Bergen unter einem glühenden Himmel die Schöpfung feiert.
Romantische Konkurrenz: „Norwegische Gebirgslandschaft“ von Achenbach (links) und ein „Hünengrab“ von Johan Christian Dahl.
Der alte Mann und das Meer
Zu der Zeit, um 1830, musste Familienvater Friedrich sich bereits gefallen lassen, dass man ihm Monotonie vorwarf und die Kunden absprangen. Aber, so Nicolaisen, „er ließ sich nicht beirren“. Bis zuletzt blieb er seinem Stil treu, wie man an den „Lebensstufen“ von 1834/35 sieht. Der alte Mann am Stock, der auf ein dämmriges Meer voller Segelschiffe blickt, während ein paar Kinder (die seinen?) am Ufer spielen, ist vermutlich ein Selbstporträt, wenn man ihn auch nur von hinten sieht. Das Bild aus der Sammlung des Leipziger Museums der bildenden Künste gehört zu den bekanntesten Werken in der Ausstellung, die über 60 Originalgemälde und Zeichnungen Friedrichs versammelt – und mit der Konkurrenz zusammenbringt. Man erkennt sofort, was da geschehen war: Die Bilder der damals neuen Düsseldorfer Generation machen einfach mehr her. Sie bieten Action und repräsentative Formate. Es ist, sagt Kunstpalast-Direktor Felix Krämer, als träfe „der Autorenfilm auf Hollywood“.
Zwei Schätze aus dem Werk von Caspar David Friedrich: „Der Chasseur im Walde“ (1813) und der „Ostermorgen (um 1830).
Entsprechend haben Nicolaisen und seine Düsseldorfer Kollegin Bettina Baumgärtel die Schau arrangiert. Man erkennt die Unterschiede sofort. Während der pommersche Einzelgänger „CDF“ mit seinem blonden Backenbart auf einem 1812 entstandenen Bild von Georg Friedrich Kersting allein und versonnen im Atelier arbeitet, geht’s in der Düsseldorfer „Atelierszene“ von Johann Peter Hasenclever rheinisch-gesellig zu. Hasenclever war es auch, der 1846 eine „Sentimentale“ mit sexy verrutschter Bluse ans nächtliche Fenster setzt, nachdem Friedrich 1822 seine zart-züchtige „Frau am Fenster“ einfach nur still hinaussehen ließ.
Goldenes Licht am „Abend“ und im „Riesengebirge (vor Sonnenaufgang)“ – Dämmerungsbilder von Caspar David Friedrich.
Wo die Wolken ziehen
Die beiden Bilder befinden sich am Anfang und am Ende des Rundgangs, der die wichtige Malerei des frühen 19. Jahrhunderts unaufgeregt vergleicht. Da treibt ein kleines dunkles „Segelschiff“ von Friedrich (um 1815) friedvoll über dunkles Wasser, und auf einem monumentalen „Seesturm an der norwegischen Küste“ von Andreas Achenbach spielen schäumende Wellen an felsiger Küste mit einem zertrümmerten Boot. Fast raumhoch ragt „Das Wetterhorn“ von Johann Wilhelm Schirmer (1838), während Friedrichs Miniatur „Ziehende Wolken über dem Riesengebirge“ (1820) über jedem Kommödchen Platz finden würde.
Und doch sind es gerade diese kleinen Offenbarungen von Caspar David Friedrich, die den Betrachter besonders faszinieren: der „Friedhof im Schnee“ neben dem „Friedhofstor“ (beide um 1826), der „Ostermorgen“ (um 1830) aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza in Madrid oder eine der feinen Zeichnungen wie die 1810 entstandene „Studie eines Astes einer Linde“ aus der Sammlung des Nationalmuseums Oslo. Unter erschwerten Corona-Bedingungen sind viele der Schätze nach Düsseldorf gekommen, einige Werke mussten an Grenzen übergeben werden, weil ein Einreisen nicht möglich war. Wir werden noch länger mit Ängsten und Einschränkungen leben müssen. Umso schöner ist es, wenn die Kunst den Geist frei schweifen lässt!
Blickachse von Caspar David Friedrichs „Lebensstufen“ (vorne) zum „Wetterhorn“ von Johann Wilhelm Schirmer.
Was, wann und wo?
„Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantiker“: bis 7. Februar 2021 im Kunstpalast Düsseldorf, Ehrenhof 4-5. Di.-So. 11 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Eintritt: 14 Euro. Ein außergewöhnlich schön bebilderter und gut zu lesender Katalog (u. a. mit einem Essay von Florian Illies) ist im Sandstein Verlag erschienen und kostet im Museum 29,80 Euro. www.kunstpalast.de