Mehr als ein Weekend: Düsseldorf feiert die Fotografie
Ohne Frage: Im Vorfeld dieses Ereignisses wurde peinlich laut gestritten. Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel, zu Machtproben neigend, wollte das von Galeristin Clara Maria Sels geleitete Photo-Weekend partout unter städtische Kontrolle bringen. Alain Bieber vom NRW-Forum sollte der alleinige Chef sein. Doch Frau Sels, nicht schüchtern, macht weiter ihre eigene Show. Nun haben wir also zwei Festivals: „Duesseldorf Photo“ (bis 25. Februar, amtlich) und „Duesseldorf Photo Weekend 2018“ (bis 18. Februar, privat). Beide werben und kämpfen getrennt, doch gleichzeitig. Das mag absurd sein. Aber unter Ausblendung des großen Gekeifes kann das Publikum sich freuen: So viel Photo gab’s nie. Mindestens 300 Fotokünstler werden in mindestens 100 Ausstellungsräumen präsentiert.
Fotografie wird zu abstrakter Kunst: Bilder von Jan Dibbets in der Akademie-Galerie
"Konkurrenzlos“ nennt Alt-Chefin Sels ihr Festival und präsentiert – wie heißt das in neuerdings in der Politik: Bätschi! – die Video-Sammlerin Julia Stoschek sowie die Top-Galerie Beck & Eggeling als Teil ihres Programms. Okay, die Ausstellung bei Stoschek („Generation Loss“) ist überhaupt nicht neu, aber bitte: Hier geht’s ums Prinzip. Alain Bieber kann seinerseits stolz auf die Kunstakademie verweisen sowie auf die renommierten Galerien Hans Mayer (mit Fotografien des Hollywood-Stars und Fotografen Dennis Hopper) und Konrad Fischer (mit Screenshots von Louisa Clement). Beide Rivalen, Sels und Bieber, führen die Kunstsammlung NRW mit der arabischen Konzeptfotografie von Akram Zaatari auf. Das Land gibt sich also unparteiisch. Und der leicht genervte Kulturdezernent Hans Georg Lohse bemerkt völlig zu Recht, dass Konkurrenz das Geschäft belebt: „Wer der Veranstalter ist, wird den Besucher nicht so interessieren.“
Pizza soll jetzt göttlich sein
Wohl wahr. Allerdings ist die Frage, wie der zitierte Besucher das auch räumlich ausufernde Angebot auch nur annähernd bewältigen soll. Man wünscht sich – besonders an ungemütlichen Wintertagen – einen weitläufigen Veranstaltungsort (wie wäre es mit dem Böhler-Gelände?), an dem genug Platz für all die Facetten der Fotokunst wäre. Und man fragt sich, warum die Spaß-Schau „Pizza is God“ unbedingt zugleich im NRW-Forum eröffnet werden musste. Nach Ansicht von Bieber geht es da zwar auch im weitesten Sinne um Fotografie, weil um die Darstellung der pseudo-italienischen Hefescheibe und ihrer ungeheuren Beliebtheit. Aber letztendlich sind die gezeigten Objekte, Popbildchen und wenig appetitlichen Videos doch nur, scusi, Quatsch mit Tomatensoße.
Blick in eine elegante Welt: die Modefotografien von Louise Dahl-Wolfe (1895-1989)
Man hätte die schönen Säle im Erdgeschoss links besser für die renommierte Fotografin Herlinde Koelbl nutzen können, deren Lebenswerk jetzt in drangvoller Enge im ersten Stock des Hauses gewürdigt wird. Die Autodidaktin wurde berühmt durch ihre in großen Bildbänden veröffentlichten Serien über „Spuren der Macht“, „Starke Frauen“ oder „Das deutsche Wohnzimmer“. Der Platz reicht nur für einige Beispiele für Koelbls scharfsinnigen und zugleich liebevollen Blick auf den Menschen. Da sind die Gesichter von Kanzlerin Merkel im Laufe der Zeit und die Falten am Bauch der alten russischen Fürstentochter Nina, die 30 Jahre lang als Modell der Münchner Akademie ihre Würde bewahrt hat. Oder zwei lebensgroße Porträts der Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer – in roter Robe und in Freizeitjeans. Die Kleider verändern Haltung und Ausstrahlung dieser nüchternen Juristin komplet
Der Stil der eleganten Welt
Um Kleider und das Wesentliche, um Form und Inhalt geht es auch im Werk der amerikanischen Modefotografin Louise Dahl-Wolfe (1895-1989), rechts im Erdgeschoss des NRW-Forums. „A Style of her Own“, einen ganz eigenen Stil, prägte diese Meisterin der Eleganz ab den 1930er-Jahren in ihrer Rolle als Lichtbildnerin des Magazins Harper’s Bazaar. Insbesondere ihre Schwarz-Weiß-Arbeiten zelebrieren die Strenge wahrer Anmut. Dabei waren nicht nur die Kollektionen der Saison Dahl-Wolfes Thema, sie porträtierte auch zahlreiche Prominente wie die Pariser Kultschriftstellerin Colette, die noch 1951 aussah wie ein Stummfilmstar. Hollywood-Diva Bette Davis hingegen hockt mit heiterem Lächeln im Gras, als sei sie ein ganz unbefangenes Mädchen. Boris Karloff, bekannt als Frankensteins Monster, zeigt sich ohne Maske als nachdenklicher Mann.
Blick von außen: Die Galerie Hans Mayer bereitet eine Ausstellung mit Fotokunst von Dennis Hopper vor
Wer mehr Fotokunst sehen will, braucht Zeit und muss lange Wege in Kauf nehmen. Das private Festival präsentiert – unter anderem im Haus der Universität am Schadowplatz 14 oder in der Galerie Till Breckner, Altstadt 6 – einen Themenschwerpunkt Naher Osten mit teilweise reportagehaften, sehr bewegenden Bildern. Das amtliche Festival reicht bis zum Weltkunstzimmer an der Ronsdorfer Str. 77a, wo die Indienreise des Werbers und Fotografen Charles Wilp in den 1970er-Jahren gewürdigt wird. Im Kontrast zu den bunten Lebensdokumenten aus der Hippie-Zeit zeigt der niederländische Ex-Professor Jan Dibbets in der Akademie-Galerie am Burgplatz 1, wie aus Fotografie abstrakte Kunst werden kann.
In der Retrospektive von Herlinde Koelbl hängen auch die Porträts der Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer
Wo und wann?
Getrennt, aber zugleich präsentieren die Festivals „Duesseldorf Photo“ (bis 25. Februar) und „Duesseldorf Photo Weekend 2018“ (bis 18. Februar) eine Fülle von Ausstellungen, Filmen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen. Die Präsentationen der Fotokunst in Museen und Galerien sind fast ausnahmslos über die Dauer der Festivals hinaus zu sehen. Ein zentraler Schauplatz ist das NRW-Forum am Ehrenhof 2, geöffnet Di.-Do. 11 bis 18 Uhr, Fr. bis 21 Uhr, Sa.10 bis 21 Uhr, So 10 bis 18 Uhr. Nähere Informationen gibt es auf den Homepages der rivalisierenden Festivals unter www.duesseldorfphoto.de und www.duesseldorfphotoweekend.de