Das Düsseldorfer Schauspielhaus feiert Jubiläum als Unvollendetes
Es war nicht anders zu erwarten: Auch zur Jubiläumsfeier 50 Jahre nach der Eröffnung am 16. Januar 1970 bleibt das Düsseldorfer Schauspielhaus ein Unvollendetes. Der Kö-Bogen II mitsamt dem Gründgens-Platz wird erst im Herbst fertig sein, und wie der Gutachterstreit um die immer noch nicht gleichmäßig gefärbten Alu-Teile der geschwungenen Theaterfassade ausgeht, das weiß noch niemand. Der Düsseldorfer Stararchitekt Christoph Ingenhoven, Baumeister des Gesamtkomplexes, besteht auf einer perfekten Oberfläche: „Amorphe Formen vertragen keine Farbunterschiede.“ Das Haus an sich ist fast fertig, dicht und von innen ziemlich schön, wie man jetzt schon sehen kann.
(v.l.) „Gemeinsam stolz“ zeigten sich Generalintendant Wilfried Schulz und Architekt Christoph Ingenhoven.
„Gemeinsam stolz“, so präsentierten Generalintendant Wilfried Schulz und Christoph Ingenhoven das Ergebnis einer Feinarbeit mit besonderen Tücken. Denn das 1960 von Bernhard Pfau geplante, 1970 eröffnete Schauspielhaus gilt als architektonisches Heiligtum und durfte unter den strengen Augen des Denkmalschutzes nur behutsam saniert und modernisiert werden. Tatsächlich blieb der Look prinzipiell unangetastet, auf dem rosagrauen Marmorboden im Foyer stehen nach wie vor die gelb leuchtenden Zylindertische, der von alten Farbschichten befreite Sichtbeton ist hell wie einst im Mai 1970, man hockt lässig auf Lederkissen auf dem geschwungenen Mäuerchen, und der neue Teppichboden im Treppenhaus hat genau das richtige Terracotta-Orange.
Annäherung von hinten: Das Schauspielhaus befindet sich inmitten der Düsseldorfer Großbaustelle Kö-Bogen II.
Der Intendant braucht Nerven
Abgerissen wurde der Kassenbereich, der damals eine Notlösung war und, so Ingenhoven, „wie ein Propfen“ vor dem Eingang saß. Jetzt ist die große Glastür frei zugänglich, dahinter leuchtet und lockt eine LED-Wand mit zehn Bildschirmen. Auch Theater braucht Reklame. Ein neuer Pavillon in respektvoller Entfernung auf dem Platz dient als Kassenhäuschen und Parkhauszugang. Mit Stöckelschuhen über die Baustelle zur Premiere zu gelangen, wird sicher noch ein Weilchen eine Herausforderung bleiben – aber das finden die Düsseldorfer ja eher amüsant. Schließlich haben sie ihr Theater jahrelang vergnügt in Zelten und Ausweichstätten anderer Art aufgesucht und zu schätzen gewusst.
Eine leuchtende LED-Wand begrüßt das Publikum am neu gestalteten Eingang.
Seit Beginn der Spielzeit darf man wieder ins Schauspielhaus gehen – und kicherte über aufgerissene Wände, fehlende Klos und Garderoben. Mit erstaunlicher Gelassenheit ertrugen die Künstler bei den Proben den Dreck und Lärm der Bauarbeiten. „Es gab heftige Reibungen zwischen den Interessen des Theaters und des Baubetriebs“, bekennt Schulz und lächelt dabei fein, denn es ist friedlich geblieben: „Es hat große Toleranz gegeben.“ Das liegt bestimmt zu einem großen Teil an der ausgeglichenen Wesensart des Chefs, der sich nicht nur künstlerisch, sondern auch diplomatisch als Glücksfall für Düsseldorf erwiesen hat.
Das goldene Mosaik von Günter Grote wurde gereinigt und restauriert wie alle Originalteile im Schauspielhaus.
Ein offener Ort für alle Bürger
Sicher wird er auch noch den Rest der Zumutungen mit Klugheit und Humor überstehen. Jetzt feiert man erst einmal einen weiteren Teil dessen, was Architekt Ingenhoven „eine Art superlanges Soft-Opening“ nennt. Work in progress alle Tage. Bis zum Festakt mit Premiere von „Galileo Galilei“ am Donnerstag (16.1.) sollen die letzten braun-orangefarbenen Mosaiksteinchen zur Restaurierung des Eingangsbodens getrocknet sein, sodass die Ehrengäste tatsächlich durch das Hauptportal kommen können. Am Samstag (18.1.) ist dann Offenes Haus und Party für alle. Anders als 1970 wird das Theater betont offen sein. Dazu passt, dass man die bräunliche Glasfassade der Vergangenheit gegen transparente Fenster eingetauscht hat.
Helles Tageslicht flutet nun ins Foyer, bei Einbruch der Dunkelheit können die Magnolien im Hofgarten beleuchtet werden und sorgen für Naturtheater, das auch von der Terrasse der neuen, kühl-elegant eingerichteten Theater-Gastronomie Schillings aus bewundert werden kann. Die Bar im noblen Grau verspricht schon heute gehobenen Lifestyle mit vielleicht etwas heftigen Preisen. 13,50 Euro für einen Spritz, das hat Pariser Niveau.
Schöner speisen: Wie die Kantine nebenan wurde auch das Restaurant neu gestaltet. Neuer Betreiber ist die Familie Schillings.
Vorhang auf für neues Theater
Aber zurück ins Haus, dem man, so Ingenhoven, „etwas Selbstbewusstes hinzufügen wollte“. Bei aller Liebe zum Denkmal soll man doch merken, dass sich die Zeiten geändert haben. Und so gibt es nicht nur neue Garderoben und Toiletten in Anthrazit sowie gläserne Aufzug-Röhren, die Behinderten endlich barrierefreien Zugang ermöglichen, sondern auch eine überraschende Dekoration. Die Amsterdamer Designerin Petra Blaisse mit ihrer Firma „Inside Outside“ hat objekthafte Vorhänge entworfen, die als Zeichen des Jahres 2020 die Wandkunst von Günter Grote ergänzen soll. Oben im Wandelgang verhängte sie die helle Wand mit 137 Metern eines bräunlich schimmernden, gepunkteten Stoffs, der nun Grotes goldenes Mosaik flankiert.
Das ist Geschmacksache und sorgt gewiss für Irritationen, zumal Petra Blaisse unten, im Erdgeschoss, andersfarbige Vorhänge angebracht hat. Die leuchten in einem frischen Grüngelb, unterbrochen von durchsichtigen Ausschnitten, dämpfen angenehm den Schall, können aber jederzeit auch aufgezogen werden, um den Blick nach draußen ganz freizugeben. Nach Ansicht von Ingenhoven hätte Bernhard Pfau das Experiment goutiert, denn: „Er hatte einen Hang zur Farbe.“ Aber nicht zum Vorhang, auch wenn der die Wellenbewegung der Fassade und der Polyester-Reliefs von Günter Grote aufnimmt. Aber was wäre ein solches Bauprojekt ohne Diskussions-Stoff?
Vorhang auf: Nach einem Konzept der Amsterdamer Designerin Petra Blaisse hängen jetzt Stoffe im Foyer.
Und das steht auf dem Programm
Nach dem (lange ausverkauften) Jubiläums-Fest mit der Premiere von Brechts „Galileo Galilei“ am Donnerstag (16.1.), wird am Freitag (17.1., 20 Uhr) bei einer Podiumsdiskussion mit dem Generalintendanten Wilfried Schulz und seinen Vorgängern Anna Badora und Günther Beelitz im Kleinen Haus „Ein Blick in die Geschichte“ geworfen (Tickets gibt es für zehn Euro). Am Samstag (18.1.) lädt das Schauspielhaus ab 16 Uhr zum „Tag der offenen Tür“ mit Führungen, Bühnentechnikshow, Rock für Kinder, Songs und Szenen, Schminken und Verkleiden, Kostümversteigerung. Das abendliche Konzert mit Christian Friedel und der Band Woods of Birnam auf der großen Bühne ist leider ausverkauft, genau wie Wolfgang Reinbachers Plauderei „Düsseldorf, mon amour“ im Kleinen Haus. Wer will, kann ab 22 Uhr zur offenen Jubiläumsparty kommen. Am Sonntag (19.1. um 11 Uhr) diskutiert der Philosoph Peter Sloterdijk mit dem Architekten Christoph Ingenhoven im Großen Haus über „Theater als öffentlichen Raum der Stadtgesellschaft“ (ausverkauft). Abends, 19.30 Uhr, wagt die Bürgerbühne im Kleinen Haus den „Blick zurück nach vorn“. Am nächsten Samstag (25.1.) gibt es tagsüber von 14 bis 18 Uhr ein öffentliches Forum „Architektur und Kultur“ im Foyer, und Publikumsliebling André Kaczmarczyk präsentiert abends um 19.30 Uhr im Großen Haus einen neuen Liederabend mit Songs und Geschichten aus den letzten 50 Jahren: „I build my time“.
Spielplan und Karten unter www.dhaus.de