Düsseldorfer Muslime: Miteinander reden statt übereinander
Mit den „Freitagsgesprächen“ hat der Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, in der der Austausch mit der Stadtgesellschaft zu verschiedenen Themen ermöglicht wird. Start war am Freitag (15.3.) unter der Überschrift „Rechtsideologischer Extremismus“ im Rathaus.
Der rechtsextreme Anschlag auf Muslime in Christchurch, Neuseeland, brachte schreckliche Aktualität in das erste Freitagsgespräch. So war es für das Podium, bestehend aus Moderatorin Hatice Durmaz, Thomas Geisel, Dr. Dalic Dereköy, Alexander Häusler und El Hadi Khelladi, und die rund 75 Gäste im Saal ein Bedürfnis mit einer Gedenkminute zu starten.
Der Vorsitzende der KDDM, Dr. Dalinc Dereköy, schlug in seiner Begrüßung den Bogen zu Neuseeland, denn auch in Deutschland gibt es Bedrohungen. Er verlas einen Brief an eine Rechtsanwaltskollegin mit Absender NSU 2.0, in der sie und ihre Familie persönlich bedroht wurden. Die darin aufzeigten persönlichen Daten waren offenbar über die Polizeidatenbank bezogen worden, was jetzt Ermittlungen gegen Polizeibeamte nach sich zieht. Die Dügida Demonstrationen in Düsseldorf hatten gerade junge Muslime beunruhigt und auch die neuen rassistischen Umtriebe der Bruderschaften tragen nicht dazu bei, sich sicher zu fühlen. Dereköy rief dazu auf in der Stadtgesellschaft im Gespräch zu bleiben und freute sich, dass der KDDM mit der Reihe der Freitagsgespräche dazu beiträgt.
Dr. Dalinc Dereköy ist der Vorsitzende der KDDM
Die Grundgedanken zur Auftaktveranstaltung brachten Alexander Häusler, Rechtsextremismusforscher an der Hochschule Düsseldorf und der Sozialwissenschaftler und Kulturgeograph El Hadi Khelladi ein. Häusler führte aus, dass es neue Zusammenschlüsse rechtsextremer Gruppierungen gebe, die eine neue nationale Erhebung anstrebten. Zielgruppe der fremdenfeindlichen Aussagen sind neben Flüchtlingen zunehmend Muslime und andere „Nicht-Biodeutsche“ Menschen. Es komme zu einer Verzahnung von Hooligans mit rechtsextremen Parteien, die sich auch in Düsseldorf als „Bruderschaft Deutschland“ bezeichnen und versuchen, sich in verschiedenen Stadtteilen wie Garath und Eller zu zeigen. Khelladi zeigte auf, wie heutige Rechtsextremisten die Symbolik und Begriffe der Nationalsozialisten und des Antisemitismus übernommen haben. Dies werde auch online eingesetzt.
Oberbürgermeister Thomas Geisel betonte, dass die Stadt Düsseldorf ein Erfolgsbeispiel für gelungene Integration sei, denn rund 40 Prozent der Düsseldorfer komme aus verschiedensten Ländern. Schmunzeln fügte er hinzu, auch er als Schwabe habe sich stets willkommen gefühlt. Die Identität der Menschen sei trotz des Ausländeranteils nicht verloren gegangen und Ziel ein ein gutes Miteinander. Es dürften sich keine Parallelgesellschaften entwickeln.
Alexander Häusler (rechts) forscht an der Hochschule zu Rechtsextremismus
In der Diskussion der Besucher mit den Gästen auf dem Podium schwang mehrfach die Sorge über rassistische und diskriminierende Aktionen mit. Häusler und Khelladi warnten jedoch davor, die Inszenierungen der Rechten über Gebühr zu würdigen. Ziel müsse es sein, mit positiven Bildern das erfolgreiche Zusammenleben zu zeigen und die Stimmungsmache der Rassisten zu entlarven.
Dereköy lobte das deutsche Grundgesetz, das die Religionsfreiheit garantiere. Das sei ein wichtiges und kostbares Geschenk, für dessen Erhalt man sich einsetzen müsse. Dabei komme es vielen Muslimen so vor, als verschärfe sich die Lage in Deutschland und eine Rechtfertigung für die Religionsausübung werde von ihnen verlangt. Doch auch Selbstkritik wurde am Freitagabend ausgesprochen. Dalinc Dereköy kennt aus seiner eigenen Familie die Einwanderung nach Deutschland als Gastarbeiter, die nur für eine befristete Zeit bleiben sollten. Daher blieben die Nationalitäten unter sich, hielten engen Kontakt zur ursprünglichen Heimat, den Sitten und Gebräuchen, um eine spätere Rückkehr zu erleichtern.
El Hadi Khelladi untermalte seinen Vortrag mit Filmsequenzen
Doch die Menschen blieben, weitere Generationen wurden geboren und Deutschland wurde für diese zur Heimat. Ziel sei es, sich stolz als „Deutscher Muslim“ bekennen zu können. Die muslimische Gemeinschaft sei sehr heterogen, da sie sich aus vielen verschiedenen Herkunftsländern und deutschen Konvertiten zusammensetzt. Es müsse gelingen, diese Vielfalt als Chance zu erkennen. Dass die Stadt Düsseldorf dafür ein gutes Beispiel ist, betonte Thomas Geisel. Die Stadt stehe für Toleranz und die Bürgerschaft sei gegen Rassismus und Diskriminierung. Wichtig sei zu erkennen, dass dies die große Mehrheit der Menschen ausmache und man sich nicht in die Rolle einer Minderheit drängen lasse, wie es rechtsextreme Parteien oft suggerieren wollen.
Das erste Freitagsgespräch klang bei Fingerfood, Getränken und angereg Gesprächen aus. In diesem Jahr wird es weitere Termine geben, die unter den Schwerpunkten „Interreligiöser Dialog“, „Islamfeindlichkeit und Diskriminierung“, „Gesellschaftliche Teilhabe“ oder „Extremismus und Fundamentalismus“ stehen.
Termine und Inhalte:
5. Juli 2019: „Islamfeindlichkeit“ Antismuslimischer Rassismus auf dem Vormarsch, Veranstaltungsort: Stadtmuseum
30. August 2019: „Keine Aufklärung in Sicht?“ Der NSU-Terror hinterlässt viele Fragen und Musstrauen, Veranstaltungsort: Zentralbibliothek, Bertha-von-Suttner Platz 1
20. September 2019: „Dem Frieden verpflichtet“ Jüdisch-Muslimische Perspektiven, Veranstaltungsort: Info nach Anmeldung
8. November 2019: „Vielfalt gewünscht?“ Soziale und ökonomische Teilhabe Düsseldorfer Muslime, Veranstaltungsort: IHK, Ernst-Schneider-Platz
22. November 2019: „Religiöser Extremismus“ Gemeinsam gegen Ideologisierung und gewalttätigen Fundamentalismus, Veranstaltungsort: Evangelische Stadtakademie, Bastionstraße 6