Düsseldorf Demonstration läuft aus dem Ruder: Verletzte, Wasserwerfer, verbotene Flaggen
Irgendwann zwischen drei und fünf Uhr bauen sie eine Menschenpyramide auf der Breite Straße. Ganz oben steht ein schwarz gekleideter Mann, balanciert auf den darunter Stehenden und zeigt die verbotene Fahne: PKK-Chef Abdullah Öcalan im blauen Hemd auf gelbem Grund. Es ist ein Zeichen: „Wir haben gewonnen!“
Polizeieinsatz in Düsseldorf gegen Demonstrations-Teilnehmer.
Zu diesem Zeitpunkt hat die Polizei Pfefferspray verspritzt, sind dutzende Flaggenstöcke, Flaschen und mit Gummizwillen verschossene Zwei-Euro-Münzen in Richtung der martialisch gekleideten Polizisten geflogen. Eine grüne Rauchbombe der Demonstranten und ein Wasserwerfer der Polizei sorgen für Kulisse. Über allem knattert der Polizeihubschrauber. Diese Demo am Samstag läuft komplett aus dem Ruder. Die Bilanz: Mehr als zwölf Personen werden verletzt. Drei Polizeibeamte trifft es so schwer, dass sie ihren Dienst nicht fortsetzen konnten. Neun Menschen werden leicht verletzt. Bislang sind der Polizei zwei verletzte Demonstranten bekannt, report-D zählt vier verletzte Demonstranten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Viele tausend Teilnehmer
Nach Polizeiangaben 6.000, laut Veranstalter mehr als 10.000 Menschen treffen sich vor dem DGB-Haus an der Friedrich-Ebert-Straße und am Apolloplatz. Auf der Breitestraße sollen sich die beiden Demonstrationszüge vereinigen und über die Oberkasseler Brücke auf die Rheinwiesen ziehen. Zur Kundgebung dort wird es jedoch nicht kommen. Die Überschrift lautet „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“. 40 kurdische, türkische und deutsche Gruppen rufen zum Marsch durch Düsseldorf auf.
Bis zur Königsallee lief die Demo komplett ohne verbotene Fahnen.
Dominierend sind dabei die Kurden. Sie ruinieren an diesem Tag ihren Ruf. Bis zum Samstag, 4. November, galten Kurdendemonstrationen polizeiintern als sichere Sache. Diszipliniert und mit ebenso kundigen wie autoritären Ordnern machten Kurdendemonstrationen bislang wenig Arbeit für die Ordnungshüter. Okay, man verstand die Sprechchöre nicht. Aber niemand tanzte aus der Reihe und Demonstrationsauflagen wurden strikt befolgt.
Plötzlich wehen verbotene Fahnen
Das ist am Samstag anders. Von den zwei Demonstrationszügen begleitet report-D den ab dem DGB-Haus an der Friedrich-Ebert-Straße. Bis zur Kö-Brücke Steinstraße ist der Demo-Zug unauffällig. Doch dort werden viele Öcalan-Fahnen gezielt verteilt. Plötzlich ist der Chef der als Terrororganisation verbotenen PKK allgegenwärtig. Sofort nehmen die Kontaktbeamten das Gespräch mit den Anmeldern der Demonstration auf.
Bis zur Königsallee lief der Demonstrationszug komplett ohne verbotene Fahnen.
Das Oberverwaltungsgerichts NRW (AZ 15 B 1371/17) hatte entschieden, dass bei Demonstrationen keine Fahnen oder Transparente mit Öcalan gezeigt werden dürfen, da Deutschland, die EU und die Türkei die PKK als Terrororganisation einstufen. Düsseldorfs Polizeipräsident Norbert Wesseler sagte gegenüber report-D: „ Wir hatten keine andere Möglichkeit, als so zu handeln. Es gibt einschlägige Urteile des Oberverwaltungsgerichts, an die wir uns halten müssen“.
Fronten verhärtet
Das sehen die Teilnehmer anders. Die Fronten verhärten sich. Die Polizei stoppt den Zug an der Kreuzung Breite Straße/Grabenstraße. Dort kommt es zu Rangeleien, Flaschen, Stöcke und andere Gegenstände wurden geworfen. Ein 34-jähriger Teilnehmer wird festgenommen, nachdem er mit einer Zwille auf die Beamten geschossen hat. Die Polizei setzt Tränengas ein und nimmt acht weitere Demonstranten in Gewahrsam.
Auf der Kö-Brücke Steinstraße wurden plötzlich Öcalan-Fahnen ausgegeben.
Im Foto rechts unten kontaktiert die Polizei sofort die Anmelder der Demo, um auf die verbotenen Fahnen hinzuweisen und ihre Entfernung zu verlangen.
An der Kreuzung Breite Straße/Grabenstraße wir der Demozug gestoppt.
Vier Stunden lang stehen sich rund 6000 Demonstranten und 1000 Einsatzkräfte auf der Breite Straße gegenüber. Verhandlungen zwischen den Einsatzkräften und Anmeldern gehen hin und her. Oberflächlich in einem entspannten Duktus. Doch ein Sprecher der Demonstranten sagt report-D: „Während wir scheinbar kooperativ miteinander sprachen, wurde gleichzeitig Pfefferspray eingesetzt. Die Polizei hat uns schlicht verarscht.“ Als die Unterhändler mit dem Vorschlag zurückkehren, die Öcalan-Fahnen einzurollen, ist das keine Option für die Kurden. „Diese Fahne ist unser Leben“, sagt ein Kurde
Die Fahnenstöcke werden zunächst als Schalgwaffen eingesetzt…
Flaschen und Fahnenstöcke werden auf die Polizebeamten geworfen. Die sprühen Pfefferspray.
…was mindestens vier Demonstranten verletzt.
Die Polizei lässt Wasserwerfer auffahren. Eine Rauchbombe wird gezündet.
Nach gut drei Stunden Stillstand auf der Breite Straße bewegt sich dann gegen 16 Uhr die Demonstration ein wenig. Nicht wie geplant in Richtung der Oberkasseler Rheinwiesen, sondern in die Gegenrichtung Graf Adolf Platz. Abermals stoppt die Polizei den Aufzug, denn die Öcalan-Fahnen werden weiter geschwungen. Auf der Kreuzung Benrather Straße/Breite Straße ergibt sich daraufhin eine Art Kundgebung, indem die Ladeflächen von den Begleitfahrzeugen zu kleinen Bühnen umfunktioniert und über Mikrofon einige Reden gehalten werden.
In Richtung Polizei geworfene Fahnenstangen.
Wie aufgeladen die Situation dabei ist, zeigt der Redebeitrag der Anmelderin der Veranstaltung. Sie beklagt den Polizeieinsatz in Düsseldorf. Die habe die Demo sabotiert und sie kritisiert die Bundesregierung, die offensichtlich durch das Unterbinden der Demonstration dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gefallen wolle. Dabei bemüht sie einen Vergleich. Früher seien die Deutschen gegen die Juden vorgegangen, heute wären es die Kurden. Ähnlich argumentiert Herr Erdogan, wenn es ihm in den Kram passt.
Diskussionen am Rand der Abriegelung.
Da weder die Veranstaltungsanmelder noch die Polizei nachgeben, wird die Versammlung gegen 17 Uhr bei einsetzendem Nieselregen und einbrechender Dunkelheit für beendet erklärt. Danach sind die verbotenen Fahnen plötzlich verschwunden. Die noch anwesenden 3000 Demonstranten wollen nach Hause. Bis die Innenstadt wieder für den Fahrzeugverkehr frei ist, dauert es noch eine gute Stunde. Viele der Demonstranten sind in Bussen angereist, die an den Oberkasseler Rheinwiesen auf ihre Fahrgäste warteten. Sie holen die Teilnehmer am Graf-Adolf-Platz ab. Die übrigen Demonstranten treten den Weg zum Hauptbahnhof an.