Düsseldorfer Journalisten bitten AfD-Landeschef Pretzell auf ein Podium zum Thema „schwindende Meinungsvielfalt“
Der nordrhein-westfälische Afd-Vorsitzende Marcus Pretzell hat im Rahmen einer Diskussion über schwindende Medienvielfalt gefordert, man müsse die Vielzahl der ARD-Sender stark eindampfen. Im Grunde reiche ein bundesweiter, öffentlich-rechtlicher Nachrichtensender, der aus Steuermitteln finanziert werden könnte, sagte Pretzell. Für die 70 Mitglieder des Deutschen Journalisten-Verbands, djv, war dies nicht der einzige Seitenhieb am Montagabend in der Landesanstalt für Medien, Düsseldorf. Dorthin hatte der djv Politiker derjenigen Parteien eingeladen, die laut Umfragen Chancen haben, bei den Wahlen am 14. Mai 2017 in den NRW-Landtag einzuziehen.
Kabarettist Jens Neutag mit einem Satz alternativer Fakten zur AfD | Foto: Ute Neubauer
Dass eine Journalisten-Gewerkschaft mit dem Afd-Landesvorsitzenden NRW, Pretzell, jemanden einlädt, der Journalisten von Parteitagen auslädt, hatte im Vorfeld des Termins für Diskussionen gesorgt. Vor dem Gebäude stand eine Hundertschaft Polizei. „Düsseldorf stellt sich quer“, DSSQ, bot an einem Proteststand alternative Fakten an. Die Kabarettisten Martin Maier-Bode und Jens Neutag protestierten so gegen die Einladung Pretzells. Ihr Credo: „Blau ist das neue Braun.“ Als Illustration diente ein Karnevalswagen von Jacques Tilly aus dem Jahr 2015.
Kabarettist Martin Meier-Bode vor dem Motto des Anti-Afd-Protests: Blau ist das neue Braun | Foto: Ute Neubauer
Die Einlader wiesen die Kritik zurück. Man werde sich nicht auf die Ebene der Afd hinunterbegeben, sondern wollte Pretzell im Rahmen der Diskussion „demaskieren“, hieß es vorab. Dazu kam es nicht. Völlig ungerührt vertrat Pretzell die Position, es habe nun mal nicht jeder Journalist ein Recht darauf, jeden Parteitag besuchen zu dürfen. Er verglich den Afd-Parteitag mit dem Kabinett von Angela Merkel: Das tage schließlich auch hinter verschlossenen Türen.
Moderator Frank Überall (l.) und Marcus Pretzell
Solche Provokationen zogen natürlich sofort Raunen und Wortmeldungen nach sich. Der Moderator, der djv-Bundesvorsitzende, Frank Überall, erinnerte mehrfach an das eigentliche Thema des Abends – die schwindende Meinungsvielfalt, vor allem im lokalen Bereich. Am Beispiel Düsseldorf: Dort drucken die früher unabhängigen Tageszeitungen NRW und WZ mittlerweile überwiegend Material der Rheinischen Post. Lokale Informationsplattformen wie report-D in Düsseldorf wurden ausdrücklich als echte Alternativen begrüßt.
Stiftung, Fonds oder was sonst?
Bei der Frage, wie eine Meinungsvielfalt in einer Stadt oder in einem Kreis aufrecht erhalten werden kann, hatten die Medienexperten der Parteien durchaus unterschiedliche Vorschläge. Im Namen der SPD verwies Alexander Vogt auf die mit 1,6 Millionen Euro pro Jahr dotierte Stiftung „Vor Ort NRW – Lfm-Stiftung für Lokaljournalismus“. Diese organisiere die Fortbildung von Online- oder ehrenamtlich tätigen Bürgerjournalisten.
Moderator Frank Überall hielt dem entgegen, bezogen auf die NRW-Einwohnerzahl würden gerade einmal 9 Cent pro Kopf eingesetzt – damit könne man sich in zehn Jahren eine Tageszeitung kaufen.
Medienkompetenz lehren
Oliver Keymis von den Grünen hakte ein und schlug einen umfassenden Fonds vor, in den der WDR als Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch die NRW-Verleger einzahlen sollten. Aus diesem Fonds könne dann Lokaljournalismus finanziert werden. Alexander Vogt warnte daraufhin davor, bestehende Strukturen wie die NRW-Lokalradios zu zerschlagen. Sie müssten vielmehr erhalten werden und den Schritt in die Digitaltechnik schaffen.
Thorsten Schick von der CDU, appellierte an die Verleger, Angebote zum Aufbau von Medienkompetenz aufrecht zu erhalten. Dazu zählte er die „Zeitungs-Zeit“, die Arbeit mit Tageszeitungen im Unterricht. Thomas Nückel, FDP, äußerte Sympathie für gemeinnützigen Journalismus und den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte, die dann aber sorgfältig geschult werden müssten.
Gemeinsam gegen die Tarifflucht der Verlage
Alle Politiker – mit Ausnahme des Afd-Mannes – kritisierten die Verleger für die Tarifflucht über die Gründung neuer Tochtergesellschaften. Vor allem junge Journalisten müssten ausreichend bezahlt werden. Mehrere Teilnehmer der Runde – so auch Özlem Demirel, Die Linke, forderte, die Tarifverträge für Journalisten für allgemein verbindlich zu erklären, um die Tarifflucht zu unterbinden.