Düsseldorf: 23.000 Schau-Lustige eilten durch die „Lange Nacht der Museen“
Natürlich passen sie nicht alle zusammen in eine Westentasche: Liebe und Revolution, Kunst und Kitsch, all die Farben, Töne, die kleinen und die großen Gesten. Da führte einen das handtellergroße Programmheft in die Irre. 40 Museen, Galerien, In- und Off-Locations schnippten deshalb bei der „Langen Nacht der Museen“ am Samstag (14.4.) hektisch mit den Fingern: „Hey, Publikum, schau mich an! Nein mich! Hallo, HIER-BIN-ICH.“ Als am frühen Sonntagmorgen im Quartier Bohème der letzte Walzer gedreht war, hatten 23.000 Menschen für jeweils 14 Euro geordert: „Einmal Kultur, Quattro Stagioni, extra scharf und mit ein wenig Knoblauch, bitte.“
Startpunkt Stadtmuseum: Prof. Stefanie Michels (links) führte gut drei Dutzend Interessenten auf kolonialen Spuren durch Düsseldorf.
Letzterer hilft gegen Vampire. Gegen die gestrengen Gouvernanten des Hetjens-Museums, zum Beispiel: „Nein, es ist noch kein Einlass. Wir öffnen erst um19 Uhr.“ Überall auf der Welt wären Museen froh um jeden Besucher, der es nicht abwarten kann. In Düsseldorf geht die Pünktlichkeit vor. Vor dem Stadtmuseum verweigerte sich die Abschnittkommandantin der Pattiserie Barré aus Meerbusch dem Anwohnerinnen-Wunsch, den Dieselmotor ihres Lieferwagens abzustellen. Begründung: Der Strom würde ansonsten nicht zur Kühlung reichen. Die Diskussion über Feinstaub und Giftgase ist bis in den Düsseldorfer Speckgürtel offenbar noch nicht vorgedrungen.
Umlagert: Die Kunstsammlung NRWam Grabbeplatz.
Aber dann, nach einer homöopathischen Dosis Wein, legte sich die Nervosität der Anfangsminuten. Im NRW-Forum gab es eine künstlerische Ode an die Hefeteig-laibhaftige Pizza serviert. Rings ums Drei-Scheiben-Hochhaus stauten sich viele Hundert Meter Schau-Lustige für einen Blick aus dem Phoenix Twenty-Two – im 22. Stock, das als Event-Location hoch hinaus will. Im Löbbecke-Museum und Aquarium strömten die Besucherströme zwischen den Aquarien hindurch, im K20 hatte die Douglas Gordon-Videoinstallation Premiere, der Ehrenhof wurde mit der Gruppenschau „Welcome to the Jungle“ in der Kunsthalle oder „Black and White“ im Museum Kunstpalast zur Herzkammer der Nacht.
Liedermacher Stefan Stoppok trat drei Mal in der Mahn- und Gedenkstätte auf.
Eine „Nacht mit Standpunkten“ versprach die Mahn- und Gedenkstätte. Liedermacher Stefan Stoppok balancierte in insgesamt drei Auftritten gekonnt zwischen Folk, Country, Rock und Rhyth‘n Blues. Kabarettist Martin Meier-Bode zeigte eine Melange seiner Soloprogramme. Dazu gab es Lesungen, Filme, Führungen – das allein war eine eigene Galaxie in der Milchstraße dieser Nacht.
“Accoustic Crossover” – dargeboten von Uwaga im Hetjens-Museum.
Dazu gab es weitere Musik – von den Swinging Funfares und „Skilehrer“ Heinz Hülshoff am „Haus des Karnevals“ – übrigens durchgehend gut besucht, Acoustic Crossover von Uwaga und Gypsie Swing von Marion und Sobo Band. Im Maxhaus erklang mit Kirk Smith & Soul Brothers ein Gospel. Und in der Alten Kämmerei mischten sich Jazz, Grunge und Elektro – als Endlos-Rhythmen.
Hilde Hüllwegen stellte in der Alten Kämmerei aus; Titel: Scheinbar Sichtbar.
Drei Buslinien verbanden die Ereignis-Orte, den prickelnd düsteren und schmuddeligen Worringer Platz, das 3000 Quadratmeter große Spielfeld Boui-Boui Bilk und Schloss Benrath. Und wieder ist diese Aufzählung nur ein Bruchteil dessen, was in der Langen Nacht der Museen zu sehen, zu hören, zu erleben war. Die einen Besucher hakten im Sauseschritt ab, was ging. Andere hatten sich bewusst die Off-Locations rund um den Worringer Platz ausgesucht, besichtigten die Kirchenschätze von St. Lambertus oder widmeten sich mit Forschern der Uni-Düsseldorf vom Post-Kolonialen Erbe von Düsseldorf. Merke: Auch in vergangenen Jahrhundert kam Afrika an den Rhein.
Schlange stehen für den Kirchenschatz von St. Lambertus: vor der Sakristei.
Artig gratulierte Oberbürgermeister Thomas Geisel: „Die Nacht der Museen war wieder ein voller Erfolg – zu Recht! Die einmalige Mischung von Tanz, Theater, Kunst, Performances oder zum Beispiel Lichtinstallationen begeistert alle und sorgt so für eine mitreißende Stimmung in der Stadt.” Und der in den vergangenen Monaten eher glücklose Kulturdezernent Han-Georg Lohe sank mit einem Stoßseufzer in seine Kissen: „Kultur bewegt die Stadt – wieder einmal zeigt sich, dass unsere Kulturlandschaft auf großes Interesse bei den Besucherinnen und Besuchern und insbesondere beim jungen Publikum stößt.“
Moppste sich im Hetjens-Museum: die Freifrau von der Kö als “walking Act”, “als wanderndes Gesamtkunstwerk”.