Neue Installationen im K21: Die Kunst als erhellendes Spiel
Es könnte sein, dass Sie an der Kasse von K21 ein paar aufgekratzte junge Leute treffen, die so gar nicht zum üblichen Klientel flüsternder und schreitender Museumsbesucher passen. Das liegt an Tomás Saraceno (43). Seit der argentinische Installationskünstler 2013 seine begehbare Stahlnetzkonstruktion „in orbit“ unter dem Glasdach des ehemaligen Ständehauses angebracht hat, ist es cool, dort das Abenteuer zu suchen. Sechs neue Mini-Ausstellungen machen den Besuch im neuen Teil der Landesgalerie zudem noch ein bisschen spannender.
Zeichen der Fragilität: „Kugel“ und „Kartenhaus“ von Inge Mahn.
Ja, ist denn das überhaupt Kunst? Oder Event, Action, Entertainment? Ganz einfach: Es hat etwas von alledem. Im Gegensatz zu vielen europäischen Kulturhütern fürchtet sich der Südamerikaner Saraceno nicht vor dem Spektakulären. Sein Riesennetz zwischen planetenartigen Ballons ist so beliebt, dass es nicht etwa abgebaut, sondern perfekt geflickt und kürzlich neu eröffnet wurde.
Jeder darf einmal Spiderman sein
Wer den Spiderman in sich spürt, kann sich mit geliehener Sicherheitskleidung da hinauf wagen und angesichts des Abgrunds die Balance suchen. Die anderen staunen von unten über die unsicheren Menschenspinnen in der schwerelos wirkenden Konstruktion. Und sie erkennen in einem kleinen dunklen Raum mit echten Spinnen in ihren zarten Netzen, wie viel geschickter sich die winzigen Gliederfüßer doch bewegen können. Die Kunst darf durchaus ein Spiel sein, ein erhellendes Spiel. Das beweisen die in freier Kreativität gestalteten Künstlerräume, die den besonderen Reiz der Sammlung ausmachen. Fünf davon sind jetzt ganz neu eingerichtet worden.
Inge Mahn, 1943 im heutigen Polen geboren, erzählt uns mit einem turmhohen „Kartenhaus“ aus Spanplatten und einem nur von Seilen gehaltenen Ball von der Fragilität der Dinge und Bemühungen. Dabei hat sie Humor: Ein leise quietschendes Karussell aus Holzscheiben mit Weingläsern und einem fahnengleich flatternden T-Shirt schlägt mit einer Glocke gegen eine Flasche hier und ein abgewetztes Stehaufmännchen da.
Wer hat Angst vor gewissen Objekten?
Furchtsame Erinnerung: „Anxious objects“ von Eva Kot’átková.
Die Tschechin Eva Kot’átková beschäftigt sich in ihrem „Room for anxious objects“ mit ihren angstbesetzten Vorstellungen und Erinnerungen. Da hängen Kissen mit Gesichtern, eine Riesenschere, piksende Dinge, ein Stoffkraken, eine Reihe durchlöcherter Topfdeckel, Buchstaben und noch allerlei Rätselhaftes, was den Betrachter inspiriert, die eigenen Gefühle nach verborgener Ängstlichkeit zu durchforschen.
Auch Ulla von Brandenburg, 1974 in Karlsruhe geboren, flirtet in der theaterhaften Installation „Two Times Seven“ mit dem Unterbewussten. Höchstens fünf Leute dürfen den Raum betreten und nachsehen, was sich hinter schweren, gerafften Vorhängen verbirgt: weitere Vorhänge, mindestens sieben, eine Klappleiter, eine Art Hexenbesen. Es wird dunkler und geheimnisvoller – und ganz am Ende läuft ein Film mit weiteren Vorhängen und magischen Gesängen. Die Künstlerin offenbart nichts als die Erwartungen und Empfindungen der Besucher. Ein ebenso sanftes wie faszinierendes Erlebnis.
Die Dinge und das Unsichtbare
Stillgelegte Kraft: „Parallelgesellschaften“ von Alexandra Bircken.
Ziemlich aggressiv zeigt sich hingegen die Kunst der Kölnerin Alexandra Bircken: Für „Parallelgesellschaften“ kombinierte sie drei verdrehte Motorräder mit grob gehäkelten, wachsgetränkten Objekten – einem Sattel, einer Art Reifen, einer Kluft. Ein Rasenmäher, der nicht immer funktioniert, zieht seine sinnlosen Bahnen. Gehen da männliche und weibliche Energien aufeinander los? Man weiß es nicht – und genießt die Klarheit in dem blaugrün leuchtenden Raum der Chilenin Pamela Rosenkranz, die nichts hinstellt. Ihr genügt das gleißende Licht, kombiniert mit Geräuschen, die sie am Amazonas aufgenommen hat. Und jeder spürt die Wirkung am eigenen Leib.
Eine Frage der Verwandlung
Extra-Schau: Skulpturen von Leunora Salihu.
Gute Installationskunst kann durchaus die Distanz überwinden, die viele Menschen angesichts aktueller Positionen einnehmen. Sie kann betörend sein. Die Düsseldorfer Sammlung des 21. Jahrhunderts zeigt das immer wieder neu – wobei Malerei und Skulptur derzeit zu kurz kommen. Immerhin gibt es noch eine kleine Extra-Ausstellung von Leunora Salihu, die aus dem Kosovo kommt und Objekte von spröder Schönheit schafft. Ein „Bogen“ aus Keramik ähnelt entfernt einer Traktor- oder Panzerkette, eine „Treppe“ aus Sperrholz führt ins Nirgendwo, ein „Propeller“ deutet nur Bewegung an und wird sich niemals drehen. Scheinbar praktische Erscheinungen wurden da verwandelt. In pure Kunst.
Die Fakten
„K21 Künstlerräume“ in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Ständehaus. Di-Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa./So. 11 bis 18 Uhr. Jeden 1. Mittwoch im Monat bis 22 Uhr (Eintritt ab 18 Uhr frei). Regulärer Eintritt: 12 Euro. Hinweise zum begehbaren Kunstwerk von Tomás Saraceno unter:
www.kunstsammlung.de/in-orbit