Kunst im Düsseldorfer Malkastenpark: Die Venus macht jetzt Bodybuilding
Wir wollen ja alle artig sein, unsere Schutzmasken tragen und die Hygieneregeln beachten in dieser atemberaubenden Zeit. Aber je anstrengender der Alltag im Corona-Modus ist, umso dringender brauchen wir Erholung für Körper und Geist. Was kann jetzt angenehmer sein als ein Spaziergang zur Kunst, unter freiem Himmel, ganz zwanglos? Im Malkastenpark, der sich im Herbst besonders romantisch verfärben wird, hat der freie Düsseldorfer Kurator Wilko Austermann (30) eine witzig-poetische Skulpturenausstellung inszeniert.
Der Kurator als Naturbursche: Wilko Austermann neben der Installation „Schmetterlingsrebe“ von Yi Zheng Lin.
„Traum von Natur“ nennt Austermann sein Konzept. Doch das hat eine besondere Ironie. Denn die Werke der 13 beteiligten Künstler und Künstlerinnen beziehen sich zwar auf den lauschigen Garten, in dem der Flaneur sie aufspürt, aber sie bestehen allesamt aus modernen, künstlichen Materialien. Die Idylle hat heutzutage eben ihre Brüche. Und wo die Brünnlein fließen, hat der Bildhauer Emil Walde (29) die fehlenden Arme der 124 Jahre alten Düsselnixe und ihrer Flusskinder vorübergehend durch Armprothesen ergänzt. So lenkt der junge Mann den Blick auf die Vergänglichkeit im Allgemeinen und die fällige Restaurierung im Besonderen.
Kunstarbeiterin: Viktoria Strecker bei der Installation transparenter Kunststoffteile über dem Weiher.
Verwandlung der Dinge
Aber wer nach dem Plan läuft, der am Eingang des Parks verteilt wird, kommt zuerst woanders hin – nämlich zur „Schmetterlingsrebe“ aus Plastik-Kleiderbügeln und roten Haargummis, die der chinesische Objektkünstler Yi Zheng Lin neben einem veritablen Efeu an einen knorrigen Baumstamm hinter dem Jacobi-Haus „gepflanzt“ hat. Ein Stückchen weiter am Wegesrand blüht eine anmutige Kürbispflanze aus Folien, Schläuchen und Gummihandschuhen, die Lin „Cucurbita-Goldhände“ nennt. Sanft bewegen sich die Plastikblätter im Winde, und man sieht: Kritik an der vermüllten Zivilisation kann schön sein. Verwandlung ist das Stichwort.
Verwandelt sind auch die Autoscheinwerfer vom Schrottplatz, aus denen Viktoria Strecker und Severin Sprengler einen Kristallbusch konstruiert haben, der in der Abenddämmerung aufleuchtet wie der Verkehr da draußen auf der Straße. Titel: „lux lumen auto“. Während der Vorbesichtigung hockte Viktoria Strecker ganz in der Nähe auf einem umgestürzten Baum über dem Weiher nah der Fontäne, um ein weiteres Werk zu installieren: „spieler“. Transparente Kunststoffplatten mit feinen Zeichnungen hängen wie Eis an dürren Zweigen, bilden eine fragile Kulisse und erinnern an die „dramatisch-malerisch-musikalischen“ Spektakel, die in versunkenen Zeiten von frühen Mitgliedern des Malkastens hier am Wasser veranstaltet wurden.
Der Bildhauer Alexander Föllenz wirkt sehr zierlich neben seiner muskulösen „Venus von Olympia“.
Wo der wilde Tiger springt
„Venusteich“ wurde der Weiher damals genannt, weil in der Mitte eine Kopie der Venus von Milo stand, die später aufs Trockene gerückt wurde. In einer Bombennacht im Zweiten Weltkrieg schmolz die Schöne dahin, weil sie aus Zink war. Der Sockel stand leer am Wegesrand – bis Alexander Föllenz ihm eine neue Venus verpasste. Föllenz, der beim Düsseldorfer Starfotokünstler Andreas Gursky studiert hat, doch das Dreidimensionale bevorzugt, hat den klassisch-schönen Kopf auf den furchtbar muskulösen Körper einer Bodybuilderin mit Silikonbrüsten gesetzt. Eine erschreckende Riesin, die viel über verkorkste Schönheitsideale der Gegenwart verrät.
Nicht weit davon wird’s noch gefährlicher. Ein Tiger im Sprung, mit furchterregenden Zähnen und Krallen, schwebt da an dünnen Stahlseilen vor der verwitterten Gartenmauer. Mercedes Neuß, Meisterschülerin von Katharina Fritsch, hat von dem wilden Tier geträumt und es auf ihre Art gebändigt – als stillen, weißen Kunstharzguss.
Der Künstler Emil Walde verpasste der ramponierten Düsselnixe und ihren Kindern am jeweils eine Armprothese und nennt die Arbeit „Beauty Pond“.
Rätsel auf den Wiesen
Die älteren Teilnehmer der Schau und Mitglieder einer früheren Akademie-Generation verlangen mehr Abstraktionsvermögen. So wirken die Leuchtobjekte des 69-jährigen Heerich-Schülers Paul Schwer von fern wie faltige Schutzfolien über unkenntlichen Dingen. Aus der Nähe erkennt man: Es sind feste Skulpturen aus bedruckten Kunststoffen, auf denen zarte Landschaften erscheinen. Uecker-Schüler Martin Schwenk (60) hat einen künstlichen Baumstumpf mit Ton und Montagetricks seitlich an einen Eichenstamm montiert – eine kleine, fast unmerkliche Irritation in der Landschaft.
Auch der „Trashstone“ des 61-jährigen Cragg-Schülers Wilhelm Mundt ist ein subtiles Ding. Mundt schließt allerlei Müll ein in eine organisch wirkende Haut aus Fiberglas. Den „Abfallstein“ auf der Malkastenwiese hat er zudem mit gezeichneten Kreisen verfeinert. Ein rätselhaftes Objekt. Das kann man auch von einem Häuflein aus schlangenförmigen Wülsten behaupten, das wie ein Maulwurfshügel auf dem Rasen erscheint. Vera Lossau (44), die bis Mitte September im Gartenpavillon noch eine Extra-Ausstellung hat, nennt es „Purifikation“.
Jaana Caspary baute eine Laube („arbor“) aus überdimensionalen Monstera-Blättern.
Ein Wölkchen am Himmel
Weniger kompliziert und unübersehbar leuchtet „arbor“, eine Laube, die Jaana Caspary (32) aus drei überdimensionalen, knallgrünen Blättern der Monstera-Pflanze konstruiert hat. Der Medienkünstler Felix Contzen sorgt leider nur zur Eröffnung mit einer Video-Projektion im Laub eines Baumes für besonderen Zauber in der Dunkelheit. Den ganzen Tag lang zeigt Jonas Hohnke, Absolvent der Münsteraner Akademie, seine Art von Himmel. Am transparenten Dach eines zierlichen Pavillons kurz vor der Treppe des Malkasten-Restaurants „Lido“ schwebt im hellen Blau ein einziges Wölkchen: „single-cloud“. Und so wird der Kunstspaziergang heiteren Sinns beendet.
Himmlische Idee von Jonas Hohnke: Vor dem Malkasten-Lido schwebt eine künstliche Wolke mit echten Regentropfen: „single-cloud“.
Was, wann, wo?
„Traum von Natur“: Skulpturenausstellung im Malkastenpark Düsseldorf, kuratiert von Wilko Austermann. Bis 22. November 2020. Offizielle Eröffnung am Dienstag, 1. September, 19 Uhr. Eingang hinter dem historischen Jacobihaus, Jacobistr. 6a. Der Park ist täglich von 10 bis 18 Uhr zugänglich, letzter Einlass um 18 Uhr. Eintritt durchs Drehkreuz: 2 Euro.