Düsseldorf Oberbilk – die verlorene Ehre eines internationalen Quartiers
Unter der Überschrift „Orient in Oberbilk: Sehnsuchtsort oder Verbrechernest?“ lud die Diakonie am Mittwoch in die Berger Kirche zum Gespräch in der Reihe „Futuro sociale“ ein. Gemeinsam mit Bewohnern und Fachleuten wurde über die Stimmung im Quartier diskutiert.
Das Maghreb-Viertel
Zur traurigen Berühmtheit gelangte nach der Silvesternacht von 2015 auf 2016 das Viertel hinter dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. Als „Maghreb-Viertel“ ging das Quartier durch die Medien, da zahlreiche junge Männer aus den Herkunftsländern Tunesien, Algerien und Marokko durch Straftaten auffällig wurden. Dirk Sauerborn von der Polizei bestätigte mehrere Razzien und sprach von einer Gruppe von rund 2000 Männern, die im Visier ständen.
Für die Bewohner des Viertels ein ungewohnte Situation. Menschen, die seit Jahrzehnten dort lebten, wurden plötzlich kritisch beäugt und Touristen aus aller Welt besuchten die Ellerstraße, um sich selber ein Bild vom Verbrechernest zu machen. Doch die Anwohner wehrten sich gegen die Verurteilung ihres Quartiers, das als Klein-Marokko schon immer für Multikulti stand und vielen eine neue Heimat geworden war.
Auf dem Podium diskutierten (v.l.) Miriam Koch, Khalifa Zariouh, Dirk Sauerborn, Jamal Omeirate und Thorsten Nolting
Futuro Sociale
In der Bergerkirche diskutierten unter der Moderation von Diakoniepfarrer Thorsten Nolting die Düsseldorfer flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch, der Organisator des Maghreb-Maifestes Khalifa Zariouh, der Kontaktbeamte der Polizei für interkulturelle Angelegenheiten, Dirk Sauerborn, und der Familienvater Jamal Omeirate über das Leben im Viertel, seinen Ruf und die Gemeinschaft.
Etwa 60 Gäste waren gekommen und hörten interessiert, was Dirk Sauerborn zu den Polizeiaktionen in Klein-Marokko berichtete. Denn das Viertel sei kein unsicherer Ort oder gar eine No-Go-Area, wie von manchen Politikern im Wahlkampf dargestellt. Die Polizei habe Erkenntnisse über Straftäter aus den Maghreb-Staaten, die das Viertel als Rückzugsort nutzten. Sie stützt sich auf die Feststellung von Personalien. Allerdings sei das Viertel kein Hort des Verbrechens. Durch einen Runden Tisch mit den Bewohnern wurden Probleme benannt und systematisch angegangen. Es gäbe seit dem deutlich mehr Hinweise und Anzeigen aus der Bevölkerung und die Fallzahlen seien zurückgegangen.
Gemeinschaft im Quartier
Für eine gute Gemeinschaft setzt sich auch Khalifa Zariouh, der das Maghreb-Maifest organisierte und versucht, so die schönen Seiten Marokkos zu zeigen. Jamal Omeirate lebt mit Frau und zwei Kindern in der Nähe von Oberbilker Markt. Er ist seit 18 Jahren in Deutschland und er fühlt sich sehr wohl im Viertel. Die Vielfalt und bunte Mischung zeichnet das Quartier für ihn aus. So sieht es auch Miriam Koch, die betont, Düsseldorf sei schon immer bunt gewesen. Es seien derzeit nur 7.400 Flüchtlinge in Düsseldorf, was bei über 600.000 Einwohnern nur ein geringer Prozentsatz sei. Sie empfiehlt offen auf die Menschen zuzugehen und sich das eigene Weltbild nicht zu Hause vor dem PC oder Fernsehen zu bilden.
"Ein Lächeln wäre ein Anfang"
Dafür plädierte auch ein junger Mann in der anschließenden Diskussion. Er hat ausländische Wurzeln, wurde aber von 20 Jahren in Deutschland geboren. Im täglichen Miteinander auch mal ein Lächeln für das Gegenüber zu haben, würde viel mehr bedeuten als viele theoretische Ansätze. Das gelte für alle Menschen, egal welche Art Pass sie haben.
Weitere Veranstaltungen
Die Diakonie-Reihe „futuro sociale“ wird mit weiteren Veranstaltungen die Zukunft des Sozialen in den Blick nehmen. Geplant sind die Themen „Umgang von Kindern und Jugendlichen mit dem Internet“ und „Angst vor dem Anderen“ in Zeiten der manipulierten Fakten.