Das Verrückte ist fein geworden: Strukturen im Düsseldorfer Zero-Haus
Zero ist Teil der Kunstgeschichte. Längst hat sich die Wissenschaft mit ihrem Ordnungssinn und ihrer ungerührten Fachsprache dieser himmelsstürmenden Düsseldorfer Bewegung bemächtigt. In der Erinnerung des Künstlers Christian Megert (83) fühlt sich das anders an: „Wir waren Verrückte damals“, bemerkt er schmunzelnd in der Zero-Foundation an der Hüttenstraße, wo es in einer zeitlich und räumlich streng begrenzten Ausstellung um „structura“ geht.
Junges Interesse an alter Avantgarde: Kuratorin Laura Weber zwischen frühen Werken von Günther Uecker
Laura Weber, die junge Kuratorin und Stipendiatin eines von Heinz Mack finanzierten Forschungsprojekts, hat sich mit Fleiß und Konsequenz der „Serialität und Struktur in der Kunst der Zero-Bewegung“ gewidmet. Sie weiß viel über das rhythmische Gefüge des Bildraums. Aber der malerisch bekleckerte Original-Betonboden im sanierten ehemaligen Atelierhaus erzählt mehr über den Zeitgeist und die Lebensart der Männer, die in späten 1950er-Jahren einen neuen Anfang machen wollten.
Er war noch selbst dabei: Der Schweizer Wahl-Düsseldorfer Christian Megert vor seiner „Weißen Struktur“ von 1958.
Lösen wollten sie sich nicht nur von der herkömmlichen Malerei und Bildhauerei, die in finsteren Zeiten von einem faschistischen Regime missbraucht worden war. Sie wollten auch die informelle Malerei beenden, die alle aufgewühlten Gefühle in abstrakte Gesten umgesetzt hatte. Dioe Kunst sollte neu sein, ruhig, unbefleckt: „Zero ist die Stille. Zero ist der Anfang“, hieß es in schwärmerischen Texten, die Heinz Mack und sein Freund Otto Piene 1957/58 in die Welt setzten. Damit begeisterten sie in den folgenden Jahren viele Kollegen, auch international. Wie Christian Megert erzählt, kamen sie „von Paris aus hier vorbei“. Zuerst im Atelier an der Gladbacher Straße, später im Hinterhaus an der Hüttenstraße, wo jetzt die Zero-Foundation residiert.
Eine neue Klarheit schaffen
Man arbeitete mit einfachsten Materialien, mit Gefundenem und Umfunktioniertem. Hans Salentin baute 1960 Reliefs aus geweißten Dachziegeln. „Wir hatten ja nichts“, bemerkt Megert. Für die Stoffcollage „Weiße Struktur“, vor der man heute ehrfürchtig steht, hatte Megert 1958 seine alte Hose zerrissen, ein subtiles Relief „Ohne Titel“ kratzte er in ein erdfarbenes Sand-Farbgemisch, für den „Scherbenstab“ von 1963 hatte er sich Spiegelreste aus einer Glasfabrik geholt.
Werke von Heinz Mack (links), Oskar Holweck und Hans Salentin im ehemaligen Atelier von Günther Uecker. Der Boden zeigt noch Original-Farbkleckse.
Es entstanden Werke ohne Vorgeschichte und Vorbilder, ohne Ballast, wenn man so will. Laura Weber macht besonders auf die Übergänge aufmerksam. Da hängt eine noch informell bewegte Malerei von Otto Piene („unten oben fremd“) von 1955 neben einer kleinen „Gelb-Struktur“ von 1957. Heinz Macks schwarz-schrundige Abstraktion von 1953 wird konfrontiert mit der „Dynamischen Struktur“ von 1962. Und bevor Günther Uecker 1957 seine berühmten Nägel in den Rand eines gelben Bildes schlug und 1961 einen kleinen „Lichtglobus“ mit weiß besprühten Nägeln bespickte, versuchte er 1956 mit einer getupften „Fingermalerei“ eine Struktur zu schaffen, die jedoch noch nebulös wirkte. Erst Zero schaffte eine neue Klarheit. Und eine Schönheit, wie sie in den schwingenden Blechen eines 1962 entstandenen Mobilés von Oskar Holweck schwingt.
Wann und wo?
Die kleine Ausstellung „structura“ mit aus Privatbesitz stammenden Werken von Holweck, Mack, Megert, Piene, Salentin, Uecker wird am Donnerstag, 16. Mai, um 19 Uhr in der Zero-Foundation, Hüttenstr. 104, eröffnet und kann dann leider nur an fünf Sonntagen besichtigt werden: 19. und 26. Mai sowie 2., 9., 16. und 23. Juni, jeweils 13 bis 17 Uhr. www.zerofoundation.de