Von Taschkent nach Düsseldorf: Die Kunst der Neuen Seidenstraße
Die Chinesen kommen. Der wirtschaftliche Aufbruch des Riesenreichs ist nicht aufzuhalten. Das wird allenthalben konstatiert und diskutiert – halb bang, halb fasziniert. Während die einen das große Geschäft wittern, fürchten die anderen den Ausverkauf der europäischen Zivilisation. Umso wichtiger ist es, auch weichere Aspekte der neuen Öffnung nach Fernost zu beachten. Was können wir entdecken, was voneinander lernen? Jian Guo, ein Chinese in Düsseldorf, Vorsitzender des Vereins für Deutsch-Chinesischen Kulturaustausch (DCKD), macht die Neue Seidenstraße zwischen Düsseldorf und Peking mit seinem Projekt „Blue Container“ zu einer Trasse der Kunstbegegnung. 15 Künstler(innen) aus Deutschland und Usbekistan zeigen jetzt im Schloss Elbroich, wie spannend das sein kann: „Interlocal“, zwischen den Orten.
Als Kurator bewährt sich der ehemalige Regierungspräsident und Mitbegründer des Kunstvereins 701, Jürgen Büssow – hier zwischen den Fotoarbeiten von Corina Gertz.
Zunächst einmal schickt der Verein ein Geständnis voraus: Der Zug mit den blauen Containern voller Kunst, dessen Abfahrt im Juni letzten Jahres mit einer großen Zeltausstellung und 20 000 Besuchern im Duisburger Hafengebiet gefeiert wurde, steht immer noch auf dem Abstellgleis in Duisburg. Es gibt Probleme mit der Technik und mit lückenlosen Genehmigungen in allen Ländern der sogenannten Neuen Seidenstraße zwischen Deutschland und China. Man kann es sich lebhaft vorstellen. Guo ist dennoch überzeugt, dass der Zug bald rollen wird: „Das klappt!“ Bis dahin ruht er nicht, sondern arbeitet mit dem „Blue Container“ als Idee.
Besondere Herren: In der Serie „The Sing Peintre“ zeigt der Schweizer Maler Stefan à Wengen würdevolle Schimpansen in Renaissance-Posen.
Die Idee der blauen Container
Und so hielt der (noch) imaginäre Kultur-Zug mit Kunst aus Düsseldorf im Gepäck vor ein paar Wochen bereits in einer der ehrgeizigsten Metropolen der Neuen Seidenstraße: Taschkent, 2,35 Millionen Einwohner, Hauptstadt Usbekistans. Das unter dem neuen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev liberalisierte, hauptsächlich von weltlich orientierten Muslimen bewohnte Land will einen Platz im globalen Wirtschaftstheater – und öffnet sich auch dem Kulturtourismus. Hauptattraktion ist das sagenhafte Samarkand mit seinen prachtvollen Moscheen und orientalischer Ornamentkunst, berühmte Station der historischen Seidenstraße. Wie der aus Frankfurt angereiste Konsul Nuriddin Y. Mamajonov vor der Presse versicherte, brauchen deutsche Besucher ab sofort keine Visa mehr.
Der chinesische Kurator Yang Shu neben einem abstrakten Wandobjekt von Dior Razikov aus Usbekistan.
Aber man kann ja erst mal im Schloss Elbroich eine Annäherung versuchen. Vier usbekische Künstler der progressiveren Generation beweisen mit neuen abstrakten Arbeiten, was sich in der lange vom sozialistischen Pathos geprägten akademischen Tradition Usbekistans bewegt hat. Und elf Künstler und Künstlerinnen aus der Düsseldorfer Region, die im Dezember in der palastartigen nationalen Galerie von Usbekistan in Taschkent präsentiert wurden, zeigen ihre weitgereisten Werke jetzt in Düsseldorf. Die Verbindung hergestellt hat Guos Berater Jürgen Büssow, ehemaliger Regierungspräsident und engagierter Mitbegründer des Düsseldorfer Kunstvereins 701. Die Hängung hat der chinesische Kurator Yang Shu besorgt.
Konzept mit Lippenstift: Die in Moskau geborene und in Düsseldorf lebende Künstlerin Jewgenija Tschuikowa präsentiert ein Rot der besonderen Art.
Fotografien, Konzepte und Lippenstifte
Der Besuch lohnt sich. Denn Büssow und seine Künstler sind frei von den Exaltiertheiten des Kunstmarkts, und sie sind frei von den üblichen kuratorischen Abgrenzungen. Sie offenbaren, wie vielfältig die Produktion aktueller Kunst hier sein kann. Gleich vorne prangt eine der typischen, weithin erkennbaren Fotoarbeiten mit dem Gesicht von Katharina Sieverding: „Kunst und Kapital“. Hinten im Dunkeln zeigt ihre Tochter Pola Sieverding ihre Video-Arbeit „the epic“ und teilt sich die Leinwand mit der „Metamorphosis“ des usbekischen Kollegen Sanjar Djabbarov. Über einem Stehtischchen für die Vernissage hängt wie zufällig ein kleines Schild an der Wand: „All drama must remain on stage“, jedes Drama muss auf der Bühne bleiben. Witziger Teil der konzeptuellen Arbeit von Installationskünstlerin Ulrike Möschel.
Jewgenija Tschuikowa, die in Moskau geboren ist und an der Düsseldorfer Akademie studiert hat, war mit besonderen Gefühlen nach Taschkent gereist: Ihre Großmutter stammte aus Usbekistan. Doch die Bilder dieser Ausstellung haben nichts Nostalgisches, sie beschäftigen sich mit der Umwandlung von Schminke in künstlerisches Material. Tschuikowa arbeitet mit Lippenstiften, „Poppy Love, Coral Lady and others“, und druckt Kussmünder in dichter Abfolge auf Leinwände. Aus der Distanz erkennt man nichts als eine streng geordnete, sehr schöne Symphonie in wolkigen Rottönen. Nur aus nächster Nähe erkennt man die Küsschenform – aber sie hat ihren albernen Sinn vollkommen verloren. Sie ist abstrakte Malerei geworden.
In einer dunklen Ecke gibt es Video-Kunst – unter anderem die „Metamorphosis“ des Usbeken Sanjar Djabbarov.
Die Pracht der verlorenen Dinge
Das kann man von den Bildern Stefan à Wengen (ja, mit Accent auf dem a) nicht sagen. Der in Basel geborene Wahl-Düsseldorfer arbeitet figurativ und jenseits aller künstlerischen Trends. Seine Schimpansen in Posen und Gewändern von Renaissance-Herrschaften sind ein ironischer Hinweis auf die biologische Verbundenheit von Mensch und Tier. Große Beachtung finden auch die Fotoserien von Corina Gertz, die Frauen in leuchtenden Trachten von hinten zeigt. Ohne Gesichter, umgeben von undurchdringlichem Schwarz, haben diese „Abgewandten Porträts“ nichts Folkloristisches oder gar Kitschiges. Sie zeigen dennoch die Pracht der traditionellen Stoffdesigns. Und sie erzeugen sogar eine kleine Traurigkeit über das, was wir mit diesen Trachten verloren haben.
Auch die Kunst-Prominenz ist dabei: Katharina Sieverding zeigt ihre neue Arbeit „Kunst und Kapital“.
Es ist noch viel zu sehen in dieser Ausstellung – von den seltsam surrealen Landschaften der Rita-Mc-Bride-Schülerin Vera Lossau bis zum impressionistisch aufleuchtenden „Orientalischen Motiv“ des Usbeken Nuriddin Rasulov. Die Saalfolge im helllichten Nebengebäude des Schlosses Elbroich ist ideal für Ausstellungen mittleren Umfangs. Der Park lädt zu kleinen Spaziergängen ein. Gäbe es ein Café in der Nähe, würde man sich wünschen, dass die Chinesen hier regelmäßig Kunst für die Düsseldorfer zeigen.
Wo und wann?
Die Ausstellung „Interlocal – Zeitgenössische Kunst aus Deutschland und Usbekistan“ wird an diesem Samstag, 12. Januar, ab 14 Uhr im Rahmen eines Usbekistan-Festes beim Verein DCKD (Deutsch-Chinesischer Kulturaustausch) im Schloss Elbroich eröffnet. Bis 28. Januar kann die Kunst von der Neuen Seidenstraße im Rahmen des Blue-Container-Projekts dann Dienstag bis Samstag von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden. Adresse: Am Falder 4. Parkplatz am Eingang des Schlossparks. Der Eintritt ist frei.