Düsseldorf Goethe-Museum: Aus Liebe zur Poesie – Günther Uecker
Während die Kunstsammlung NRW und die städtische Kunsthalle vorwiegend spröde Konzepte verfolgen, macht uns das kleine, vernachlässigte Goethe-Museum wieder einmal glücklich mit einer lyrisch-malerischen Ausstellung von einem der wirklich großen Düsseldorfer Künstler. Nach Heinz Mack 2018 huldigt nun Günther Uecker im Schloss Jägerhof dem Geist der Poesie und zeigt Werke, die der Schönheit des Wortes gewidmet sind. Wie einst Goethe liebt Uecker besonders die Verse des altpersischen Dichters Hafis (auch Hãfez, 1315-1319), ihm widmete er ein farbenglühendes Mappenwerk. Man kann davon nur schwärmen.
Schrift und Farbe vereinen sich in Günther Ueckers Grafik-Zyklus „Huldigung an Hafez“, präsentiert von Kuratorin Barbara Steingießer.
Gewiss, die derzeitigen Lebensbedingungen machen Begegnungen nicht leicht. In den engen Sälen des Schlösschens wird streng auf Abstand und Hygiene geachtet. Nur kleine Gruppen dürfen eintreten. Zur Pressekonferenz mit dem Künstler mussten die frisch desinfizierten Medienleute bei strömendem Regen in den lückenhaft beschirmten Garten gehen. Es war äußerst ungemütlich, aber der 90-jährige Uecker selbst ließ sich davon nicht irritieren. Er zog sogar kurz die Maske ab und zeigte sein altes Uecker-Lächeln, zuvor zitierte er einen seiner Lieblingsverse von Hafis: „Den Glanz deiner Schönheit entfachte das Licht in der Ewigkeit. Die Liebe entstand und setzte in Flammen die Welt.“ Seufz …
Wie Spuren im Schnee
Ein offenes Fenster des Goethe-Museums spiegelt sich im Glas eines Schrift-Bildes von Uecker.
Die Welt kennt Uecker als kernigen Kerl, der Eisennägel einschlägt und daraus markante Objekte macht. Aber die kraftvolle Geste war bei ihm immer mit sensiblen Ideen verbunden. Wie ein Kornfeld, vom Wind sanft bewegt, so wirken manche Nagelfelder. „Die Poesie wird mit dem Hammer gemacht“, so zitiert er gern den russischen Futuristen Wladimir Majakowski. Die weißen Prägedrucke, die er von Nagelreliefs zieht, sind, so Kuratorin Barbara Steingießer, „so zart wie Spuren im Schnee“. Aber Uecker schwelgt auch in Farbe. Die 31 Siebdrucke aus der Grafik-Edition „Huldigung an Hafiz“ verbinden das Wort des Dichters mit blühenden, glühenden Zeichen, die an Blätter, Blumen, Sonnenschein erinnern.
Noch nie zuvor ausgestellt: Ueckers Nagel-Druckplatten für eine Serie von Prägedrucken.
Sie sind auch, wie Uecker es nennt, „geschriebene Bilder“. Denn seine Schreibschrift, groß und schwungvoll, ist einer Zeichnung gleich. Er setzt sie schwarz auf seine Farben, und es ist, als sei die uralte Poesie des Persers Hafis direkt aus Ueckers Hand geflossen: „Vor Einsamkeit stirbt fast das Herz mir“, so klagt es da auf einem gelben Züngeln. Und über rosafarbenen Fantasieblüten heißt es: „Oh, du meine duftende Rose sollst nicht deine Nachtigall quälen …“ Uecker kann nicht genug bekommen von den Versen eines „wundersamen Dichters“, den schon Goethe, wie Museumsdirektor Christof Wingertszahn bemerkt, als „lieblichen Lebensbegleiter“ bezeichnet hat.
Auf dem West-Östlichen Divan
Im Garten des Goethe-Museums: Günther Uecker blättert im Katalog der „Huldigung an Hafez“.
So passen literarische Schätze des Hauses auf innige Weise zu Ueckers Werk. In den Vitrinen des ersten Stocks liegen Handschriften Goethes, darunter das mit zwei gepressten Blättern versehene Gedicht an den „Ginkgo biloba“. Und da ist eine 1819 erschienene Erstausgabe seiner berühmten, von Hafis inspirierten Lyrik-Sammlung „West-Östlicher Divan“, ein Geschenkexemplar für Goethes Kölner Freund Boisserée mit handkoloriertem Kupferstich auf der Titelseite.
Ein bisschen Goethe: Erstausgabe des Gedichtbands „West-Östlicher Divan“ von 1819.
Auch Günther Uecker besitzt kostbare Bücher – unter anderem aus Persien. Für ihn ist Poesie ein Quell seiner Schöpfungskraft. „Sobald ich lese, muss ich auch malen“, sagt er. Oder witzige Objekte erfinden, die mit dem Sujet spielen wie ein „Scharfes Buch“, dessen Seiten mit Rasierklingen gekennzeichnet sind, das mit einem roten Kissen zusammengenagelte „Kissenbuch“ oder ein zum „e“ gebogener Nagel als „Buch-stab-e“.
Das verborgene Wort
Ueckers großes Objekt „Trommeln“ beschäftigt sich mit dem „Schweigen der Schrift“.
Oft geht es dem Künstler ganz ernsthaft um das verborgene oder unverstandene Wort. Das zugenagelte „Bleibuch“ bewahrt sein Geheimnis. Schon 1974 entstand die Idee einer raumfüllenden Skulptur „Zum Schweigen der Schrift“. Von vier großen, in einem Gerüst befestigten Rollen („Trommeln“) hängen Stoff- oder Papierbahnen, die mit unkenntlichen Zeichen bedeckt sind. Uecker hatte damals auf einer Reise in Laos versucht, die ihm unbekannte Schrift zeichnerisch nachzuvollziehen. „Das Befremdende, das möchte ich ergründen“, so wird er zitiert.
Huldigung an acht Orten
Seine „Huldigung an Hafez“ blieb übrigens im Orient nicht unbemerkt. Im Gegenteil: Kunstinteressierte Iraner lieben das Grafikwerk. Uecker hat die großen malerischen Blätter mittlerweile nicht nur in der Hauptstadt Teheran, sondern auch an sieben anderen Orten ausstellen können, zuletzt auf der Insel Kisch, von wo er erst im Februar kurz vor dem Ausbruch der Pandemie zurückkehrte. Jede Ausstellung wurde von Werken örtlicher Künstler ergänzt, die ihr Werk nun in der Düsseldorfer Galerie Breckner zeigen. Obgleich sie wegen Corona trotz Visa nicht einreisen konnten, soll der west-östliche Dialog nicht abreißen. Denn, so schrieb schon der große Hafis: „Durch das Feuer der Worte kann man spüren des Herzens Flammenglut.“
Was, wann und wo
„Uecker – Hafis – Goethe: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen“. Die Ausstellung mit wortbezogenen Werken von Günther Uecker ist vom 8. September bis zum 15. November im Goethe-Museum Düsseldorf zu sehen. Schloss Jägerhof, Jacobistr. 2. Geöffnet Di.-Fr. und So. 11 bis 17 Uhr, Sa. 13 bis 17 Uhr. Eintritt: vier Euro. Parallel zeigt die Galerie Breckner, Altestadt 6, bis 9. Oktober die „Huldigung an Hafez“ von acht iranischen Künstlern. www.goethe-museum.com