Düsseldorf ver.di: Fünf Bürgermeister diskutieren über Geld und die Welt
Wahlprüfsteine sollen keine Stolpersteine sein, aber auch kein Wackelpudding. Ein knappes Jahr vor der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am 13. September 2020 hatte ver.di am Samstag (23.11.) gleich fünf Stadtoberhäupter zur Diskussion eingeladen. Rund 50 Gewerkschaftsmitglieder bekamen in den Räumen des ver.di Landesbezirks an der Karlstraße einen lebhaften Eindruck davon, wie kniffelig Realpolitik auf städtischer Ebene sein kann. Die Bürgermeister und Oberbürgerbürgermeister Birgit Alkenings (Hilden), Thomas Geisel (Düsseldorf), Burkhard Mast-Weisz (Remscheid), Tim Kurzbach (Solingen) und Andreas Mucke (Wuppertal) baten ver.di um Unterstützung bei der Lösung städtischer Probleme. Im nächsten Jahr wird über die Tarife im Öffentlichen Dienst verhandelt.
Stephanie Peifer, Geschäftsführerin des ver.di Bezirks Düssel-Rhein-Wupper, forderte gute Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung.
Klamme Kommunen
Bundesregierung und Landesregierung machen Gesetze, die die Städte ausführen und bezahlen müssen. Birgit Alkenings nannte das Bundesteilhabegesetz als Beispiel. „Ein rundherum begrüßenswertes, wichtiges Gesetz!“ In Hilden führt es jedoch zu neuen Finanzengpässen, weil der Landschaftsverband Rheinland, LVR, die Umlage für den Bereich der Behindertenarbeit drastisch erhöht habe. „Im nächsten Jahr steigt dadurch unsere Kreisumlage um 13 Millionen Euro – bei einem Haushalt von 90 Millionen muss das eine Stadt wie Hilden erst einmal verkraften“, sagte Alkenings. Andreas Mucke (Wuppertal) und Tim Kurzbach (Solingen) verwiesen auf die Ausgaben für geflüchtete und geduldete Menschen.
Zahlmeister für Bund und Länder
Die Kommunen könnten nichts an den Ursachen von Flucht und Vertreibung ändern, müssten aber die finanziellen Folgen tragen – auch weil die Landesregierung NRW Ausgleichszahlungen des Bundes nicht durchgereicht habe. Mucke: „Die Sache mit den klebrigen Händen der Landesregierung gilt, egal welche Parteien in Düsseldorf regieren – das trifft nicht nur die gegenwärtig Regierenden CDU und FDP.“ Den Hinweis, der Bund müsse die Altschulden jener Städte übernehmen, die hoffnungslos tief in den roten Zahlen steckten, kommentierte OB Thomas Geisel (Düsseldorf) so: „Mit der Übernahme der Altschulden allein sind die Ursache dafür noch nicht beseitigt. Die Städte brauchen eine verlässliche Finanzierungsgrundlage, damit sie nicht ständig als Bittsteller auftreten müssen.“
Privatisierung mit negativen Folgen
Einig war sich die Diskussionsrunde darin, dass die Privatisierung staatlicher Betriebe wie etwa der Stadtwerke, von Krankenhäusern oder Krankenhausbetrieben, oder der Müllabfuhr die Städte nur vordergründig entlaste. Thomas Geisel: „Wenn bei uns die Awista eine jährliche Rendite von 16 Prozent macht, kann man das den Bürgern, die immer höhere Müllgebühren bezahlen müssen, nur sehr schwer erklären.“
Klima und Verkehr
(vr.) Düsseldorfs OB Thomas Geisel und Burkhard Mast-Weisz aus Remscheid lauschen Stefan Wittstock vom ver.di Bezirk Düsseldorf-Rhein-Wupper
Oberbürgermeister Thomas Geisel bekam allseits Lob für den Versuch mit der der Umweltspur. Das ist ihm in den zurückliegenden Tagen von Autofahrers Zorn am Samstag zum ersten Mal passiert. Einhellig applaudierten die Bürgermeisterkollegen aus den Nachbarstädten – auch für den Mut zur unbequemen Entscheidung. Geisel tat das sichtlich gut: „Es braucht immer politischen Mut, wenn man Menschen dazu bringen will, ihr Verhalten zu ändern“, sagte er. Andreas Mucke pflichtete Geisel bei: „Ich bin heute mit der Bundesbahn nach Düsseldorf gekommen – das war sehr entspannend.“ Tim Kurzbach aus Solingen freute sich über die Umweltspur: „Mit meinem Elektroauto hatte ich freie Fahrt.“
Problem: Die Arbeitsplätze
Birgit Alkenings träumte kurz von einer Stadt völlig ohne Autos: „Das wäre sehr ruhig und Kinder könnten überall auf den Straßen spielen…“ Burkhard Mast-Weisz aus Remscheid holte die Hildenerin zurück in die Wirklichkeit: „Vielen Dank, Du hast gerade viele hundert Arbeitsplätze in Remscheid vernichtet. Denn wir haben ein Automotive Cluster – viele Zulieferfirmen der Automobilhersteller. Weil ein Elektroauto kein Getriebe mehr braucht, weiß ich nicht, was unsere Getriebebauer demnächst produzieren sollen.“
Nachhaltigkeit und Solidarität
Forderte internationale Solidarität ein: Solingens OB Tim Kurzbach berichtete aus der senegalesischen Partnerstadt Thies.
Kämpferisch kommentierten alle fünf Stadtoberhäupter den Einzug der AFD in die Räte. Gegen deren Hass und Hetze müsse man offensiv vorgehen, sagte die Politiker. Alle lobten die internationale Vielfalt und das Zusammenleben in ihren Städten. Auch die 2015/2016 gekommenen, geflüchteten Menschen hätten sich gut integriert. Tim Kurzbach berichtete, warum Solingen ihrer senegalesischen Partnerstadt Thies Zuschüsse für Regenrückhaltebecken gibt: „Dort wächst nach Auskunft meines Amtskollegen die Wüste pro Jahr um viele Kilometer.“ Menschen, die dadurch ihre Lebensgrundlage verlören, machten sich zwangsläufig auf den Weg in Richtung Europa.