Düsseldorf: Deutliche Worte am 20. Jahrestag des Wehrhahn-Anschlags
Es waren fast 200 Menschen, die sich am Montagnachmittag an der Gedenktafel am S-Bahnhof Wehrhahn versammelten, um dem Anschlag am Eingang Ackerstraße vor 20 Jahren zu Gedenken. Die politischen Vertreter verurteilten den Anschlag als einen heimtückischen, rassistischen und antisemitisch motivierten Terrorakt. Ruth Rubinstein , Ehrenvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Ekaterina Pyzova, Opfer des Anschlag und Betti Tielker vom Bündnis Düsseldorf stellt sich quer, kritisierten, dass erst nach zwanzig Jahren ein offizielles Gedenken ermöglicht wurde und bis heute keine Entschädigung der Opfer oder Entschuldigung von offizieller Seite erfolgte.
Diese Tafel gibt es seit dem 11. Mai am Geländer des S-Bahnhofs Wehrhahn
Der Anschlag
Am 27. Juli 2000 explodierte am Eingang zur S-Bahn-Station Wehrhahn an der Ackerstraße eine Bombe. Bei der Gedenkfeier am Montagnachmittag waren sich alle einig, dass dies ein heimtückischer, rassistischer und antisemitisch motivierter Anschlag auf zwölf Menschen war. Sie kamen aus Russland, der Ukraine, Aserbaidschan und Kasachstan nach Düsseldorf und besuchten einen Sprachkurs. Zehn von ihnen wurden bei dem Anschlag verletzt, einige lebensgefährlich, eine Frau verlor ihr ungeborenes Kind. Viele von ihnen wurden traumatisiert und leiden bis heute unter den Folgen des Anschlags.
Die Mitglieder der Bezirksvertretungen 1 und 2 haben sich für die Gedenktafel eingesetzt
Offizielle Gedenkfeier zum 20. Jahrestag
Trotzdem dauerte es zwanzig Jahre, bis es ein offizielles Gedenken zum Jahrestages des Wehrhahn-Anschlages gab. Oberbürgermeister Thomas Geisel legte gemeinsam mit den Bezirksbürgermeistern der Stadtbezirke 1 und 2, Marina Spillner und Dr. Uwe Wagner, sowie mit Ruth Rubinstein, Ehrenvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, einen Kranz nieder. Erst im Mai war nach Initiative des Bündnisses Düsseldorf stellt sich quer und dem Arbeits Orte der Erinnerung eine Gedenktafel am Geländer des S-Bahnhofs Wehrhahn angebracht worden. An der Stelle, wo die Bombe vor zwanzig Jahren explodierte, erinnert eine schwarze Tafel an den Anschlag.
Die Mitglieder von DSSQ und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten gedenken schon seit vielen Jahren am Tag des Anschlags
Ruth Rubinstein
In ihrer Rede verurteilte Ruth Rubinstein den Anschlag, der eine Personengruppe getroffen habe, die vor Verfolgung und Antisemitismus nach Düsseldorf flüchteten und sich Sicherheit erhofften. Es schmerze, dass immer noch niemand für die Tat zur Verantwortung gezogen wurde. Die Stadtgesellschaft sei in der Pflicht, an die schreckliche Tat zu erinnern, betonte sie und zitierte die Worte Pauls Spiegels: „Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen, wegschauen ist nicht mehr erlaubt“. Zivilcourage aller sei notwendig, damit jüdische Menschen In Frieden leben können. Ruth Rubinstein hätte sich gewünscht, dass es im Text auf der Gedenktafel einen Hinweis darauf gegeben hätte, dass viele der Opfer Juden waren.
Ekaterina Pyzova sprach eindringliche Worte
Ekaterina Pyzova
Ekaterina Pyzova überlebte den 27. Juli 2000 schwer verletzt. Sie fand bei der Gedenkfeier deutliche Worte. Vor zwanzig Jahren war sie mit fünfzig Jahren als deutsche Spätaussiedlerin nach Düsseldorf gekommen, um hier eine neue Heimat zu finden. Sie war mit Hoffnungen und Träumen gekommen, beschreibt sie. Doch der Terrorakt zerstörte ihr Leben. Noch heute ist sie traumatisiert und leidet unter den Folgen. Zwei Oberbürgermeister von Düsseldorf hätten den Anschlag vollkommen ignoriert, klagt sie an. Erst jetzt seien politische Vertreter zum ersten Mal bei einer Gedenkfeier. In den vergangenen Jahren gedachten Vertreter von „Düsseldorf stellt sich quer“ (DSSQ), der Nebenklage, der Opferberatung und der jüdischen Gemeinde alleine. Noch immer hat Ekaterina Pyzova keine Antwort auf ihre Fragen, warum Polizei und Verfassungsschutz damals nicht ordentlich gearbeitet haben. Würde heute ein Attentat verübt, trauere das ganze Land und es werde alles daran gesetzt die Täter zu finden, nicht so beim Wehrhahn-Anschlag, kritisierte sie. Bis heute sei keine Opferentschädigung gezahlt oder auch nur ein Wort der Entschuldigung von Polizei, Staatsanwaltschaft, Ministerpräsident Armin Laschet oder Kanzlerin Angela Merkel gefallen. Neben dem Trauma, dass der Terroranschlag bei Ekaterina Pyzova hinterlassen hat, leidet sie unter der mangelhaften Aufklärung und dem fehlenden Verständnis.
Als Vertreterin von DSSQ forderte Betti Tielker die Gefahr nicht zu verharmlosen
Betti Tielker
Als Sprecherin von DSSQ stimmte Betti Tielker in die Kritik ein. Denn immer noch fehle die Aufklärung. Die Gefahr durch den Rechtsextremismus werde unter den Teppich gekehrt und nicht Ernst genommen – bis heute. Die Politik und die Stadt hätten zu lange geschwiegen. Es stehe zu befürchten, dass der Anschlag nicht mehr aufgeklärt werden könne, was ein fatales Zeichen an die rechtsextreme Szene sei. Sie endet mit den Worten „Kein Vergeben, kein Vergessen“.
Marina Spillner, Bezirksbürgermeisterin der BV 1, ist froh, „dass diese dunkle Stunde unserer Stadtgeschichte nicht in Vergessenheit gerät."