Düsseldorf – Na dann, Prost! Was barocke Emailgläser im Kunstmuseum erzählen
Das Kostbare muss erst einmal erkannt werden. Wer nichts von historischen Emailgläsern versteht, könnte so einen lustig bunt bemalten Humpen glatt für irgendeinen Kitsch halten. Dabei hat womöglich ein barocker Kurfürst sein Bier daraus getrunken. Die verbreitete Unkenntnis auf dem schmalen Fachgebiet des Emailgläserwesens hat dem Sammler Hans-Jürgen Schicker in den letzten 40 Jahren gelegentlich ein Schnäppchen beschert. Die besten 50 Stücke seiner kleinen, aber exklusiven Kollektion sind jetzt im Seitenflügel des Kunstmuseums zu sehen.
Leidenschaftlich: Der am Niederrhein geborene und in Berlin lebende Mediziner Hans-Jürgen Schicker sammelt seit 40 Jahren historische Emailgläser
Okay: Die Präsentation in Flurvitrinen ist nicht gerade überwältigend. Man würde womöglich achtlos vorüberlaufen, wenn Dr. Schicker, von Beruf Arzt und Glassammler aus Passion, nicht mit großer Kenntnis und einem selbstverfassten Katalog auf die Bedeutung der Exponate hinweisen würde. Jenes zylinderförmige Glas mit zwei grob skizzierten Puttchen und dem sächsisch-polnischen Wappen zum Beispiel wurde um 1700 für den Dresdener Haushalt des legendären Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen August, genannt der Starke, angefertigt. Dort wurde noch heftiger gezecht als heutzutage in der Düsseldorfer Altstadt. Viele Gläser fassen zweieinhalb Liter – und sie wurden in einem Zug geleert.
Die meisten Gläser wurden zerbrochen
Es ist ein kleines Wunder, dass Trinkgefäße aus Augusts Beständen bis heute tadellos erhalten blieben. Denn die Herrschaften des Barock gingen nicht gerade vorsichtig damit um. Wie Dedo von Kerssenbrock-Krosigk, der Leiter der Glasabteilung, erklärt, warfen sie nach dem Zuprosten mit Vorliebe die geleerten Becher hinter sich: „Das Trinken hatte einen hohen rituellen Wert.“ Bei einem einzigen Gelage des starken August mit dem Kollegen Friedrich von Brandenburg sollen, erzählt Hans-Jürgen Schicker, an die 10 000 Gläser in Scherben gegangen sein.
Auch – so die Inschrift – „Das Erbare Handtwerck der Wollenkammer“ konnte sich um 1670 solch aufwendig hergestellte Emailgläser leisten.
Heute existieren deshalb nur noch ein paar tausend bekannte Exemplare in Museen und Privatsammlungen auf der ganzen Welt. Schon sieht man den um 1600 entstandenen Apostelhumpen aus Böhmen mit ganz anderen Augen. Die Jünger Christi, als freundlich-runde Männlein mit Bart dargestellt, repräsentieren fromm das Glaubensbekenntnis, fordern die Zecher aber keineswegs zur Mäßigung auf. Ob Bier, ob Wein – der Suff war keine Sünde. Und nebenbei: Alkohol galt durchaus als gesund. Wie man weiß, war in den Städten das Brunnenwasser oft verseucht.
Auch Bürger und Handwerker gönnten sich was
Na dann: Prost! Ohne Zögern hob man im 17. Jahrhundert nicht nur Stangengläser mit possierlichen reitenden Fürstlein, sondern auch Humpen, die den gekreuzigten Christus auf dem doppelköpfigen Reichsadler zeigen. Kirche und Staatsmacht gehörten untrennbar zusammen. Spätere Gefäße zeugen auch vom Wohlstand der Handwerkszünfte. Der sächsische Bäckermeister Johann Heinrich Wünschmann konnte sich um 1700 einen Humpen mit gelbgoldenem, gekröntem Brezelwappen leisten.
Das vielleicht wertvollste Stück der Sammlung stammt aus der Renaissance. Martin Barmet, ein reicher Bürgersmann aus der Bodensee-Gegend, bestellte 1588 in Tirol ein Stangenglas, das vermutlich ihn selbst mit der Gattin zeigt. Der Herr trägt einen azurblauen venezianischen Mantel, sie einen hohen Kragen wie Elizabeth I. sowie die damals modische Hörnchenfrisur. Dass die Farben so frisch leuchten wie am ersten Tag, ist der schwierigen Technik der Emailmalerei zu verdanken. Wie Dedo von Kerssenbrock-Krosigk erklärt, arbeiteten die Maler der Glashütten mit pulverisiertem Buntglas. Waren die Motive fertig, mussten die Gläser noch einmal hoch erhitzt werden, um die Farben hineinzuschmelzen – ohne dabei die Form des Gefäßes zu ruinieren. Hier ging also nicht, wie beim Porzellan, um kunstvoll-feine Pinselführung, sondern um handwerkliche Geschicklichkeit. Imponierend. Nie mehr werden wir ein historisches Emailglas für Kitsch halten.
Wo, wann, wieviel
„Der große Durst – Emailgläser aus der Sammlung Dr. Schicker, Berlin“: bis 8. Oktober im Seitenflügel des Kunstmuseums, Ehrenhof, 1. Etage. Geöffnet Di. bis So. 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Eintritt: 5 Euro. Katalog: „Gläserne Geschichte – Emailgläser der Renaissance und des Barock“, 150 Seiten: 39 Euro. www.smkp.de