Der Rhein als Trostfluss: Fotokunst am Düsseldorfer Andreasquartier
Still ruhen Kunstsammlung und Kunsthalle. Ungesehen bleiben hier Picassos Bilder aus den Kriegsjahren und dort 600 Werke der weltweit beachteten Fotoszene an Rhein und Ruhr. Keine Spur von Kultur am Grabbeplatz. Kein Spaß in den Kneipen, der Düsseldorfer Lifestyle ist in Quarantäne. Da guckt man geradezu begierig auf das Andreasquartier, das den Passanten an seiner herrschaftlichen Landgerichtsfassade ein schönes Konzept präsentiert. Der Düsseldorfer Maler, Autor und Projektkünstler Stephan Kaluza zeigt ein 100 Meter langes und 2,35 Meter breites Banner mit ineinander gefügten Aufnahmen des Rheins: „Alles bleibt im Fluss“.
Rheinwanderer: Der Düsseldorfer Künstler Stephan Kaluza zeigt am Andreasquartier einen Ausschnitt seines Rheinprojekts.
Die Idee ist nicht neu, passt aber vortrefflich in diese verrückte Zeit, da wir uns auch im richtigen Leben an den Ufern des gleichmütig dahinfließenden Stroms unseren Seelentrost holen. Kaluza, ein markanter Typ von 56 Jahren, der sich inmitten der allgemeinen Aufgeregtheit erst mal eine filterlose Zigarette ansteckt, startete sein Rheinprojekt schon vor vielen Jahren, es wurde 2007 in einem Bildband publiziert.
Immer am Wasser entlang
Um die Wucht des Rheins in seiner ganzen Größe erlebbar zu machen, war Stephan Kaluza damals in Etappen mit Rucksack und Canon-Kamera von der Quelle am schweizerischen Piz Badus bis zum Mündung bei Rotterdam gewandert – immer am linken Ufer entlang, 1620 Kilometer weit. Wie und wann genau das vonstatten ging, ist Kaluzas Geheimnis. Aber acht Monate mit Unterbrechungen hatte es ungefähr gedauert, von jeder Ansicht des Rheins mit dem gegenüberliegenden Ufer ein Panoramabild zu machen, etwa alle 70 bis 90 Flussmeter.
Über Eck: An einem Rheinwehr im Breisgau beginnt das Foto-Panorama.
In zweijähriger digitaler Kleinarbeit fügten der Künstler und seine technischen Helfer dann aus 21.449 Einzelbilder so etwas wie ein einziges, schier endloses Bild vom Rhein zusammen. Es entstand, was Kaluza auf seiner Website „eine dokumentarische Totalerfassung komplexer Phänomene mittels Horizontalfotografie“ nennt und was schon durch Konsequenz und Umfang beeindruckend ist.
Am Ufer nichts Besonderes
Im konkreten Fall muss man sich natürlich wieder für einen Ausschnitt entscheiden. Das Banner am Andreasquartier zeigt, leicht komprimiert, ein paar Rhein-Kilometer im Breisgau. Zu sehen sind zwei kleine Wehre, die den Fluss kräuseln, irgendwo schwimmen winzig zwei Schwäne durchs glitzernde Wasser. Am Ufer nichts Besonderes: grünes und trockenes Gras, bescheidene Bäume, zwei parkende Autos, ein hockendes Menschlein, ein paar Gebäude. Soweit sich Kaluza erinnert, entstanden diese Fotografien an einem Tag im April, so wie heute, nur infektionsfrei.
Bewusst hat er für die Installation am Andreasquartier eine unspektakuläre Landschaft gewählt, keine Städte oder Industrieanlagen, aber auch nichts Romantisches mit Burgen und dem Felsen der Lorelei. Das abgebildete Stück Rhein könnte überall dazwischen sein – und es taugt nach Ansicht des Künstlers gerade deshalb besonders als Symbol für Unvergänglichkeit und Zuversicht: „Der Rhein hat die Pest und die Spanische Grippe überstanden, die beiden Weltkriege, das große Fischsterben. Er wurde vergiftet und zugemüllt. Doch er fließt und fließt immer weiter.“ So ist es, und der Strom wird uns auch durch Corona-Zeiten tragen.
Unspektakuläres Uferbild: ein paar Gebäude, eine Baumreihe, Ruhe.
Keine Öffnungszeiten
Die Fotokunstinstallation „Alles bleibt im Fluss“, das Rheinprojekt von Stephan Kaluza, ist bis auf weiteres an der Fassade des Andreasquartiers an der Mühlenstraße 34 zu sehen. Die Aktion wird von der Frankonia Eurobau AG finanziert und von der Düsseldorfer Galerie Geuer & Geuer begleitet.