Düsseldorf versagt bereits bei der Passkontrolle – Böhmermanns 3D-Satire im NRW-Forum
O je, bei einer Revolution wäre auf das deutsche Feuilleton kein Verlass. Brav stellen sich alle kunst-klugen Kritiker vor der „Passkontrolle“ im NRW-Forum Düsseldorf an, um „Deuscthland“ zu sehen; also Jan Böhmermann und die Bildundtonfabrik im Museumsformat anstatt im ZDF. Einer gibt sogar den Streber: „Wie bei Gursky“, flüstert er mit Kennermiene laut genug, um die bewundernden Blicke der Umstehenden zu ernten.
Letztes Bild vor dem Austellungseingang – danach müssen Besucher ihre Handys abgeben.
Tatsächlich hat der Düsseldorfer Großformat-Fotograf des Banalen im Jahr 1982 ein ganz ähnliches Bild festgehalten, wie der Google-Algorithmus wissen lässt. Bis auf wenige Ausnahmen reihen sich derweil alle folgsam ein in die megalange Schlage unter dem Schild „Deutsche“. Und die wenigen Blonden, die voller Wagemut bei „Ausländer“ den Durchmarsch versuchen, lassen sich reuig, folgsam und nach gestrenger Ermahnung zurückweisen. Alle nehmen klaglos einen lila Punkt entgegen, heften sich dieses Zeichen auf die linke Brust, geben Handys, Kameras und Fotoknipsen ab.
Einmal mit Mutti auf Tuchfühlung – Angela Merkels Wanderoutfit ist Teil der 3 D-Satire. Foto: Forum-NRW, B. Babic
Obwohl sie ja eigentlich gekommen sind, um sich ein Bild vom Gesamtkunstwerk der 3D-Satire zu machen. Doch diese simple Aneignung durch digitales Verspeisen ist verboten. Pressefreiheit hin oder her. Auch hier hinterfragt niemand das Gebot. Schwitzend und mit zitternden Händen trennt man sich stattdessen vom wichtigsten Körperteil der Welt 4.0 – dem Handy.
Wenn wir nun alles andere dieser musealen Kunstausstellung weglassen – Angela Merkels Wanderoutfit, den nervtötenden Nadeldrucker, der Politik-Tweets im Sekundentakt auf einen ständig wachsenden Papierhaufen ausspuckt, die Wahlkabine, die Hasskekse, die Schrift auf weißer Wand – dann haben sich Böhmermanns Kalkül und Alain Biebers Beitrag schon allein dafür gelohnt.
Der "Reichspark" als Freizeitvergnügen, frei nach Motiven des Dritten Reichs. Foto: NRW-Forum, B.Babic
„Mein persönlicher Favorit hier ist die Idee vom Reichspark“, sagt der Kopf des NRW-Forums Düsseldorf, Alain Bieber. Es ist in der Tat der Punkt, an dem sie es auf die Spitze treiben. 62 Fahrgeschäfte und einzigartige Attraktionen bringen Verbrennung, Krieg und Verderben zurück – als Spaß für ganze Familie. Den Freizeitpark frei nach Motiven des Dritten Reichs und Weltkrieg zwo braucht man sich nicht mit geschlossenen Augen vorzustellen. Man setzt einfach sich in eine Gondel und die Brille der Virtuellen Realität auf die Nase. Wer noch schnell sein Erspartes in tausendjährige Rendite investieren möchte, kann eine Visitenkarte mitnehmen.
Ist die Böhmermann-Sause nicht ein wenig ungerecht gegenüber der Ausstellung „gute aussichten 2017/2018“ mit den Werken junger Fotokünstler gleich gegenüber den Textbildern des experimentellen Kalligraphen Klaus-Peter Dienst, die zur selben laufen. „Nein, ich setze darauf, dass sich das Publikum aller Ausstellungen vermischt“, sagt Bieber, der Museums-Fuchs.
Also hin zum Gucken! Und, äh, Nachdenken!
DEUSCTHLAND – Eine Ausstellung von Jan Böhmermann und btf
Klaus-Peter Dienst – Kalligrammatische Typografie und poetische Textbilder
Mit Bildern über Bilder sprechen gute aussichten – junge deutsche fotografie 2017/2018
Alle Ausstellungen sind bis zum 4. Februar 2018 im NRW-Forum Düsseldorf zu sehen.
OFFEN
Dienstag – Donnerstag, 11 – 18 Uhr
Freitag, 11 – 21 Uhr
Samstag, 10 – 21 Uhr
Sonntag, 10 – 18 Uhr
KOSTET
Tagesticket Dienstag bis Donnerstag (Einen Tag lang freien Zugang zu allen Ausstellungen im Haus): 6 Euro/ ermäßigt 4 Euro/ Kinder & Jugendliche (bis 17 Jahre) 1 Euro
Tagesticket Freitag bis Sonntag & Feiertage: 8 Euro/ ermäßigt 5 Euro/ Kinder & Jugendliche (bis 17 Jahre) 1 Euro
Happy Family (Erster Donnerstag im Monat, 14-18 Uhr): Eltern in Begleitung ihrer Kinder zahlen den Kinderpreis
Happy Birthday: Geburtstagskinder erhalten kostenlosen Eintritt
Foto: dn, NRW-Forum Düsseldorf –