Düsseldorf: Corona bringt Missstände in der Fleischindustrie an den Tag
Die Gewerkschaft Nahrung- Genuss-Gaststätten (NGG) kritisiert bereits seit langem den Preiskampf bei der Schlachtung und Zerlegung von Tieren, der die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen bestimmt. Durch die Corona-Ausbrüche in Coesfeld werde nun erneut deutlich, welche folgen der Dumping-Wettbewerb in der Branche hat. Der Staat müsse die Fleischbranche mehr in den Blick nehmen, fordert die Gewerkschaft.
Nach Angaben der Arbeitsagentur sind in Düsseldorf 730 Menschen in der Fleischwirtschaft beschäftigt. In ganz Nordrhein-Westfalen arbeiten knapp 30.000 Beschäftigte in der Branche und dabei sind viele osteuropäische Werkvertragsarbeitnehmer in Subunternehmen noch nicht mitgerechnet. Der Gesundheitsschutz der Beschäftigten sei bei den Dumping-Preisen der Branche offenbar nicht eingepreist, kritisiert die NGG – „vom Tierwohl ganz zu schweigen“.
Die Gewerkschaft informiert, dass die Arbeitsbelastung in den Schlachthöfen im Zuge der hohen Fleischnachfrage des Einzelhandels zuletzt stark zugenommen hat. Im Mai startet die Grillsaison, was die Nachfrage beim Verbraucher erhöht. „12-Stunden-Schichten sind in vielen Betrieben gang und gäbe. Es trifft vor allem die Werkvertragsbeschäftigten aus Osteuropa, die über Subunternehmen angestellt sind“, so Zayde Torun, Geschäftsführerin der NGG-Region Düsseldorf-Wuppertal.
Die lange, körperlich harte Arbeit in der Schlachtung und die Zerlegung geschlachteter Tiere mache die Menschen anfälliger für Erkrankungen und schwäche ihre Widerstandskraft. „Während überall Abstandsregeln und Kontaktsperren gelten, wohnen in den Gemeinschaftsunterkünften oft bis zu sechs Osteuropäer in einer 60-Quadratmeter-Wohnung. Dafür ziehen die Subunternehmer dann aber jedem Einzelnen auch noch 250 Euro vom ohnehin kargen Lohn ab“, berichtet Torun. Vor allem die Gesundheitsämter müssten die Unterkünfte von Beschäftigten wesentlich intensiver ins Visier nehmen. Hier brüte überall im Land eine enorme Corona-Gefahr.
Die Arbeitnehmervertreter begrüßen die von der Landesregierung NRW-weite Testung auf das Coronavirus bei alle Fleisch-Beschäftigten und die Kontrolle der Sammelunterkünfte durch die Gesundheitsämter. „Aber das darf keine einmalige Aktion sein. Aktuell geht es um das Virus. Um die Gesundheit der Beschäftigten aber auch künftig zu schützen, muss die Fleischbranche regelmäßig vom Staat in den Blick genommen werden“, betont Torun und fordert: „Hier muss also deutlich mehr passieren“. Zwar habe das Land NRW den Arbeitsschutz in der Fleischindustrie schon im Oktober vergangenen Jahres schwerpunktmäßig kontrolliert. Trotzdem sei es jetzt zu diesen fatalen Corona-Infektionsfällen gekommen.
Die Gewerkschaft fordert die Fleischhersteller dazu auf, den Gesundheitsschutz „absolut ernst“ zu nehmen. Sie stünden in der Verantwortung, auch bei ihren Subunternehmen für faire Arbeitsbedingungen und eine ordentliche Unterbringung zu sorgen. „Dabei ist klar: Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben. Dumpingpreise können schon deshalb nicht funktionieren. Fleisch darf keine Ramschware sein – nicht in normalen Zeiten und schon gar nicht in der Pandemie“, erklärt die NGG Geschäftsführerin.
Um die Zustände in der Fleischwirtschaft dauerhaft zu verbessern, müssten aus Werkverträgen reguläre Jobs werden – bezahlt zu einem fairen Branchenmindestlohn, betont die Gewerkschaft. „Außerdem brauchen wir eine bessere Nachunternehmerhaftung, damit prekäre Arbeitsbedingungen und unwürdige Unterkünfte auch beim letzten Subunternehmen ausgeschlossen sind“.