Düsseldorf gedenkt: Kränze erinnern an den Völkermord der Nazis an den Sinti und Roma
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Nur 100 Meter Luftlinie entfernt spielt eine Kapelle Kurpromenadenmusik und Düsseldorf betäubt sich mit Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Mit ernsten Mienen legen Schüler des Friedrich-Rückert-Gymnasiums einen Kranz zu Füßen des Denkmals vom Mädchen Ehra nieder. Weitere Düsseldorfer Schüler sieht man hier nicht. Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke (SPD) und Roman Franz, Vorsitzender des NRW-Landesverbands Deutscher Sinti und Roma, drapieren den zweiten Kranz. Am 16. Dezember 1942 gab Heinrich Himmler den Befehl, die letzten Sinti und Roma aus Deutschland und aus den besetzten Ländern in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportieren zu lassen.
Mit Ball und Wuschelhaaren
Otto Pankoks Statue des Mädchens Ezra mit Ball und Wuschelhaaren steht am Alten Hafenbecken in der Altstadt; beim „Uerigen“ um die Ecke. Das Gedenken an den Völkermord an seinen Leuten jähre sich zum 20. Mal, sagt Roman Franz ernst. Und er dankt Kirchen und Parteien dafür, dass sich eine Menge verbessert habe – im Umgang mit den Sinti und Roma. Das kam nicht automatisch. Weit über das Ende der Nazi-Diktatur hinaus lagerte die Stadt Düsseldorf am Höher Weg Steine gegen die Wohnwagen der ungeliebten Mitbürger und verweigerte den dort lebenden Roma sanitäre Anlagen. Und immer noch ist die Abstammung des einstmals fahrenden Volks ein Karrierehindernis. Integration vollzieht sich im Düsseldorfer Alltag in Millimeterschritten.
Neu-Nazis unterwegs
Nun schweben unausgesprochen auch noch neurechte Dumpfbacken über dem Gedenken; sie sind da, auch wenn niemand sie benennt. Die Begeisterung deutscher Wähler für die Neu-Nazis namens AfD macht dieses Gedenken noch wichtiger. „Hass und Ausgrenzung dürften sich nicht wiederholen“, mahnt Roman Franz ernst. Er ist im Kreis von Freunden –auch bei der anschließenden Feierstunde in der Mahn- und Gedenkstätte an der Mühlenstraße. Doch wenn er in die Zukunft denkt, ist Franz alles andere als entspannt.
Roman Franz, Dr. Dagmar Hänel
Der 45-minütige Dokumentarfilm über das Leben und Werk von Otto Pankok und vor allem seine Tochter Eva Pankok (1925-2016), der in der erfreulicherweise überfüllten Mahn-und Gedenkstätte an der Mühlenstraße gezeigt wurde, wirkt. Das Team von Dr. Dagmar Hänel hat ihn 2015 gedreht. Er zeigt das Leben der Tochter des Düsseldorfer Künstlers, Eva Pankok.
40 Minuten Dokumentation über Eva Pankok, Tochter des Düsseldorfer Künstlers Otto Pankok.
Der Maler Otto Pankok war ein Freund der Düsseldorfer Sinti. Er malte sie, half ihnen und setzte sich nach 1945 für deren Entschädigungsansprüche ein. Unter dem Titel „Eigentlich soll alles so bleiben hier – Haus Esselt. Die Menschen, die Kunst und die Zeit“ über das Otto-Pankok-Museum bei Wesel nähert sich der Film der Geschichte um die Familie Pankok an. Der Film zeigt „Haus Esselt“ als Lebensort, Ort der Kunst, Ort des Miteinanders und der Begegnung. Ausgangspunkt der Filmarbeiten des Teams um Dr. Dagmar Hänel vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn waren biografische Interviews mit Eva Pankok und den Menschen, die sich in „Haus Esselt“ engagieren.
Faschismus in Düsseldorf
Es wirkte wie eine Selbstvergewisserung zu Toleranz, Respekt, Integration von Menschen. Gegen jene, die das Fremde aussperren wollen. Einerseits ein gutes Gedenken, weil auch Düsseldorfer Schüler mitmachten. Andererseits ist es Zeit, über das Gedenken hinaus zu handeln. Denn schon wieder wächst der Faschismus in Düsseldorf.